Bewegtbildwerbung in den USA: Keine Blaupause für Deutschland
Jens von Rauchhaupt, 2. Dezember 2014Kommt man auf das Thema Videowerbung bzw. Bewegtbildwerbung zu sprechen, wird immer wieder der US-Markt als Vorreiter und Taktgeber genannt. Dort sind die Ausgaben für Bewegtbildwerbung zuletzt um 19 Prozent gestiegen, während die Investitionen für TV im gleichen Zeitraum um 2 Prozent gesunken sind. Anders als in Deutschland scheint in Übersee genug Videoinventar zur Verfügung zu stehen, allerdings wird auch dort noch das Premiumbewegtbildinventar größtenteils klassisch vermarktet. Das wird sich aber bereits in den nächsten zwei Jahren grundlegend ändern.
Der Zuwachs der Werbeausgaben für Video Advertising liegt in den Vereinigten Staaten deutlich vor anderen digitalen Werbekanälen wie das Suchmaschinenmarketing (8,6 Prozent Zuwachs) und die Displaywerbung (2,9 Prozent Zuwachs, Quelle: Business Insider). Ähnliche Zahlen haben die Marktforscher von eMarketer herausgegeben. Nach ihren Schätzungen werden die Werbetreibenden dieses Jahr 4,44 Mrd. US-Dollar für Bewegtbildwerbung (InPage und InStream) ausgegeben haben und in gut drei Jahren sollen es gar über 12 Mrd. US-Dollar sein.
In Deutschland geht der Trend ebenfalls weiter in Richtung Videowerbung. Das lässt sich zum Beispiel aus dem aktuellen OVK-Report entnehmen. Allein die Ausgaben für Pre-Roll-InStream-Werbung sind innerhalb eines Jahres um 23,5 Prozent angestiegen. Mit insgesamt 121 Millionen Euro brutto steht das Pre-Roll auf dem dritten Platz der Top-10-Online-Werbeformen bei den im Online-Vermarkterkreis (OVK) zusammengefassten Werbeträgern. Dies illustriert die wachsende Nachfrage nach Bewegtbildwerbung. Leider weist der OVK-Report aber nicht die Werbeausgaben für Videowerbung bzw. Bewegtbildwerbung en détail aus. Aktuelle Zahlen für den gesamten deutschen Videowerbemarkt gibt es leider nicht. Der IAB Europe beziffert in seinem aktuellen Adex-Benchmark die Gesamtspendings auf 153 Mio. Euro mit einem Wachstum von 26,4 Prozent jährlich. Da sich die Zahlen auf 2013 beziehen, ist davon auszugehen, dass die Advertiser in Deutschland dieses Jahr knapp 200 Mio. Euro für Videowerbung ausgeben werden.
Der Aufstieg von Bewegtbild hat seine Ursache auch in der Mediennutzung der sogenannten Millennials, die erste Generation, die ganz und gar mit Digital Media aufwächst. Diese Generation nutzt das Smartphone eher zum Texten und zum Konsumieren von (Video-)Content als zum Telefonieren. Millennials sind echte Multi-Device-Nutzer. Wenn bei ihnen überhaupt noch von einem First Screen die Rede sein kann, dann ist es eher das Tablet oder Notebook, mit dem sie kurzweilige Videoinhalte, aber auch ganze Filme oder auch anderen Content ihrer Wahl zu jeder Zeit an jedem Ort konsumieren; das klassische Fernsehen sorgt bei ihnen eher für das Hintergrundrauschen.
Doch auch in den USA vertraut man im Bereich Videowerbung bisher weniger auf Programmatic Buying als angenommen. Während die Hälfte aller Display-Werbung dort bis Ende 2014 plattformbasiert eingekauft wird, geht es bei der Videowerbung weit weniger automatisiert zu. Wie in den meisten westeuropäischen Märkten wird auch in den USA ein Großteil des Inventars für Video Ads, sei es als InPage oder InStream, ganz klassisch bei den Sales Units der Vermarkter eingekauft. Laut eMarketer-Report wird es aber ab 2015 zum großen Shift kommen. 2016 werden dann 40 Prozent (3,84 Mrd. US-Dollar) aller Ausgaben für Videowerbung über Programmatic Buying in Ad Exchanges oder Private Marketplaces gehandelt. „Im Moment schützen die Publisher noch ihr hochwertiges Inventar aus TV oder Premiumvideoinhalten. Wir gehen aber davon aus, dass der programmatische Handel für diese Formate 2015 an Schwung gewinnen wird, mutmaßt die Analystin Lauren Fisher von eMarketer.
Der US-Markt ist nur bedingt mit Deutschland vergleichbar. Schließlich ist der Anteil an Videoinventar im US-amerikanischen Markt mehr als doppelt so hoch wie in Großbritannien und sogar sieben Mal größer als in Deutschland. Mangels ausreichender Verfügbarkeit von Videocontent wird es noch etwas länger dauern, bis Programmatic Buying für InStream-Videowerbung in Deutschland mit gleicher Dynamik wachsen kann. Laut Schätzungen des DSP-Anbieters Delta Project waren im Jahr 2013 lediglich 1,9 Prozent des gesamten deutschen Videoinventars über Programmatic Buying buchbar. 2014 könnte dieser Anteil bis zum Jahresende voraussichtlich 5 Prozent betragen. Im Real-Time Marketing Kompass von Resolution Media, eine Tochter der Annalect Group, rechnen die Experten mit einem Anteil von 7,2 Prozent des gesamten Videoinventars, der dann über Programmatic Buying verfügbar wäre.
Berichte, die schon für 2015 einen sprunghaften Anstieg von Programmatic Buying für Bewegtbildwerbung prognostizieren, sind bezogen auf den deutschen Markt mit Vorsicht zu genießen. Im Bereich der Instream-Videowerbung ist für 2015 kein fulminanter Shift in Richtig Programmatic Video zu erwarten. Dazu fehlt es an ausreichend Content. Dies mag hingegen für reine InPage Videowerbung anders aussehen, da hier die Werbespots keinen Videocontent des Publishers benötigen.
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