Kaum ein anderer Sektor ist so technologiegetrieben wie die Online-Werbebranche. Technologische Innovationen bringen die Online-Werbung qualitativ voran, aber sie verursachen auch bedeutende Kosten. Der Anteil der Technologiekosten an den gesamten Mediakosten steigt. Vor allem für neue Technologien rund um das Real-Time Display Advertising müssen Anwender tief in die Tasche greifen.
Technologiekosten fallen im Online-Advertising für verschiedenste Aufgabengebiete an: vom Adserving über das Targeting bis hin zu Tracking und Webanalyse. Aber auch Sichtbarkeitsauswertungen, Markt- und Mediastudien, Planungstools, Reichweitenauswertungen, Ad Verification und Brand-Safety-Lösungen kosten Geld. Hinzukommen mitunter Bid-Managment- und Creative-Technologien sowie Wettbewerbsanalysen, Marktforschung und Kosten für diverse Schnittstellentools. Von der Back-End-Software für den Unternehmensalltag ganz abgesehen.
Insbesondere im Real-Time Advertising schlägt noch eine ganze Reihe weiterer Kosten für DSP, SSP und Datentechnologien zu Buche. „Der Anteil der Technologiekosten in der digitalen Werbung schwankt schätzungsweise zwischen drei und 40 Prozent. Im programmatischen Geschäft kann dieser Anteil sogar höher ausfallen“, schätzt Pilot-Geschäftsführer Kristian Meinken die aktuelle Pricing-Situation ein. Die vergleichsweise hohen Preise sind im RTA vor allem dadurch zu erklären, dass die Technologien neu sind. Die neuen Anbieter sind bestrebt, in den Anfangsjahren ihre Technologiekosten wieder einzufahren. Und bieten erst wenige Hersteller eine bestimmte Lösung an, ist der Wettbewerb entsprechend gering. So lassen sich vor allem in der Startphase höhere Preise am Markt durchsetzen.
Erst Intransparenz, dann sinkende Kosten
Die Online-Branche ist jung und sehr innovationsgetrieben. „Dementsprechend fehlen für viele Lösungen in der Anfangsphase Standards. Also muss man viel ausprobieren, optimieren und anpassen. Das kostet allen Beteiligten Geld“, erläutert Manuel Koubeck, Vice President Sales & Marketing beim Softwareanbieter Advendio.com. Koubek – früher Deutschland-Chef von Smart Adserver – kennt die Technologiekostenproblematik in neuen Märkten bestens. Wer einen Technologievorsprung habe, versucht nach seinen Erfahrungen in der Regel, mit höheren Preisen in den Markt zu gehen. Mit zunehmendem Wettbewerb und ersten Standards sinken diese Preise dann zwangsläufig.
Insbesondere die Startphase neuer Technologien ist für Anwender oft durch eine gewisse Kostenintransparenz gekennzeichnet. „Niemand weiß, welche Features wirklich wichtig und was sie wert sind“, erläutert Koubek. So sollte bei der Einführung neuer Technologien nicht nur auf die direkten Technologiekosten geschaut werden, sondern auch auf den Aufwand und Kosten, die für ihren Einsatz entstehen – beispielsweise Mitarbeiterschulungen, Neueinstellungen oder Integrationskosten.
Aus dem Wertversprechen der Technologieanbieter, den tatsächlichen praktischen Nutzen zu erkennen, entsteht für Agenturen eine der größten Herausforderungen. „Bei der Kosten-Nutzen-Analyse muss unsere Branche besser werden“, sagt Meinken. Nur allzu schnell würden Agenturen jenen Technologieanbietern folgen, die laut verkünden, ein Problem noch besser zu lösen. „Viel wichtiger wäre es, genauer hinzuschauen und den inkrementellen Wert einer Technologie detailliert zu analysieren“, sagt Meinken. Marktbeobachter sind sich einig: Entscheidend ist es, den Mehrwert zu erkennen, den eine Technologie liefert. Nur so lassen sich die Kosten realistisch bewerten. Oft ist dies aber erst möglich, wenn sich erste Standards etabliert haben und der Markt eine gewisse Reife erreicht hat.
Vom Rohstoff zum Edelprodukt
„Media ist ein Rohstoff“, sagt Stefan Husemann, CEO Advertising Alliance AG. Und wie in jeder Entwicklung, bei der ein Rohstoff im Laufe der Zeit immer stärker verarbeitet wird, habe der Rohstoff am Anfang den größten Wert. „Der Ausgangswert nimmt ab, je technologischer, ausgefeilter und automatisierter der Rohstoff verarbeitet wird und je mehr Mehrwerte die Technologie dem Rohstoff verleiht“, sagt Husemann. Die Advertising Alliance ist ein integrierter Media-, Technologie- und Servicespezialist im deutschen Digitalmarkt, der aus einer Gruppe von Vermarktern hervorgegangen ist. Husemann kennt die Verkäuferseite bestens. Für den Mediaeinkauf sieht der Experte drei wesentliche Kostenkomponenten: Heute sind es der Rohstoff Media und die Veredlung durch Technologie. Künftig wird Husemann zufolge eine weitere Komponente noch an Bedeutung gewinnen: der Rohstoff Daten.
