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ONLINE VERMARKTUNG

Den M-Commerce anfeuern

Karsten Zunke, 7. Oktober 2014

Während der Busfahrt schnell ein Paar Herbstschuhe kaufen oder im Zahnarztwartezimmer die Skiausrüstung aussuchen: Shopping kann so einfach sein. Immer öfter greifen Menschen von unterwegs zu den kleinen Surfmaschinen, um mit ihnen durch die virtuellen Einkaufsmalls zu stöbern. Sie legen sich Produkte in virtuelle Warenkörbe und mitunter kaufen sie diese sofort. Die Herausforderung für Shopbetreiber besteht nicht nur darin, den Kunden auf den kleinen Bildschirmen ein optimales Einkaufserlebnis zu bieten, sondern sie auch vor und nach dem Shopbesuch mit passgenauen Werbebotschaften zu erreichen.

„Mobile Commerce wird in den nächsten Jahren ganz allgemein die Art beeinflussen, wie Online-Handel betrieben wird“, sagt Jan Starken, Director International Marketing beim Modeanbieter bonprix. Zum Stöbern werden Smartphones schon lange intensiv genutzt, mittlerweile finden immer mehr Käufe über mobile Endgeräte statt. „Tendenz rasant steigend“, sagt Starken. Wohin die Reise geht, zeigt ein Blick über den Teich: In den USA liegt der mobile Traffic-Anteil der bonprix-Marke Venus aktuell bei rund 50 Prozent, der durch mobile Endgeräte erreichte Umsatzanteil bereits bei über 25 Prozent. Das Kundenverhalten beim Online-Shopping wandelt sich also innerhalb nur weniger Jahre dramatisch. Dem Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) zufolge nutzen hierzulande etwa sechs von zehn Smartphone- und Tabletbesitzern ihre mobilen Geräte auch zum Einkauf.

Bei Online-Reisebuchungen entpuppt sich Mobile sogar als treibende Kraft hinter den gestiegenen Buchungszahlen. So werden laut dem Travel Flash Report von Criteo bereits 21 Prozent der Hotelbuchungen über Smartphones oder Tablets generiert. Und während Reisebuchungen via Desktop während der ersten sechs Monate 2014 nur um zwei Prozent zulegten, betrug das Wachstum mobiler Buchungen in diesem Zeitraum 20 Prozent. Insgesamt zieht sich der Trend zu Mobile durch alle Branchen.

Robert Käfert

Auch beim Online-Optiker Mister Spex beobachtet man in den letzten zwei Jahren einen signifikanten Anstieg der mobilen Zugriffe auf dessen Webseite. Die Brille gilt als sehr beratungsintensives Produkt, das man in der Regel nicht bei einem Impulskauf erwirbt. „Etwas anderes ist es bei einem Fashionprodukt wie der Sonnenbrille ohne Sehstärke oder beim Nachbestellen von Kontaktlinsen. In beiden Produktkategorien sehen wir, dass Kunden gerne auch mobil ihre Bestellungen durchführen“, sagt Robert Käfert, Head of Acquisition Marketing bei Mister Spex. Aktuell wachsen die mobilen Zugriffsraten weiter, wobei der Anteil der Tablets Käfert zufolge überdurchschnittlich steigt.

Rasanter Anstieg auf niedrigem Niveau

Laut Wikipedia ist Mobile Commerce eine Ausprägung des elektronischen Handels unter Verwendung drahtloser Kommunikation und mobiler Endgeräte. Im Klartext heißt das: Mobile Commerce definiert sich nicht über die Nutzungssituation, sondern über das verwendete Endgerät. Wer abends ganz entspannt auf dem heimischen Sofa drahtlos via iPad oder Smartphone auf Shoppingtour geht, sorgt also auch dafür, dass die M-Commerce-Umsätze steigen. Doch das tun sie ohnehin schon kräftig: Wurden über das mobile Internet im Jahr 2012 noch Waren im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro gehandelt, waren dies im vergangenen Jahre bereits knapp fünf Milliarden Euro. Laut bevh erreichte Mobile damit einen Umsatzanteil von gut zehn Prozent am interaktiven Warenhandel. Darunter subsummiert der bevh sämtliche interaktiven Bestellwege – von der telefonischen Bestellung über E-Mail, Fax bis hin zur Bestellung per Postkarte oder stationärem Internet.

Zur besseren Einordnung: Der interaktive Handel hatte 2013 einen Anteil von rund elf Prozent am gesamten deutschen Einzelhandel. Insgesamt steckt M-Commerce also noch in den Kinderschuhen.

