Es waren vor allem Hiobsbotschaften im vergangenen Jahr, die man aus dem Affiliate-Geschäft hörte: nicht unerhebliche Entlassungen bei Tradedoubler und Zanox, Umstrukturierungen im Management nahezu sämtlicher großer Affiliate-Marketer – und die Erkenntnis, dass der Markt aufgrund des Preisverfalls und der Konkurrenz aus dem Programmatic-Umfeld bedeutend schwieriger geworden ist. Freuen kann das Kunden und Publisher gleichermaßen: Sie bekommen individuellere Lösungen zu vertretbaren Preisen und erhalten im besten Fall noch die Hoheit über die eigenen Marketingdaten.
„Wenn man sich die Fakten mal nüchtern betrachtet, sieht man, dass in den letzten Monaten im Affiliate-Geschäft ein klarer Konsolidierungsprozess eingesetzt hat, der sich auch im neuen Jahr fortsetzen wird“, erklärt Christian Kleinsorge, Geschäftsführer beim Technologieanbieter Ingenious Technologies. Verwunderlich ist das für Kleinsorge nicht: In der Affiliate-Branche seien in den letzten zehn Jahren wenig Innovationen und neue Funktionen hinzugekommen, bemängelt der ehemalige Zanox-CSO. Die kämen vielmehr aus der Kombination verschiedener Werbeformen und dem Cross-Channel-Ansatz.
Anna Reiländer, seit Herbst Geschäftsführerin beim Affiliate-Netzwerk Belboon, will dagegen nicht von einer Krise sprechen: „Wir haben durchschnittlich 1500 Partnerprogramme in unserem Portfolio und generieren monatlich mehr als eine Viertelmillion Transaktionen.“ Diese Werte seien Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung, die vor allem im Jahr 2014 positiv verlaufen sei. Einen Wandel sieht aber auch sie: „Wir beobachten seit mehr als einem Jahr, dass sich etwa die Publisherstruktur im Affiliate-Marketing wandelt. Die Tendenz geht hin zu größeren Publishern. Diese engagieren sich verstärkt im Arbitragegeschäft mit datengetriebenen und automatisierten Techniken sowie neuen Geschäftsmodellen wie Programmatic Buying.“
Das bestätigt auch Kleinsorge: „20% der Partner machen 80% des Umsatzes aus – und die haben damit natürlich gute Argumente, das Preisniveau zu drücken oder das Geschäft gleich gezielt miteinander zu machen.” Er spielt auf Private Networks an, die Ingenious Technologies als Technikdienstleister bietet und die in der Tat eine der wichtigsten Antworten auf die Frage nach dem Bedeutungsverlust des klassischen, oft wahllosen Affiliate-Geschäfts sind. „Im Prinzip ist“, das bestätigt auch Julius Kirscheneder, Director bei ProSieben Travel, „für uns im Reisebereich vor allem ein gutes Dutzend an großen Partnern wichtig.“ Und mit denen müsse man selbst gut verhandeln und eine fruchtbare Zusammenarbeit entwickeln – ohne einen Man in the middle, der ebenfalls mitverdient.
Effizienter können solche Private Networks tatsächlich sein, weil der Kunde die Möglichkeit hat, die Regeln für Umfelder individuell festzulegen, in denen er seine Botschaften sehen will – gerade im Branding-Umfeld, aber auch bei vielen Unternehmen, die auf spitze Zielgruppen abzielen. Hinzukommt die höhere Effizienz, da Unternehmen nun direkt Zugriff auf ihre Key Figures bekommen und direkt mit den Publishern verhandeln können, in vielen Fällen sogar ohne die klassische Mediaagentur als Mittelsmann. Deren zukünftige Rolle stellt Kleinsorge, wie so viele in der Branche, in Frage, „angesichts wachsender Volumina, die die Unternehmen selbst bewegen können, nachdem sie erstmals einen unabhängigen und direkten Blick auf ihr Geschäft haben“.
