Die Qualität von Werbeumfeldern wird von zahlreichen Variablen beeinflusst. Diese zu bewerten erfordert unterschiedlichste Kompetenzen. Ad Fraud ist die Variable, die hier am schwierigsten zu bemessen und damit eindeutig einzugrenzen ist. Ad Fraud meint dabei Traffic, der durch sogenannte Bots, nicht-menschliche User, generiert wird.
Solch ein Bot richtet keinen Schaden auf dem PC für den Nutzer selbst an und bleibt in der Regel unbemerkt. Private Rechner werden dabei – ganz klassisch – über einen Trojaner infiziert. Der Bot beginnt nun, bestimmte Seiten zu besuchen und so ein für Marken relevantes Userprofil zu kreieren. Danach erzeugt der Bot künstliche Sichtkontakte von Werbemitteln. Die Botnet-Betreiber können dabei Klickrate und Viewrate beliebig einstellen und die Customer Journey bis hin zur Füllung des Warenkorbes simulieren.
Ad Fraud existiert und ist mittlerweile, leider, auch in Deutschland angekommen. Jedoch herrscht über Ausmaß und Darstellung der verschiedenen Betrugsszenarien um Online-Werbung, und welche Gegenmaßnahmen hier ergriffen werden können, noch vielfach Unklarheit.
In den USA ist Ad Fraud schon viel länger ein Thema, Schätzungen gehen davon aus, dass im vergangenen Jahr durch Fraud ca. sechs Milliarden USD Schaden entstanden sind. Für dieses Jahr liegen die Schätzungen zwischen 10 und 14 Milliarden USD und damit deutlich höher.
In Deutschland ist Ad Fraud ein relativ neues Thema. Allgemeine Standards sind noch nicht abschließend definiert. Auch deshalb bestehen oft eklatante Unterschiede zwischen den Angaben zur Größenordnung von Ad Fraud.
So findet man in den USA Angaben zu Ad Fraud, die zwischen zwei und fünfzehn Prozent liegen. Für Deutschland hingegen liegen realistische Schätzungen zwischen fünf und zehn Prozent. Bei einer so breiten Spanne ist es nicht verwunderlich, dass viele Marktteilnehmer sich mit dieser Thematik noch nicht tief greifend auseinandergesetzt haben.
Sich jedoch zurückzulehnen und Hackern, Botnet-Betreibern und Pixel Stuffern bzw. Cookie Droppern nichts entgegenzusetzen ist keine Lösung. Im Folgenden werden drei Bereiche vorgestellt, die wichtige Bausteine für eine Strategie gegen Ad Fraud darstellen.
Datenerfassung und -aufsplittung
Ohne eine ausreichende Erfassung des Webs kann jede Schätzung über die Menge der betrügerischen Impressions bestenfalls Spekulation sein. Aber was genau ist mit ausreichender Erfassung gemeint? Eine 100-prozentige Erfassung des Internets kann niemand anbieten. Wichtig ist hier eine gleichmäßige und repräsentative Abdeckung verschiedener Bereiche, um ein möglichst exaktes Bild zu zeichnen. Ein Einblick in Tausende Kampagnen über alle Kategorien und Branchen hinweg, neben Echtzeitanalyse und Einbezug vergangenheitsbezogener Daten, kann ein akkurates Bild zeichnen. Wichtig ist es dabei vor allem, die unterschiedlichen Einkaufswege von Mediaplatzierungen korrekt widerzuspiegeln, da das Level an Ad Fraud je nach Quelle sehr unterschiedlich sein kann. In der Regel bedeutet dies geringe Zahlen an Ad Fraud bei direktem Einkauf, bei Networks und Ad Exchanges sieht man dagegen bis zu vier Mal höhere Zahlen.
Wenn ein Fraud-Level zu hoch oder zu niedrig scheint, lohnt es sich zu hinterfragen, ob die Quelle stark aus einem einzigen Kanal gespeist wird. Beispielsweise wird eine detailgenaue Einsicht in Premium-Publisher-Aktivitäten, aber ein kleiner Ausschnitt aus Long-Tail-Seiten das Risiko für Ad Fraud geringer aussehen lassen, als es tatsächlich ist. Andersherum ergibt sich wiederum ein genauso falsches Bild.
Ausgeklügelte, sich wandelnde Technologieansätze
Die verfügbaren Verification-Technologien setzen unterschiedliche technologische Ansätze ein, die nicht öffentlich gemacht werden. Nicht nur die Konkurrenz, sondern vielmehr auch die kriminellen Hacker würden gerade diese Informationen zu ihrem Vorteil nutzen.
Obwohl es einige eindeutige Signale gibt, anhand derer Ad Fraud identifiziert werden kann, sind Fraud-Detection-Technologien sehr unterschiedlich. Die Fähigkeit, nicht nur eine Kombination aus getesteten Strategien, sondern auch proprietäre Technologien anzuwenden, wird nur eine bestimmte Zeit lang erfolgreich sein. Botnet-Betreiber und andere Betrüger sind beständig dabei, neue Wege zu finden, um ohne viel Aufwand an Werbegelder zu gelangen.
