Der Zustand des Mobile Marketings stagniert gewissermaßen, denn: Mobile Marketing kommt – und zwar schon seit Jahren. Die fortlaufende Diskussion darüber, ob dem Mobile Marketing der Durchbruch gelungen ist oder gelingen wird, wird vor allem deshalb geführt, weil es eine sehr große Diskrepanz zwischen massiver Verbreitung von Smartphones bzw. mobiler Internetnutzung und den relativ geringen mobilen Werbespendings gibt. Bei Betrachtung der verhältnismäßig niedrigen Werbespendings für Mobile stellt sich schnell die Frage nach den Gründen. Und wenn wir diese Frage beantworten können: Hilft uns die Kenntnis dieser Gründe weiter, dies zu ändern?
Hindernisse des Mobile Marketings
Das erste Problem beginnt schon damit, dass die Gründe für diese Diskrepanz bzw. für die geringen Werbespendings vielfältig sind. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, lassen sich sicherlich einige Punkte identifizieren, welche mögliche Hindernisse des Mobile Marketings deutlich machen:
1. Fragmentierung: Es gibt im Mobile Marketing eine Fragmentierung auf zahlreichen Ebenen: Da wären zunächst die unterschiedlichen Screengrößen der Endgeräte, aber auch die unterschiedlichen Betriebssysteme zu nennen. Als wäre das nicht genug, muss noch zwischen Mobile Web und Mobile Apps unterschieden werden. Zu guter Letzt erscheint der Gesamtmarkt unübersichtlich, weil er sich in zahlreichen Teilgebieten mit einer Vielzahl von Anbietern und Teilnehmern auffächert.
2. Tracking: Stark vereinfacht gesagt wird im mobilen Web mit Cookies getrackt und in den Apps mit Identifikationsnummern, wobei es innerhalb dieser beiden Welten wiederum Unterschiede auf der Ebene der Betriebssysteme gibt. Darüber hinaus ist es nach wie vor problematisch, ein übergreifendes Tracking durchzuführen, bei dem Unique User übergreifend (mobile Web und Apps) identifiziert werden können. Es gibt zwar Ansätze, dieses Problem zu lösen (z. B. durch Fingerprinting oder Device Recognition), allerdings bringen diese Ansätze rechtliche Probleme mit sich und/oder sie sind noch zu ungenau bzw. erfassen nicht alle User.
3. Werbeformen und -formate: Da Smartphones in der Regel einen relativ kleinen Screen haben und die Nutzung mobiler Endgeräte eigenen Nutzungsgewohnheiten unterliegt, stellt sich die Frage, welche Art von Werbung und welches Werbeformat mobil angemessen ist oder ob es überhaupt etwas Angemessenes gibt.
4. Planungsgrundlagen: Aus Mediaplanungssicht sind die Planungsgrundlagen für Mobile nicht optimal. So gibt es inzwischen zwar die Digital Facts der AGOF (eine Zusammenführung der Mobile Facts und Online Facts), die Reichweiten- und Strukturdaten der mobilen Angebote beinhalten, allerdings gibt es dabei noch verschiedene Probleme. So werden beispielsweise die Online Facts monatlich erhoben, während die Mobile Facts nur alle drei Monate erhoben werden. Außerdem sind große, relevante Player wie Google und Facebook dort nicht abgebildet (wobei dies auch für die Online Facts gilt, aber das macht es nicht besser). Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob die Reichweiten- und Strukturdaten überhaupt die richtige Grundlage für die mobile Planung sind oder ob nicht andere Daten (z. B. Audiences, Profile u. a.) eine bessere Alternative sind.
5. Mobile Research: Um die Effekte einer mobilen Kampagne messen zu können, müssen auch die mobilen Kontakte in eine Auswertung fließen. Dies ist aber im Sinne einer Marktforschung insofern noch nicht möglich, als dass es in Deutschland noch kein mobiles Panel gibt.
6. Mangel an Strategien: Viele Werbetreibende bringen bisher nicht die Voraussetzungen für mobile Werbung mit (z. B. eine mobil optimierte Präsenz) und haben dementsprechend auch keine mobile Strategie, die aber für ein mobiles Engagement dringend notwendig ist.
Besonderheiten des Mobile Marketings
Nehmen wir an, dass diese Punkte zumindest in Ansätzen unsere erste Frage (Warum gibt es eine so große Diskrepanz zwischen mobiler Verbreitung/Nutzung und den Werbespendings?) beantworten, dann kämen wir nun zur zweiten Frage: Hilft uns die Kenntnis dieser Gründe, dies zu ändern?