„Man sollte als Advertiser gemeinsam mit der Agentur eine enge Zusammenarbeit mit den großen Publishern im Netzwerk anstreben“, empfiehlt auch Daniel Skoda, Director Display und Affiliation bei der Performance-Agentur Eprofessional. Dabei lasse sich die Ansprache der Longtail-Publisher gegebenenfalls mit Programmatic-Advertising-Maßnahmen kombinieren. Eine Gutscheinaktion hier, eine Cross-Selling-Maßnahme da – die Customer-Journey-Analyse, die bei vielen E-Commerce-Anbietern auch im deutschen Markt angekommen ist, biete hier zudem deutlich tiefere Einblicke als bisher. Dennoch könne man in vielen Fällen nicht gänzlich auf Affiliate-Programme verzichten: „Es bleibt ein Teil des Puzzles, das zumindest in vielen Umfeldern immer noch Sinn macht.“Auch Kirscheneder, der naturgemäß vor allem aus Werbetreibenden- und Unternehmenssicht auf das Thema blickt, glaubt weiterhin an Affiliate als ein vertriebsorientiertes Segment unter vielen: „Das macht auch aus Werbekundensicht durchaus Sinn, weil man ja den risikoarmen Weg geht und nur für die tatsächlich erfolgten Geschäfte zahlt.“
Da allerdings nur der direkte Erfolg gemessen wird – und die Messungen eben nicht die gesamte Customer Journey abbilden –, haben die Affiliate-Marketer ein zunehmendes Problem. Das besteht, wenn man sich den Markt anschaut, allerdings schon seit einigen Jahren, seit sich größere Partner und Marktplätze von eBay über Otto bis hin zu diversen Reise- und Versicherungsportalen die Kompetenzen ins eigene Haus geholt und sowohl die Technik- als auch die Servicethemen selbst in die Hand genommen hat.
Spezialisierte Netzwerke als Alternative für den Mittelstand
Aber nicht für jeden Marktteilnehmer lohnt sich ein Private Network. Daher gibt es neben den Private Networks, die sich erst ab einer gewissen Unternehmensgröße, Datengrundlage und einem bestimmten Auftragsvolumen, etwa für eine Produkteinführung, rentieren, auch halbgeschlossene Systeme in Form der Public Networks, die über mehr oder weniger strenge Zugangsbarrieren verfügen.
Den Stellenwert dieser halbgeschlossenen Systeme will auch Kleinsorge nicht unterschätzen. „Wir sehen immer mehr spezialisierte Netzwerke, die sich beispielsweise auf ein bestimmtes Marktsegment oder eine bestimmte Branche fokussiert haben.“ Sowohl die Betreiber als auch die Werbetreibenden solcher Netzwerke sollten dabei auf eine transparente Lösung achten, die allen Marktteilnehmern wirklich aussagekräftige Zahlen beschert. Ingenious Technologies favorisiert dabei White-Label-Lösungen, die, so Kleinsorge, „diesen Namen auch wirklich verdienen und nicht nur geringfügig mehr als das Look-and-Feel haben“, wie er es beispielsweise bei der Tradedoubler-Lösung kritisiert. Dabei komme es vor allem auf echtes First Party Tracking an, das auf der eigenen Domäne eingesetzt werden kann und das dem Werbetreibenden die volle Hoheit über seine Daten bietet.
Vertrauen muss zurück gewonnen werden
Denn in der Vergangenheit waren es, das geben auch Vertreter der Affiliate-Seite zu, vor allem die Intransparenzen und Tricks einiger schwarzer Schafe, die das gesamte Geschäft in Verruf gebracht haben. Gar so stark in Misskredit, dass man vor allem im US-amerikanischen Raum kaum noch ein Premiumsegment vorfindet. Die fehlende Transparenz darüber, wer die Werbung dann letztendlich ausliefert und wo sie platziert ist, schlägt auch hierzulande vielen Branding-Verantwortlichen auf den Magen. „Es bleibt also Aufgabe der Netzwerke, zusammen mit den Agenturen weitere vertrauensbildende Maßnahmen zu betreiben“, erklärt Skoda, der aber auch wahrnimmt, dass einige große Netzwerke bereits mit Hilfe von Algorithmen versuchen, Unregelmäßigkeiten aufzuspüren.
