Cross-Device Targeting per Wahrscheinlichkeitsmodell
Jens von Rauchhaupt, 10. November 2014Alle reden von Cross-Device-Kampagnen, auch wir auf dem kommenden TRACKS Summit in Hamburg. Dahinter steht der Wunsch der Werbetreibenden, die richtige Botschaft möglichst individualisiert im passenden Format auf die Screens der unterschiedlichen Devices zu transportieren. Um aber die Nutzer dort innerhalb des Kampagnenzeitraums mit dem richtigen Werbedruck ansprechen zu können, müssen die Werber die Tracking- und Targeting-Gräben zwischen den stationären und mobilen Kanälen in den Griff bekommen.
Für Kamakshi Sivaramakrishnan, CEO vom US-amerikanischen Cross-Device-Targeting-Anbieter Drawbridge steht die zentrale Herausforderung fest: „Wir leben in einer Cross-Device-Welt. Brands und Marketer müssen die Verbraucher auch dann erreichen, wenn sie ihre Geräte wechseln. Dann ist es wirklich zum allerersten Mal möglich, die digitale Customer Journey nachzuvollziehen. Auf diese Weise erkennen die Marken, wie ihre digitalen Werbemaßnahmen das Verhalten der Nutzer auf dem Smartphone, Tablet und Desktop beeinflussen; das funktioniert nur, wenn die Nutzeridentität mit den einzelnen Endgeräten in Verbindung gebracht werden kann.“
Sivaramakrishnan geht es aber bei der Identität weniger um Name, Adresse oder andere personenbezogene Daten, sondern darum, welche Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Werbemaßnahmen beim einzelnen Nutzer bestehen und welcher Werbekanal beim Verbraucher zur Kaufentscheidung geführt haben könnte. Doch jedes Gerät arbeitet mit eigenen Clients, also Browsern. Cookies, die über mobile Werbemittel auf einem Smartphone-Browser gesetzt werden, verbleiben dort; Cookies, die stationär gesetzt werden, können auch nur diesem stationären Browser zugeordnet werden.
Noch diffiziler wird es beim Tracking von Apps. Das Tracking funktioniert in der App-Welt noch einmal ganz anders. Hier spielen Cookies kaum eine Rolle. Andere Parameter wie GPS-Koordinaten oder Device IDs werden hier zur Zuordnung. Die beiden wichtigsten sind für Apple-Geräte die IDFA von iOS und bei Android-Geräten die Advertiser ID. Das sind Nutzeridentifikatoren, die speziell für die datenschutzkonforme Kommunikation zwischen Werbetreibenden verwendet werden. Zur Vermischung mit dem stationären Desktop kommt es nicht, weder bei Apps noch bei den mobilen Webseiten – zwischen mobilem und stationärem Web besteht hinsichtlich des Trackings und Targetings ein Graben, der ohne größere Anstrengungen eigentlich nicht überwunden werden kann.
Log-in-Daten sind der einfachste Weg
Oder doch? Eine verhältnismäßig einfache Lösung gibt es nämlich schon. Und große Netzwerke wie Google, Facebook, Yahoo, Microsoft oder auch United Internet haben hier gegenüber vielen anderen Publishern und ihren Vermarktern einen besonderen Vorteil. Über ihre Umfelder können Werbetreibende die Nutzer geräte- bzw. kanalübergreifend mit Werbung ansprechen. Denn hier funktioniert der Sprung über den Mobile/Desktop-„Tracking-Graben“. Nutzer, die diese Umfelder stationär nutzen und später auch mit dem Smartphone abrufen, können dort wiedererkannt werden. Realisiert wird dies über die Nutzer-Log-in-Daten. Dabei müssen die User auch gar nicht zum Zeitpunkt der Werbeansprache eingeloggt sein. Damit das Cross-Device-Tracking mithilfe eines Log-in funktioniert, reicht es, dass der Nutzer sich irgendwann einmal im stationären und später auch mit dem mobilen Endgerät im Umfeld dieser Publisher eingeloggt hat. Der Log-in über das stationäre Web wird dann mithilfe eines Cookies gespeichert, das Log-in über ein Tablet und/oder Smartphone über die Werbe-ID des Gerätes. Beide Datensätze werden anonymisiert und zu einem Datensatz zusammengefügt.
Neuer Ansatz arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten
Aber das Internet besteht eben nicht nur aus Google, Facebook, UIM, Microsoft und Yahoo. Was können nun die anderen Publisher, die ihren Nutzern keinen Log-in bereitstellen, im Bereich Cross-Device anbieten? Wie können Advertiser auf ihren Umfeldern mit einem kontrollierten Werbedruck, also einem Frequency Cap, über mehrere Geräte passende Werbung ausliefern? Ein neuer Weg wird hier durch Spezialanbieter wie zum Beispiel Drawbridge, aber auch TapAd und AdTruth beschritten.
Diese arbeiten mit Annäherungen und Hochrechnungen und sollen bereits erstaunlich genau funktionieren. Bei AdTruth arbeitet man zum Beispiel mit über 200 Messpunkten am jeweiligen Device und versucht das mit dem Verhalten der Nutzer in Bezug zu setzen. Auf diese Weise will AdTruth vorhersagen können, ob es sich beim Nutzer wieder um den gleichen Verbraucher handelt, wenn dieser ein anderes Gerät verwendet.
Drawbridge nennt seinen Weg „probalistic predictive method“, also eine Wahrscheinlichkeitsmethode, die ebenfalls den richtigen Nutzer am passenden Device voraussagen soll. Dazu haben die US-Amerikaner über einen längeren Zeitraum große Mengen von Daten gesammelt, die offenbar über Messungen bei Werbeausspielungen entstanden sind. „Wir haben die Daten von mehr als 1,1 Mrd. Verbrauchern mit über 2,6 Mrd. Geräten mit einer Wahrscheinlichkeit von über 85 Prozent verknüpfen können. Auf diese Weise ist ein granulares Porträt jedes dieser Nutzer entstanden, dieses beinhaltet Details über Gerät, Demografie, Geoinformation, Markentreue, Interessen und Absichten“, sagt die Drawbridge-Chefin Sivaramakrishnan gegenüber Adzine.
Drawbridge will wie AdTruth zukünftig als Multi-Screen-Targeting-Datenlieferant für Demand Side Platforms auch in Deutschland auf den Markt kommen oder gegebenenfalls sogar selbst als DSP auftreten. Dabei ist Sivaramakrishnan besonders wichtig, welche Anwendungsszenarien sie für die Drawbridge-Lösung zukünftig sieht. „Die hohe Trefferwahrscheinlichkeit unserer Methode löst nicht nur das Problem des Targetings im Cross-Device Advertising, sondern auch das der Zuordnung, also der Cross-Device-Attribution. Es gibt den Advertisern ein vollständiges Bild darüber, wie sie die Verbraucher digital erreichen können.“
Ob Drawbridge oder ähnliche Anbieter tatsächlich das zu leisten imstande sind, wird die Zukunft noch zeigen müssen. Insgesamt ist auf dem Gebiet des Cross-Device Trackings und Targetings eine gesunde Portion Skepsis angebracht, wie schon Rob Webster, Chief Product Officer beim Werbe- und Technologieunternehmen Crimtan, in ADZINE formulierte. Eine Lösung mit einer 100 prozentigen Genauigkeit gibt es beim Cross-Device Targeting noch nicht. Das wird wahrscheinlich auch James Collier, Managing Director EMEA von AdTruth in seinem TRACKS-Vortrag zum Multi-Device Targeting noch einmal unterstreichen.