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PERFORMANCE - Verlage

Pressevertrieb und Abovermarktung heute

Jens von Rauchhaupt, 28. April 2014

Der Pressevertrieb steht mit der fragmentierten Mediennutzung und der steigenden Anzahl von Marketingkanälen vor großen Herausforderungen. Unter den WBZ-Unternehmen (Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel) zählt Burda Direct (BD) mit ihrer Tochtergesellschaft Neue Verlagsgesellschaft (NVG) zu den größten im deutschen Abonnementgeschäft. Fremdverlage beauftragen Burda Direct mit der Vermarktung ihrer Aboprodukte. Über die Online-Abovermarktung und die Bedeutung der digitalen Geschäftsfelder sprachen wir mit BD-Geschäftsführer Michael Rohowski.

Michael Rohowski ist schon lange „online unterwegs“, wie er selbst sagt. Nach leitenden Funktionen bei McKinsey, Bertelsmann Direct Sales, Lycos Europe und der Performance Agentur 24/7Realmedia in London, ist Rohowski seit April 2010 von Burda Direct.

Adzine: Herr Rohowski, würden Sie sagen, dass das WBZ-Geschäft schwieriger geworden ist? Abonnieren die Menschen – sei es nun für Online- oder Offline-Abos – insgesamt weniger Zeitschriften als in der Vergangenheit?

Michael Rohowski

Michael Rohowski: Nein, das Geschäft hat sich einfach verändert. Es wird nur für den schwieriger, der das Althergebrachte immer wieder wiederholen will. Auch junge Menschen schließen Abos ab, aber eben für Computerspielmagazine. Alles hängt davon ab, dass ich das richtige Produkt an den richtigen Kunden auf dem richtigen Weg zum richtigen Zeitpunkt anbiete.

Adzine: Dann kommen wir gleich zum richtigen Weg. Macht es für eine erfolgreiche Abovermarktung einen Unterschied, für welche Mediengattung das Abonnement gelten soll. Lassen sich also rein digitale Abos auch besser über digitale Werbekanäle vertreiben, mobile Abos besser über das Smartphone und das Tablet, während für Print-Abos weiterhin die Offline-Maßnahmen die beste Wahl sind? Gibt es hier eine Art Gesetzmäßigkeit?

Michael Rohowski: Selbstverständlich, diese Gesetzmäßigkeit ist die Lehre vom Medienbruch und sie hat weiterhin Bestand. Wenn ich als Anbieter in einem Medium bleibe, habe ich es einfacher, weil der Konsument sich in diesem Medium sicher fühlt. Sobald ich den Konsumenten an die Hand nehmen muss, um den Medienbruch zu überwinden – beispielsweise von Print zu Online –, habe ich es als Marketingverantwortlicher weit schwerer.

Adzine: Besteht für Sie als Abovermarkter auch zwischen Smartphone und Tablet ein Medienbruch?

Michael Rohowski: Kein Medienbruch, Online ist erst einmal eine Art Sammelbegriff. Wir müssen daher von diesem Technikthema wegkommen; ein iPad, ein Tablet, ein iPhone, ein Sowieso … aus Konsumentensicht gibt es nur kleine Screens, mittelgroße Screens und große Screen. Das Erleben der Oberfläche ist für den Konsumenten das Entscheidende.

Adzine: Macht es aus Ihrer Sicht auch Sinn, ein Printabo stets um ein Digitalabo zu erweitern, empfehlen Sie ihren Kunden solche kombinierte Angebote?

Michael Rohowski: Ja! Aufgrund der fragmentierten Mediennutzung ist das auch für die Abovermarktung zu berücksichtigen. Konsumenten im Urlaub lesen ihren Focus eher auf dem Tablet als z. B. zu Hause auf der Couch, wo sie eher die Zeitschrift lesen.

Adzine: Burda Direct bietet ihr Dienstleistungsportfolio auch Fremdverlagen an. Könnten Sie dazu ein paar Zahlen nennen. Für wie viele Fremdverlage und Titel arbeitet BDS?

Michael Rohowski: Wir nennen sie nicht Fremdverlage, das sind unsere externen Partner. Wir haben sieben externe Partner mit über 100 Titeln im Portfolio.

Adzine: Wieso vertrauen andere Verlage ihren Abovertrieb Burda Direct an. Wieso machen die das nicht selbst?

Michael Rohowski: Insbesondere im Printbereich ist der Markt rückläufig, dafür gibt es die unterschiedlichsten Gründe. Für Verlage ist es daher vernünftig, die nicht strategischen Themen gemeinsam zu behandeln und so die Kostenvorteile zu heben. Es muss doch nicht jeder sein Abosystem selbst verwalten oder seine Logistikkette selber machen. Allerdings muss jeder seine Inhalte selbst generieren.

Adzine: Haben die Verlage keine Befürchtungen, dass hier ein Wettbewerber an wichtige Daten seiner Kunden gelangt?

Michael Rohowski: Nein, die Verlage in Deutschland vertrauen hier untereinander und uns natürlich auch. Die eigentlichen Konkurrenten heißen Google, Facebook und Amazon, und die agieren wesentlich aggressiver als die potenziellen Wettberber in Deutschland.

Adzine: Wie hoch ist schätzungsweise der Anteil der Print-Zeitschriften-Abos, der bei Ihnen ausschließlich über digitale Werbe- bzw. Marketingkanäle abgeschlossen wird?

Michael Rohowski: Etwa ein Drittel der Abonnenten schließen über den Online-Kanal ab, ein Drittel über telefonische Wege und ein Drittel aus Vertriebspartnerschaften. Allerdings ist das nur eine grobe Schätzung, denn neue Abonnenten können ja über die Vertriebspartnerschaften auch Online abschließen. Wir sollten also hier nicht den Fehler des „Last Clicks“ machen. Onliner negieren gern die gesamte Anstoßkette, welche außerhalb des Internets auf die Entscheidung des Konsumenten Einfluss genommen hat.