Auf diese Weise kann man vor allem Trittbrettfahrern das Handwerk legen – also Marktteilnehmern, die dafür sorgen, dass die entsprechenden Cookies verteilt werden, auch wenn der Endanwender die Werbung selbst gar nicht ausgeliefert bekommen hat. Dahinter steht die Hoffnung, dass der Nutzer in naher Zukunft ohnehin beim jeweiligen E-Commerce-Anbieter einkauft und ein Kaufvorgang mit dem Affiliate-Cookie in Verbindung gebracht und abgerechnet werden kann. Die Affiliate-Unit im BVDW versucht daher bereits seit einigen Jahren, durch einen Code of Conduct und eine Qualitätszertifizierung für seriöse Affiliate-Networks dem einen Riegel vorzuschieben.
Doch noch aus einem anderen Grund ist das Affiliate-Geschäft für viele Teilnehmer schwerer und für Publisher weniger attraktiv geworden: Reichte es früher noch aus, eine mehr oder weniger mustergültig SEO-optimierte Website bereitzustellen und auf die Besucher zu hoffen, ist dank Googles Panda- und Penguin-Updates der Sprung auf einen der oberen Plätze in den SERPs schwerer geworden. Das ist nicht nur den Affiliate-Marketern ein Dorn im Auge, sondern brachte gerade im vergangenen Weihnachtsgeschäft diversen Preisvergleichs- und Bewertungsportalen empfindliche Einbußen.
Affiliate-Markt braucht tiefgreifende Veränderungen
Tot ist das Affiliate-Geschäft also noch bei weitem nicht – es riecht höchstens etwas muffig, weil der frische Wind fehlt. Um ins Geschäft Bewegung zu bringen, wird es allerdings, darin sind sich viele Marktbeobachter einig, nicht reichen, nur die Konditionen anzupassen. „Die Affiliate-Netzwerke müssen sich sowohl in Hinblick auf ihre Usability und ihre technischen Plattformen weiterentwickeln, aber auch dem Kunden eine Servicequalität in Aussicht stellen, die er selbst nur schwer erreichen kann“, konstatiert etwa Julius Kirscheneder. „Besonders für neue Marken, kleinere Firmen oder Firmen mit weniger digital erfahrenen Ressourcen sind diese erfahrenen Netzwerke und Agenturen sehr nutzenbringende Partner." Dann seien bei entsprechendem Kosten-Nutzen-Verhältnis zumindest die mittelständischen Player zu halten.
Für Unternehmen mit großen Volumina stehen die Zeichen dagegen vermehrt auf individuell zugeschnittenen Lösungen, die dem Cross-Channel-Gedanken gerecht werden. Anna Reiländer von Belboon glaubt aber nicht, dass andere Disziplinen dem Affiliate-Geschäft das Wasser abgraben werden: „Da Affiliate-Marketing zum Bereich Performance gehört und in der Lage ist, andere Online-Disziplinen insbesondere solche mit datenbasierten Technologien einzubeziehen, stellt sich diese Frage nicht.“ Die Frage sei vielmehr, wie Affiliate Marketing sich die neuen Techniken zum Vorteil seiner Partner nutzbar macht.
Ein grundsätzliches Entweder-oder sieht aber auch Skoda nicht: „Programmatic und Affiliate gehören zusammen, Affiliation-Programme lassen sich mit Programmatic ergänzen und z. B. für den Longtail aussteuern.“ Ein wichtiger Vorteil ist hier das Reporting und die Einsicht in die eigenen Daten – und dieses Mehr an Transparenz ist das Pfund, mit dem die Technologieanbieter in den nächsten Jahren wuchern werden.
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