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TV und Digital: Der Gesamtreichweite einen Schritt näher

Karsten Zunke, 19. Mai 2014

Die Verschmelzung der Medien schreitet schneller voran, als viele gedacht hatten. Nicht nur neue Technologien und Endgeräte sorgen dafür, dass insbesondere die Übergänge zwischen TV und Online zerfließen. Es ist vor allem das geänderte Mediennutzungsverhalten, das Werbungtreibende vor Herausforderungen stellt.

TV-Planer haben oft mit sinkenden Reichweiten zu kämpfen – Reichweiten, die nicht per se verloren sind. Häufig wandern sie lediglich in ein anderes Medium. So werden TV-Sendungen immer öfter online konsumiert. Die Ausweisung einer Gesamtreichweite, die Online-Streaming und TV-Ausstrahlung umfasst, wird von vielen Marktplayern lange gefordert. Jetzt ist die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) diesem Ziel ein Stück näher gekommen. Doch die Planung von Online Media ändert das bisher nicht.

Die AGF möchte TV- und Streaming-Reichweiten vergleichbar machen und sie zu einer audiovisuellen Gesamtreichweite verschmelzen. Dieses Ziel will sie in mehreren Stufen erreichen. Die erste Stufe wurde jetzt erklommen. Seit März dieses Jahres stellt die AGF die Abrufzahlen gestreamter TV-Formate von ersten Senderplattformen auf wöchentlicher Basis bereit.

Während es für die TV-Messung ein Fernsehpanel mit 5.000 Panelisten gibt, deren TV-Verhalten über ein Messgerät analysiert wird, geht man für die Messung der Streaminginhalte ähnlich vor. So hat die AGF für die Erhebung der Streaming-Reichweiten ein Online-Panel mit rund 28.000 Mitgliedern etabliert. Auf den Rechnern dieser Panel-Teilnehmer ist eine Software installiert, die das jeweilige Online-Verhalten analysieren kann. Inhalte-Anbieter, die ihre Streaming-Reichweiten messen lassen möchten, müssen dazu ihre Angebote „vertaggen“. Während im jetzigen ersten Schritt die Aufrufe von gestreamten Inhalten ausschließlich technisch gemessen werden, sollen in einem zweiten Schritt diese technischen Messdaten mit soziodemografischen Informationen aus dem Online-Panel angereichert werden.

Anke Weber

Gesamtreichweite ist das Ziel

Den letzten und entscheidenden Schritt in dieser Entwicklung plant die AGF für 2015. Dann möchten die Forscher mit einem methodischen Verfahren die Daten aus der Online-Welt mit den Daten aus der TV-Welt fusionieren. So ließe sich beispielsweise exakt benennen, welche Reichweite ein Format wie „Germanys Next Top-Model“ in einer bestimmten Zielgruppe im TV erzielt und wie viele Menschen aus dieser Zielgruppe über die gestreamte Version im Internet zusätzlich erreicht werden. „Zum einen kann dann die Frage beantwortet werden, wie hoch die Gesamtreichweite eines TV-Formates über beide Plattformen in der Zielgruppe ist, und zum anderen hilft es schon in der Planung, Information darüber zu haben, wie eine Zielgruppe umfassend zu erreichen ist“, sagt Anke Weber, Leiterin der AGF-Geschäftsstelle. Denn häufig konsumieren Zuschauer bestimmte Formate bevorzugt im TV, andere Formate jedoch lieber online.

Thomas Duhr

Wenn TV- und Streaminginhalte zusammen buchbar sind, wird das den Werbemarkt nicht auf den Kopf stellen, aber es dürfte die Bewegtbild-Vermarktung erleichtern. „Die Abrechnungsmodelle wird es nicht verändern, jedoch die Planbarkeit von Videoinhalten“, sagt Thomas Duhr, Stellvertretender Geschäftsleiter Interactive bei IP Deutschland. Denn erstmals werde eine ganzheitliche Brutto-Netto-Reichweitenplanung möglich sein. „Gerade der Nachweis der tatsächlich erzielten Nettoreichweiten in der Zielgruppe ist ein wesentlicher Schritt für die Planung und den Einsatz von Videowerbung“, so Duhr. Mit der aktuellen und der zukünftig ausgeweiteten Ausweisung schlösse die AGF eine Lücke in den bisherigen Leistungsnachweisen der Vermarktung von Videoinhalten „Online“. „Damit greift die AGF eine Kernforderung der Agenturen und Werbetreibenden auf“, so Duhr.