Schon heute spielen Daten im Advertising eine Rolle. Werden sie in die Kostenbetrachtung einbezogen, machen die Technologiekosten im Display-Advertising nach Schätzung von Bernd Stieber, Managing Director der Online-Marketing-Agentur netzeffekt, im Durchschnitt rund 20 Prozent des Mediabudgets aus. „Aber es ist bewiesen, dass es sich rechnet“, sagt Stieber. Denn klar ist: Wenn Werbung durch den Technologieeinsatz zum Beispiel 70 Prozent effektiver wird oder sich Arbeitskosten um die Hälfte reduzieren, wiegt das 20 Prozent Technologiekosten wieder auf. Ebenso können Unternehmen Nachteile entstehen, wenn sie Technologien nicht einsetzen. Ohne Frequenz- oder Sichtbarkeitskontrolle werden Kampagnen beispielsweise schnell zum Budgetfresser. „Streuverluste in Kauf zu nehmen ist langfristig teurer, als in neue Technologien zu investieren“, so Stieber.
Generell gehen Marktbeobachter davon aus, dass die Kosten einzelner Technologien im Zeitverlauf sinken – ähnlich dem Adserving. Hier stürzen die Preise seit zehn Jahren dramatisch – insbesondere für Großabnehmer. „Standard-Adserving wird zur Commodity und noch günstiger werden. Aufschläge werden wir hingegen für Rich-Media-Auslieferungen erleben, insbesondere im kostenintensiven Video-Advertising“, meint Koubek. Auch für RTA gehen Marktbeobachter von sinkenden Technologiekosten aus. Allerdings kann niemand vorhersagen, welche neuen Technologien künftig ins Spiel kommen. Die Branche geht davon aus, dass der für Online-Werbung nötige Technologieanteil weiter wachsen wird. Somit dürften unter dem Strich die Technologiekosten insgesamt weiter wachsen.
Wer zahlt am Ende drauf?
Doch je mehr Technik ins Spiel kommt, desto schwieriger lässt sich die Frage beantworten, wie viel in der klassischen Online-Werbung vom Budget des Werbekunden am Ende tatsächlich beim Publisher landet. Technikanbieter preisen ihre Kosten direkt ein.
Auch Agenturen sind in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Wer ein am Markt bestehendes RTA-Tool einsetzt und nach Volumen bezahlt, kann die Kosten direkt an den Werbekunden weiterreichen. Werden eigene Lösungen entwickelt und eingesetzt, lassen sich andere Wege finden, um Werbekunden eventuell an den Innovationen zu beteiligen. Nach Einschätzung von Stieber werden die Mediabudgets deshalb aber nicht größer. Es gelte, alle Kostenbestandteile auf das gegebene Budget aufzuteilen. Somit müsste der Displaymarkt bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen insgesamt sinken. Doch genau das tut er nicht. Den Grund sieht Stieber darin, dass die Nachfrage und somit auch die Ausgaben für Online-Werbung nach wie vor steigen.
Dass am Ende weniger vom Werbekuchen bei den Publishern ankommt, scheint er nicht zu befürchten, solange der Nutzen der eingesetzen Technologien die Kosten übersteigt. Wenn Inhalteanbieter in neue Technologien investieren oder sich entsprechende Partner suchen, die darüber verfügen, können sie sogar zusätzliches Geschäft generieren. Doch Marktteilnehmer, die sich der technologiegetriebenen Entwicklung verschließen, werden unter Druck geraten, da sind sich Marktbeobachter einig.
Nach Ansicht von Husemann gibt es enorme Effizienzgewinne, wenn die verschiedenen neuen Technologien klug eingesetzt werden, vor allem im Zusammenhang mit dem neuen Rohstoff Daten. „Es ist weniger Rohstoff Media nötig, um den gleichen Erfolg zu erzielen. Daher werden für alle Marktteilnehmer die geschaffenen Mehrwerte die Technologiekosten deutlich überschreiten“, prognostiziert Husemann. Auch sieht er perspektivisch eine steigende Nachfrage nach Media, „weil wir im deutschen Display-Advertising-Markt immer mehr Traffic an große US-amerikanische Plattformen wie Google oder Facebook verlieren“. Seine Prognose: „Der Rohstoff Media wird immer knapper, während die Nachfrage steigt. Die Mediapreise werden daher steigen.“
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