Dass der elektronische Anteil am Handel weiter steigen wird, darüber sind sich alle Marktbeobachter einig. Nicht zuletzt ist die im Frühjahr erfolgte Umbenennung des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels (bvh) in Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) ein sichtbares Indiz für diese Entwicklung. Doch was den Online-Handel freut, bereitet Werbern zunehmend Kopfschmerzen. Für Online-Käufe benutzt der Kunde nicht mehr nur einen einzigen Computer. Vielmehr hat man es nun mit verschiedenen Endgeräten in unterschiedlichen Nutzungssituationen zu tun. Den Konsumenten mit der richtigen Werbung in der richtigen Phase einer Kaufentscheidung anzusprechen, ist schon eine hohe Kunst. Nun auch auf dem richtigen Endgerät mit der passenden Werbebotschaft präsent zu sein, fast unlösbar.

Die typische Nutzungssituation lässt zumindest einige Rückschlüsse zu, die Anbieter in ihrer Marketingstrategie berücksichtigen können. Für Mister Spex sind Smartphone und Tablet beispielsweise wichtige Kanäle, um Kunden, die die TV-Kampagne des Unternehmens wahrgenommen haben, über den Second Screen einen ersten Einstieg in die eigenen Services zu bieten. Gerätespezifische Neukundenkampagnen für Mister Spex gab es bisher nicht. „Wir planen diese aber in naher Zukunft“, sagt Käfert. Aktuell konzentriere man sich darauf, das Nutzererlebnis auf Tablets und Smartphones zu verbessern, um anschließend effizientere Neukundengewinnungskampagnen durchführen zu können.

Christian Grötsch

M-Commerce mit Werbung pushen

Insbesondere das Smartphone steht für eine echte mobile Nutzungssituation – die Unterwegsnutzung. Hier geht es den Konsumenten häufig um Informationsbeschaffung. Sie recherchieren Produkte und Angebote. „Das Smartphone wird in Customer Journeys häufig sehr frühzeitig eingesetzt“, erläutert Christian Grötsch, Geschäftsführer der E-Commerce-Agentur Dotsource. „Es eignet sich darum sehr gut für Brandingmaßnahmen und den Aufbau von Image“, so der Experte. Mit Mobile-Anzeigen erreicht man die unentschlossenen Unterwegsstöberer, die noch nicht auf eine bestimmte Marke oder ein bestimmtes Produkt fixiert sind. Wichtig hierbei sei, dass der Nutzer nach Klick auf die Werbung auch auf eine Landingpage gelangt, die für die mobile Nutzung geeignet ist. Grötsch empfiehlt generell eine Mobile-First-Strategie und rät dazu, den Shop im Responsive Design zu programmieren.

Mit mobiler Werbung lässt sich M-Commerce direkt befeuern. Neben Brandingkampagnen – zum Beispiel mit formatfüllenden Unterbrecher-Ads, Presentern oder Video-Formaten – kann mobile Werbung auch in späteren Phasen einer Customer Journey eingesetzt werden. Dort geht es dann darum, hochrelevant zu werben – zum Beispiel mit Produkten, für die sich ein Nutzer auf seiner bisherigen Kaufentscheidungsreise interessiert hat. Wurden sogar Warenkörbe stehen gelassen oder Apps zwar heruntergeladen, aber nicht eingesetzt, hilft ein Retargeting. Das funktioniert in der mobilen Welt ähnlich dem desktopbasierten Internet. Allerdings können nur auf mobilen Websites Cookies gesetzt werden. Soll innerhalb von Applikationen getrackt werden, muss die Geräte-ID zu Hilfe gezogen werden.

Um Interessenten zu motivieren, ein Produkt zu kaufen, ist diese Form der mobilen Werbung hochwirksam. Oft sind es diese Werbeeinblendungen, die für den entscheidenden Kaufklick sorgen. Aber klar ist auch: Retargeting muss gut gemacht sein und darf Nutzer keinesfalls verfolgen und belästigen. Ein Frequency Capping sollte ebenso selbstverständlich sein wie ausschließlich relevante Werbung für Produkte, die den Kunden interessieren, die er aber noch nicht gekauft hat. Wer die Potenziale im M-Commerce ausschöpfen möchte, darf nicht undifferenziert aus allen Rohren feuern. Kundenzentriertes Denken und eine intelligente Cross-Channel-Werbung können hingegen nachhaltig dafür sorgen, dass M-Commerce seinen Höhenflug fortsetzt und auch in Bezug auf die Umsätze bald in die Bereiche des heutigen E-Commerce vorstößt.

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