Wichtig ist beispielsweise, ob Browsing-Verhalten erkannt werden kann, das atypisch für menschliche Verhaltensweisen ist. Darunter fallen beispielsweise auffällige Regelmäßigkeiten – bei Menschen ist die Verweildauer auf Websites extrem unterschiedlich, bei Maschinen eher nicht. Ein seriöser Ad-Verification-Anbieter muss seine eigene Technologie beständig weiterentwickeln, um nicht von neuen Ansätzen von der anderen Seite überrannt zu werden.
Identifikation von Ad Fraud auf allen Ebenen
Wahrscheinlich der am häufigsten übersehene Faktor, wenn man seine Optionen beim Fraud Measurement überprüft, ist, ob die Technologie Ad Fraud auch bei einzelnen Platzierungen auf einer einzelnen Seite feststellen kann, da Bot Fraud auf User-Ebene geschieht. Über einen einzelnen infiltrierten Computer kann durch Bots eine für Werbungtreibende interessante Zielperson geschaffen werden, die massenweise künstlichen Traffic erzeugt, ohne dass der eigentlich Besitzer des Computers hiervon etwas mitbekommt.
Eine gesamte Website, die von verdächtigem Traffic betroffen ist, kann natürlich genau-so auch echten Traffic verzeichnen. Bot Operator können bestimmte Seiten infiltrieren, dabei Cluster aus betrügerischen Impressions generieren, von denen nur spezifische Bereiche zu spezifischen Zeiten durch spezifische (infizierte) Computer betroffen sind. Die Cluster betreffen manchmal nur zwei Prozent eines Seiteninventars, oder auch fünfmal so viel – niemals jedoch 100 Prozent. Dennoch wird die Seite von einigen Anbietern genauso eingestuft, da diese eine binäre Einteilung vornehmen (Fraud oder kein Fraud). Dies ist nicht nur gegenüber dem Publisher ungerecht, sondern zerstört auch die Hoffnung des Advertisers auf Werbewirkung. Das Resultat einer solchen Herangehensweise ist, dass das Risiko für Fraud übertrieben hoch dargestellt wird, anstatt einzelne Impressions zu bewerten und ein detaillierteres Bild der Realität zu zeichnen.
Auch Folgendes sollte beachtet werden: Es ist möglich, von Fraud betroffene Impressions von vornherein zu blockieren, sodass Werbemittel gar nicht erst ausgeliefert werden. Jedoch muss die Technologie nicht nur die künstlichen User identifizieren können, sondern auch die Möglichkeit geben, im Bezug auf einzelne Impressions zu agieren und nicht nur auf ganze Inventarquellen. Die künstlich generierten Sichtkontakte oder Klicks führen zu Verzerrungen in den Reportings und letztlich zu unnötigen Ausgaben, da die Werbemittel nicht von menschlichen Usern gesehen werden.
Zuletzt ist es falsch, wenn behauptet wird, dass das Blockieren von Fraud den Betrügern Anhaltspunkte zu der verwendeten Technologie gäbe. Das Geschäft der Betrüger besteht darin, Fraud zu kreieren und zu pushen, nicht darin, herauszufinden, wer bestimmte Blockierungen umsetzt und wie.
Erkennung des richtigen Ad Verification Tools
Sowohl für Werbungtreibende als auch Publisher sind folgende Kriterien für die Auswahl einer Ad-Verification-Technologie wichtig:
* Ist der Datenpool repräsentativ für das digitale Ökosystem, bezieht er Daten aus allen Inventarquellen im selben Verhältnis wie deren Transaktionslevel ein?
* Wie hoch entwickelt ist die Technologie? Hat der Anbieter in Forschung und Entwicklung investiert?
* Führt die Unfähigkeit, Daten auf Einzelplatzierungen zu analysieren, dazu, dass Fraud überschätzt wird? Führen diese Überschätzungen dazu, dass die Wirkung von Kampagnen gesenkt wird, da ganze Seiten als unsicher eingestuft werden?
Vor der Strategie und Bekämpfung von Ad Fraud steht die akkurate Messung, denn eine Holzhammermethode gegen Fraud schadet Publishern, Werbungtreibenden und damit auch langfristig Konsumenten. Hier gilt: Je detaillierter und individueller das Erkennen von Fraud, desto wirksamer und austarierter sind die Werkzeuge, die dagegen eingesetzt werden können.
Über den Autor:
Olaf Mahr verfügt über langjährige Erfahrung im Online-Marketing und kennt den deutschen Markt sowohl von der Publisher-Seite als auch aus der Perspektive der Werbungtreibenden. Mahr war lange Jahre Geschäftsführer bei der Mediaagentur Pilot, bevor er als CEO für VoodooVideo, der Technologielösung für Bewegtbildwerbung, tätig war. Seit Anfang 2014 ist er Managing Director Deutschland von Integral Ad Science.
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