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MOBILE

Was macht mobile Werbung so tricky?

Jens von Rauchhaupt, 24. Februar 2015

Man hört immer wieder, Mobile Advertising habe seine ganz eigenen Regeln, wäre eine völlig neue Herausforderung für Kreative wie auch für die Mediaplanung. Alles sei schwieriger und komplexer. Was sind denn nun konkret die typischen Fallstricke, denen die Advertiser gegenüberstehen, wenn sie auch über mobile Devices ihre Zielgruppe erreichen möchten? Einige Hürden gilt es zu nehmen, wie diese kleine Zusammenfassung zeigt, aber nichts von alledem scheint unlösbar.

Geräteklassen und unterschiedliche Nutzungssituationen

Mobile ist nicht zwangsläufig mobil, und damit fangen schon die ersten Probleme an, die ambitionierte Kampagnenkonzepter, aber auch Mediaplaner als sportliche Herausforderung sehen sollten. Denn was sich unter dem Oberbegriff Mobile tummelt, sind nicht nur Smartphones, sondern auch deren größere Cousins „Phablets“ und „Tablets“. Letztere Geräteklassen werden eher im WLAN-Betrieb zu Hause genutzt. Wie sollen aber Tablet-Nutzer – immerhin 20 Prozent aller Onliner nutzen regelmäßig auch Tablets – für eine Kampagne berücksichtigt werden? Sollte der Werbetreibende diese mit den gleichen Werbemitteln und Motiven bespielen wie Smartphone-Nutzer?

Hier muss man sich zunächst einmal das eigene Kampagnenziel vor Augen halten. Denn die Tablet-Nutzungssituation ist mit der von Smartphones nicht vergleichbar. Großangelegte Branding-Werbemittel möglicherweise sogar kontraproduktiv, weil sich dadurch der Nutzer gestört fühlen könnte. Denn ein Smartphone-Nutzer befindet sich eher in einer Wartesituation, nutzt das Gerät auch beruflich und für den Hin- und Heimweg zur Arbeit, er konsumiert Inhalte schneller. Ganz anders als die meisten Tablet-Nutzer, die entspannt auf der heimischen Couch, also fast im sogenannten Leanback-Modus vorranging in den Abendstunden surfen. Doch wer seine Zielgruppe und sein Kommunikationsziel kennt, sollte das in den Griff bekommen, soweit ihm genügend Planungsdaten zur Verfügung stehen.

In der App oder auf einer mobilen Webseite werben?

Foto: Florian Renz Florian Renz

Die Werbetreibenden stehen zudem vor der Frage, ob sie ihre Kampagne sowohl für Apps als auch für mobile Webseiten konzipieren und ausliefern sollen. Allerdings lassen sich Cookies nur bei den mobilen Webseiten, den Mobile Enable Websites (MEWs) einsetzen. Bei Apps sind Cookies hingegen nicht brauchbar, um Nutzer zu markieren und Nutzerprofile zu erzeugen.

Doch Apps damit nicht zu berücksichtigen, wäre ein fataler Fehler, denn: „85 Prozent der Nutzung auf dem Smartphone findet in den Apps statt, nur 15 Prozent im mobilen Browser – damit gilt auf dem Smartphone: Die App ist das neue Web“, sagt Florian Renz. Senior Manager des Marktforschungunternehmens GfK, das mit dem Crossmedia Link Panel die kanalübergreifende Mediennutzung analysieren kann.

Damit wiederum die MEWs zu vernachlässigen, wäre sicher nicht der richtige Weg. Schließlich sind mobile Webseiten eher inhaltlich getriebene Formate, in denen eine Markenkommunikation besser wirkt als in einer App, die für den Nutzer nur eine bestimmte Funktion übernehmen soll, wie zum Beispiel eine Wetter-App.

App-Werbung noch immer Neuland

Für klassische Brand Advertiser ist In-App-Werbung noch immer eher Neuland. Das Tracking und Targeting funktioniert in der App-Welt anders, da hier Cookies eine untergeordnete Rolle spielen. Andere Parameter wie GPS-Koordinaten oder Device IDs werden insbesondere im Bereich Targeting präferiert zur Zuordnung verwendet. Android (71 Prozent Marktanteil) und Apple (20,9 Prozent Marktanteil) haben zwar jeweils ein eigenes Ökosystem, damit aber nicht zwangsläufig eigene Regeln, was das Tracking und Targeting der Apps betrifft. Diese Anbieter arbeiten im Bereich des Targetings alle mit einer Device-ID, die wie Apples IDFA funktioniert, bei Android ist es die advertising ID.

Allerdings bleibt das Thema Datenschutz ein ganz zentrales und noch immer fehlen die akzeptierten Standards hinsichtlich personenbezogenen gegenüber nicht personenbezogenen Daten und welche Implikationen dies mit sich bringt. International hat sich die Mobile-Branche darauf verständigt, dass es sich bei der IDFA um ein sogenanntes Pseudonym (verschlüsselt, aber nicht anonymisiert) handelt, sodass die IDFA ohne weitere Verschlüsselungsalgorithmen zwecks Device-Identifizierung genutzt werden kann. Im deutschen Datenschutzrecht wird intensiv zu dieser Fragestellung gestritten und diskutiert, ob es sich bei der IDFA doch um ein personenbezogenes Datum handelt und somit eine weitere Verschlüsselung notwendig ist, sodass es sich nicht um ein Pseudonym, sondern um ein anonymisiertes Datum handelt.

