Matthias-Müller von Blumencrons Worte auf dem diesjährigen BVDW-Neujahrsempfang waren klar und eindeutig: „Sie, liebe Agenturen, müssen lernen, mobile Werbung zu verkaufen, sonst gehen wir beide unter – Sie zuerst“, appellierte der Digital-Chef der FAZ an die anwesenden Branchenvertreter. Doch hinken die Unternehmen und Agenturen dem aktuellen Mobile-Boom wirklich so stark hinterher, wie Müller von Blumencron es darstellt?
Laut der ARD/ZDF-Online-Studie von 2014 ging im vergangenen Jahr jeder zweite unter anderem mit seinem Mobilgerät ins Netz. Und das zu allen Tages- und Nachtzeiten und auf den persönlichsten Endgeräten, die man sich als Werbetreibender vorstellen kann. Die Agenturen dagegen beziffern die aktuellen Mobile-Anteile der Budgets immer noch recht niedrig – zwischen rund fünf und zehn Prozent.
Virginie Briand, Geschäftsführerin Strategie/Beratung bei der 19:13 Werbeagentur, München, geht aber nicht davon aus, dass das so bleibt: „Je nach Branche und Zielgruppe halte ich mittelfristig bis zu 50 Prozent für möglich und sinnvoll“, erklärt sie, wobei es natürlich auf das jeweilige Produkt und die Aufgabe ankomme.
Auch Manfred Klaus, Geschäftsführender Gesellschafter der Plan.net-Gruppe, benennt den Mobilanteil an den Budgets ähnlich. Er rät aber den Kunden nicht in jedem Fall zur bedingungslosen Hinwendung in Richtung Mobile: „Das hängt von vielen Faktoren ab: Hat der Kunde überhaupt eine mobile Landingpage? Ist das Produkt überhaupt sinnvoll mobil zu bewerben?“ Sinnvoll zu bewerben, darin sind sich die Befragten im Prinzip einig, sind vor allem Produkte, die aufgrund ihrer Einfachheit auch mit Hilfe eines kleinen Bildschirms verständlich zu machen sind und quasi „im Vorbeigehen“ vermittelt werden können. Und natürlich solche, die mit den Eigenheiten der Mobilgeräte spielen, etwa mit den Lokalisierungsfunktionen oder der Kamera.
Nicht mit komplizierten Inhalten langweilen, lieber unterhalten
„Mobiles Marketing sollte eine Fortsetzung dessen sein, wofür eine Marke steht. Es muss die Erwartungen der User erfüllen im Hinblick auf das, was sie auch von anderen Touchpoints mit der Marke gewohnt sind. Kunden sollten bei Mobile immer auf die Faktoren Einfachheit und Spaß setzen – mobile Endgeräte sind das falsche Medium für komplizierte Inhalte“, ist sich Virginie Briand sicher.
Klar – eine komplexe Versicherung im B2B-Bereich wird man seltener über sein Smartphone buchen als die Auslandsreisekrankenversicherung, die schnell noch mal auf dem Weg zum Flughafen mitgenommen wird. Doch ganz ausschließen will Benjamin Minack, Geschäftsführer der zur Hirschen-Group gehörenden Berliner Agentur Ressourcenmangel, auch die erklärungsintensiven Produkte nicht: „Es hängt alles davon ab, ob man es schafft, eine Landingpage zu entwickeln, die das geweckte Bedürfnis irgendwie befriedigen kann.“
Gleichzeitig spielt Minack den Ball aber an den FAZ-Digital-Mann Müller von Blumencron zurück: „Es ist doch die Ideenfreiheit der Vermarkter und die fehlende Flexibilität der Verlage, die es fast unmöglich machen, spannende mobile Werbeformen in publizistischen Umfeldern zu platzieren“, wettert er – und bemängelt zugleich die technische und konzeptionelle Infrastruktur beim Kunden, die gar keine hochwertigen mobilen Angebote entstehen lassen könne.
Tickets und Hotelbuchungen prädestiniert für Mobile
Fragt man nach Branchen, die besonders mobilaffin sind, kommen die üblichen Verdächtigen: „Optimal für Mobile eignen sich FMCG, Handel und E-Commerce allgemein, ebenso Mode und Entertainment“, erklärt Virginie Briand. Aber auch Automobil und alles was mit Reisen und Mobilität zusammenhänge, sei prädestiniert für Mobilkampagnen, wie Manfred Klaus von Plan.net ergänzt, „allen voran Hotelbuchungen und Ticketbestellungen“.
Neben den klassischen Produktkampagnen und E-Commerce-Anwendungen spielt aber zunehmend auch der Brandingbereich eine Rolle bei den Mobilkampagnen. Dennoch ist gerade hier zu beobachten, dass, von einigen Vorzeigekampagnen abgesehen, die unique mobile campaigns hierzulande noch recht dünn gesät sind – verglichen etwa mit den USA oder einigen asiatischen Märkten. Warum denn immer noch die Zurückhaltung auf Kundenseite? „Eben weil sich die Wirkung der Anzeige nicht zwangsläufig in höherer Awareness widerspiegelt“, erklärt Manfred Klaus. Dadurch, dass die Ausspielung der Anzeige auf der Basis der vorher ermittelten Nutzung erfolgt, verändere sich der Planungsprozess fundamental. „Das macht es insgesamt kleinteiliger und schwieriger. Kunden müssen sich eben erst daran gewöhnen, sich mit neuen KPIs anzufreunden. Es gilt eben nicht mehr ‚viel hilft viel‘.“
An der Qualität und Performance des hiesigen mobilen Internets kann es jedenfalls nicht liegen: 6,1 Mbit/s ermittelten die Macher der Mobilfunk-App Netradar als statistische Durchschnittsgeschwindigkeit in den deutschen Netzen – eigentlich kein schlechter Wert, wenn man bedenkt, dass viele Haushalte diesen Wert nicht einmal beim klassischen Internetanschluss erreichen.
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