Die Betrachtung der oben genannten Gründe macht zunächst einen allgemeinen Punkt deutlich: Alle diese Themen spielen auch Online eine Rolle, aber die Learnings, Erkenntnisse und Bedingungen lassen sich offenbar nicht von Online auf Mobile übertragen, sondern sie unterscheiden sich.
Das führt zu der (vielleicht etwas plumpen, aber zutreffenden) Einsicht: Mobile ist nicht Online.
Es macht daher Sinn, sich zunächst zu fragen, welches überhaupt die wesentlichen Punkte sind, die Mobile von Online unterscheiden. Als vorläufige Hypothesen schlage ich folgende vor:
- Die Relevanz hat im Mobile Marketing eine außerordentliche (und im Vergleich zu anderen Kanälen noch wichtigere) Bedeutung.
- Das Smartphone ermöglicht, ziemlich genau den/die Aufenthaltsort(e) eines Users zu bestimmen.
- Das Smartphone ist eine Brücke zwischen digitaler und physischer Welt.
- Die Hardware der Smartphones bietet deutlich mehr Möglichkeiten als der Desktop, da Smartphones beispielsweise mit einer Fülle von Sensoren ausgestattet sind. Dabei ist auch die besondere Bedeutung von Apps zu erwähnen, die einen wesentlich einfacheren Zugriff auf die Sensoren ermöglichen als ein Browser. Zudem spielen Apps ohnehin eine extrem wichtige Rolle, da die mobile Nutzung deutlich mehr über Apps als über das mobile Web erfolgt.
Betrachtet man diese „Besonderheiten“ des mobilen Kanals, dann relativiert sich die eingangs erwähnte Diskrepanz. Denn es liegt dann auf der Hand, dass Mobile – salopp gesagt – nicht einfach ein weiterer Search- oder Displaykanal ist, sondern eigenen Beschränkungen unterliegt und zugleich neue Möglichkeiten bietet. Wenn wir jedoch von einer Nutzung dieser Besonderheiten bzw. neuen Möglichkeiten sprechen, dann sprechen wir in vielen Fällen auch von Technologien wie z. B. GPS-Ortung/-Targeting, den Einsatz von Beacons usw. Die Nutzung der meisten dieser Technologien zu werblichen Zwecken bedarf aus rechtlichen Gründen jedoch eines Opt-ins durch den User. Dies schränkt natürlich die Reichweite massiv ein, da ein Opt-in in vielen Fällen (noch) nicht vorliegt. Das bedeutet, zumindest in dieser Hinsicht muss auch erst einmal zunehmend Reichweite aufgebaut werden, damit die Besonderheiten des mobilen Kanals auch wirklich genutzt werden können.
Darüber hinaus müssen alle Marktteilnehmer umdenken und nicht Mobile wie Online planen/betrachten/umsetzen, sondern sich viel intensiver mit der Frage beschäftigen, was diesen Kanal ausmacht und welche Möglichkeiten er bietet.
Ein guter Anfang wäre die intensive Auseinandersetzung mit den oben vier genannten Hypothesen: Was bedeutet überhaupt Relevanz genau? Wie kann ich mobile Ortsinformationen nutzen? Welche Bedeutung und Konsequenzen hat die Verknüpfung der digitalen Welt mit der physischen Welt? Welche Möglichkeiten gibt es, insbesondere Apps anders/besser sinnvoll zu nutzen?
Natürlich existieren dazu bereits Ansätze, aber ein wirkliches Umdenken in der Breite hat sicherlich noch nicht stattgefunden.
Dies sind allgemeine Fragen, die daher eher als Anregung dienen sollen, als dass sie in diesem Beitrag noch beantwortet werden könnten. Dadurch werden zwar nicht automatisch die eingangs erwähnten Hindernisse aus dem Weg geräumt, aber diese Hindernisse sollten uns nicht daran hindern, uns mit diesen Fragen sowie Ideen und Strategien zu befassen. Denn wenn die Anregung ernst genommen wird und sich die zuletzt erläuterten Reichweiten erhöhen, dann wird der eingangs erwähnte Zustand des mobilen Marketings auch nicht mehr durch Stagnation gekennzeichnet sein, sondern durch eine rasante Weiterentwicklung, die neue, skalierbare Möglichkeiten auf verschiedenen Ebenen hervorbringen wird – und somit auch steigende Werbespendings.