App-Werbung läuft über Software Development Kits (SDKs)

Möchte ein App-Publisher seine App möglichst reichweitenstark über mehrere Anbieter vermarkten, muss er vom Vermarktungspartner oder dessen Adserver-Anbieter eine eigene SDK integrieren. Das Problem ist hierbei die Anzahl der SDKs, die im Hintergrund werkeln. Denn mehr als drei sollten es eigentlich nicht sein, da es sonst zu deutlichen Usability-Schwierigkeiten und Abstürzen der App kommen kann. Inzwischen gibt es auch „Mediation SDKs“ von sogenannten „Attribution Providern“, an die wiederum andere SDKs angedockt werden können.

Fehlende Planungsdaten?

Mobile lässt sich insgesamt schwieriger planen. Das stimmt nur zum Teil. Richtig ist, dass sich die mobile und stationäre Nutzung gemeinsam kaum befriedigend
planen lassen. Zwar gibt es mit den Mobile Facts der Arbeitsgemeinschaft für Online Forschung (AGOF) valide Planungsgrundlagen hinsichtlich der App- und
mobilen Webseitennutzung, doch lassen sich längst nicht alle Publisher von der AGOF ausweisen. So fehlen hier vor allem Google und Facebook, deren Apps besonders stark genutzt werden. Allerdings lassen sich Facebook und Google auch bei der stationären Nutzung nicht in die Karten schauen. Das wirkliche Problem sind aber die Reichweitenüberschneidungen zwischen mobilen und den stationären Reichweiten, also die Cross-Device-Nutzung. Dieser „Tracking-Graben“ lässt sich neuerdings herausrechnen. Denn die AGOF hatte sich dieser Problematik nun angenommen und dazu die Digital Facts herausgebracht, die beide Kanäle planerisch vereinen.

Herausforderung Cross-Device-Tracking

Werbetreibende wollen die richtige Botschaft möglichst individualisiert im passenden Format auf die Screens der unterschiedlichen Devices zu transportieren. Doch ein Problem bleibt dabei für den Advertiser die Einstellung des Werbedrucks. Ein Werbetreibender möchte mit seiner Kampagne den Nutzer unabhängig vom Device in einer begrenzten Kontaktzahl erreichen. Daher sind gerade Anbieter wie Google, Facebook, Microsoft oder auch GMX/Web.de mit ihrem Single-Log-in-Ansatz im Vorteil. Hier lässt sich der eingeloggte Nutzer konkret wiedererkennen, unabhängig davon, ob er die mobile App oder die stationäre bzw. mobile Webseite nutzt. Inzwischen gibt es Technologieanbieter, die mit Annäherungen und Hochrechnungen arbeiten. Bei AdTruth arbeitet man zum Beispiel mit über 200 Messpunkten am jeweiligen Device und versucht das mit dem Verhalten der Nutzer in Bezug zu setzen. Auf diese Weise will AdTruth vorhersagen können, ob es sich beim Nutzer wieder um den gleichen Verbraucher handelt, wenn dieser ein anderes Gerät verwendet.

Viele Screengrößen, viele unterschiedliche Werbemittel?

Aufgrund der unterschiedlichen Geräteklassen besitzen die mobilen User auch unterschiedliche Screengrößen. Demzufolge braucht eine einheitliche Kampagne – sofern diese überhaupt Sinn macht –, die sowohl auf alle Smartphone-Screens als auch Tablets ausgespielt wird, auch eine höhere Anzahl unterschiedlicher Werbemittel, die im Adserver der Agentur hinterlegt werden muss. Hier gibt es allerdings mit Responsive- und Adaptive-Design-Technologien bereits Lösungsansätze, bei denen nur eine begrenzte Anzahl von Creatives in HTML5 benötigt wird, um Kampagnen über alle digitale Screens passend auszuliefern.

Ist mobile Rich-Media-Werbung wegen HTML5 kompliziert?

Foto: Sizmek Patrick Edlefsen

HTML5 gilt für die Werbeindustrie noch immer als eine Art Bottleneck. „HTML5 ist schwieriger zu programmieren, Flash ist hingegen gelernt. Da stoßen viele Kreativagenturen an ihre Grenzen, da sie sich auf Flash spezialisiert haben“, sagt Patrick Edlefsen, Managing Director DACH vom Adserver- und Plattformanbieter Sizmek. Dabei bieten die großen Adserver- und Rich-Media-Spezialisten längst eigene Tools an, mit denen die Agenturen auch Rich Media Ads als HTML5-Format im Handumdrehen selbst kreieren können „Das geht in unserem System sogar so weit, dass die Agentur fertige Flash Ads einfach per Drag & Drop in eine HTML5 Ad umwandeln kann“, berichtet Edlefsen.

Mobile Programmatic Buying für Mobile Web und App-Targeting

Selbst Programmatic Buying funktioniert sowohl für die MEWs als auch in App-Inventar. Während bei den MEWs dies aufgrund der Cookiefähigkeit der mobilen Browser ein Match über die SSP und mobilfähigen DSP problemlos herstellen lässt, ist das Mobile Programmatic Buying für Apps schon eine etwas andere Herausforderung. Beim App-Tracking und Targeting braucht es andere Parameter wie GPS-Koordinaten oder den besagten Device IDs. Diese werden insbesondere im Bereich Targeting präferiert zur Zuordnung verwendet. Zudem ist die Gewichtung der Targeting-Kriterien eine andere. Uhrzeit, Nutzungsort, Zugriffsart auf das Internet - ob Wi-Fi bzw. Carrier - oder Device haben einen entscheidenden Einfluss auf die Buying-Entscheidung. Die Kombination mit sogenannten Premiumdaten, also das neuerdings viel diskutierte Audience Targeting, erweitert die Möglichkeiten der Kampagnenoptimierung im Mobile RTA nochmals, indem der erweiterte Kontext an einem bestimmten Ort (z. B. Soziodemografie, Points-of-Interest, Events, Wetter) in Echtzeit mit einbezogen wird.

Über den Autor/die Autorin:

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