Manfred Klaus

TV-Denke trifft Online-Planung

Mit den Online-Ausweisungen von TV-Formaten prallen zwangsläufig zwei Planungswelten aufeinander. Denn in der klassischen Online-Werbung werden digitale Bewegtbildinhalte anders als im linearen TV eingekauft. So werden bei Video-on-Demand-Angeboten die TV-Inhalte zeitversetzt genutzt und online klassisch vermarktet. Ein Einbuchen auf Sender- und Programmebene erfolgt online äußerst selten. „In der Regel wird auf ein Zielgruppensegment oder eine spezifische Zielgruppe geplant und eingekauft. Für eine kleinteiligere Planung ist die angebotene 'Mediathekenreichweite' schlichtweg zu klein“, erläutert Manfred Klaus, Geschäftsführer der Plan.Net Gruppe.

Ein Beispiel aus der AGF-Hitliste verdeutlicht seine Ausführungen. Auf der Senderplattform Super RTL NOW erzielte in der Kalenderwoche 17/2014 das Format „Mein Leben & Ich – Der Date Doktor“ knapp 2.700, „Robin Hood“ rund 2.300 Aufrufe. Während die eine Sendung ein eher weibliches Publikum anspricht, dürfte die andere Sendung eher zu einer männlichen Zielgruppe passen. „Was in TV durch 'Zeitschienenplanung' möglich wäre, ist digital aufgrund der geringen Fallzahlen noch gar nicht plan- und somit einkaufbar“, erläutert Klaus. Als Datenbasis für digitalen Einkauf diene daher als Standard die AGOF, „um eine größtmögliche Vergleichbarkeit innerhalb aller gelisteten Angebote zu bekommen“.

So weist die AGOF in ihrem Planungstool TOP auch Belegungseinheiten für Bewegtbild aus. Letztlich wird aber nur der Werbeträger-Kontakt ausgewiesen – also der Kontakt mit der Website, die entsprechende Bewegtbild-Werbemöglichkeiten anbietet. Die Reichweite einzelner Videoformate oder Sendungen ist unbekannt. Somit ist zwar die Reichweite eines Videoportals in der Zielgruppe bekannt, nicht aber die entsprechende Reichweite einzelner Videos.

Auch die unzähligen Videoplattformen im Web hat die AGF im Fokus. „Wir wollen Online-Bewegtbild vollständig abbilden und sind daher offen für alle Marktteilnehmer. Der Bewegtbild-Anbieter muss kein TV-Sender sein“, betont Weber. So möchte die AGF auch Online-Only-Player erfassen und die Reichweiten der dort angebotenen Videos zielgruppenspezifisch ausweisen.

Mit Spannung erwartet: 2015

Sollte die AGF im Jahr 2015 Nutzungsdaten mit Zielgruppenstrukturen sowohl für TV als auch für den zugehörigen Streaminginhalt ausweisen, könnte dies grundsätzlich zu einer besseren Planbarkeit führen. Doch Klaus warnt, dann nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. „Es setzt aus mediaplanerischer Sicht voraus, dass beispielsweise auch in allen Catch-up-Ausspielungen die gleichen Werbeschaltungen laufen wie im linearen TV.“ Wäre das nicht der Fall, würden Reichweiten ausgewiesen, die dann nicht ohne weiteres erreicht werden könnten, so der Experte.

Derzeit spielen gestreamte TV-Sendungen noch eine geringe Rolle für den Online-Mediaeinkauf. Nach Ansicht von Klaus ist – mit wachsendem Markt und bei entsprechender einheitlicher Belegung auch der gestreamten Inhalte – dieser Ausweis ein selektiver Ausweis von Reichweite für eine spezifische Werbeform, gestreamtes Bewegtbild. „Die Ausweisung der AGF hat damit derzeit eher Gattungsmarketing-Charakter für TV“, sagt Klaus und betont: „Für eine ganzheitliche und crossmediale Planung digitaler Gesamtreichweite über alle Werbeformen – und das ist die relevante Perspektive – ist nach wie vor die AGOF die relevanteste Quelle.“

Bild Karsten Zunke Über den Autor/die Autorin:

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