Adzine: Aber das Internet ist auch für Burda Direct als Vertriebs- bzw. Marketingkanal nicht mehr wegzudenken, oder? Wenn Sie beispielsweise die letzten 2–3 Jahre zurückblicken, inwieweit hat sich die Abovermarktung verändert?

Michael Rohowski: Lange Zeit wurde das Internet von den Abo-Marketingverantwortlichen total unterschätzt. Inzwischen ist verstanden worden, welche Power das Internet hat und mit welcher Professionalität ich einen Internetshop betreiben muss. Das Medium Internet ist jetzt wirklich Mainstream. Jetzt darf man nicht den Fehler machen und die Offline-Mechanismen einfach auf Online übertragen. Damit meine ich zum Beispiel den Umgang mit Daten und Click-Streams. Aber am Ende ist es immer noch Vermarktung und die Vermarktungsgesetze gelten auch hier.

Adzine: Wächst denn Online bei BD proportional stärker als andere Kanäle?

Michael Rohowski: Ja. In den letzten drei Jahren haben wir immer deutlich zweistellige Zuwachsraten bei der Online-Vermarktung von Abonnements gehabt.

Adzine: Display-Performance-Werbung, Mobile-Displaywerbung, In-App-Werbung, Affiliate-Marketing, E-Mail Marketing, … Bei welchem digitalen Werbekanal sehen Sie für Ihre Kunden derzeit die größten Potenziale für die Abovermarktung?

Michael Rohowski: Alle performanceorientierte Kanäle sind gut für uns. Zu nennen ist hier besonders unser Affiliate-Marketing-Plattform apartena und Searchmarketing, also SEA und SEO. Aber auch E-Mail-Marketing ist wichtig für uns. Mobil über Smartphone steckt noch ein wenig in den Kinderschuhen. Display-Performance probieren wir zwar immer wieder aus, doch ist das für uns schwierig zu skalieren.

Adzine: Warum ist das so?

Michael Rohowski: Das mag nun etwas spekulativ sein. Aber ein Bild allein ist mehr Branding und weniger eine direkte Kaufaufforderung.

Adzine: Nutzt BDS bzw. die Tochter Burda Direct Interactive gar keine Retargeting-Werbung für die Abovermarktung?

Michael Rohowski: Grundsätzlich schon, aber die Zahlen bisher sind nur bedingt erfreulich. Wir nutzen Retargeting, aber es hat noch immer einen Testcharakter. Diese Idee der Wiederansprache, nur weil der Nutzer einmal auf einer Webseite eines Verlagskunden war, ist nicht wirklich der Heilsbringer. Aber das mag sich vielleicht noch ändern.

Adzine: Thema Big Data: Als Burda-Tochter verfügt BD mit Sicherheit über eine große Mengen von Online- und Offline-Daten, um Bestandskunden für verschiedenste Abos zu gewinnen. Inwieweit adressiert BD das Thema Data Science und setzt es auch für eine crossmediale Ansprache beim Abovertrieb ein und mit welchen Herausforderungen haben Sie hier zu kämpfen?

Michael Rohowski: Bei allem was wir tun, müssen wir uns an die gesetzlichen Bestimmungen halten. Das mag es uns nicht immer einfach machen, aber diese Gesetze sind für uns selbstverständlich bindend. Waren es früher zu wenige, haben wir heute zu viele Daten. Das ist die eine wirkliche Herausforderung für unser Marketing. Wir sammeln Daten und interpretieren sie für unser Geschäft. Daten berühren den Kern vom Direktmarketing. Konkret verbinden wir auch Offline-Daten für crossmediale Ansprache, soweit es rechtlich möglich ist.

Adzine: Können Sie uns dazu ein Beispiel geben?

Michael Rohowski: Neben Informationen aus Inbound-Telefonaten des Kunden oder Offline-Flyer-Aktionen mit Codes fällt mir hier spontan unser Zeitschriftenkioskzeitschriften-abo.de ein. Bestandskunden erhalten bei ihrem Log-in auf sie persönlich zugeschnittene Angebote. Zudem arbeiten wir mit Look-alikes. Neukunden, die sich in unserem Online-Kiosk wie eine bestimmte Gruppe von Bestandskunden verhalten, erhalten entsprechende Zeitschriften angeboten.

Adzine: Für Print-Abos sind Incentives/Werbegeschenke unerlässlich. Gilt das eigentlich auch für Online-Abos oder flaut der Prämienwahnsinn eher wieder ab?

Michael Rohowski: Werbegeschenke oder Prämien sind weiterhin sehr wichtig und funktionieren auch Online. Und was funktioniert, sollte man nicht ändern. Man kann allenfalls darüber nachdenken, dass die Prämien zum Thema des Titels bzw. zur Zielgruppe passen. Ein CHIP-Leser freut sich vielleicht am ehesten über einen Gutschein von Cyberport.

Adzine: Jüngere Nutzer lesen immer weniger Print, Abos lassen sich über das Internet eher schwer vertreiben. Welche Chance hat in diesem Zusammenhang das E-Paper, können die Verlage über das E-Paper sogar junge Leser wieder zurückgewinnen?

Michael Rohowski: E-Paper können bestenfalls ein Anfang sein, sie sind ja oft nur eine Verlängerung der Printversion. Das Mediennutzungsverhalten der jüngeren Generationen ist wesentlich bildschirmorientierter. Hier braucht es völlig andere Herangehensweisen in der Darstellung. Das ändert aber nichts an den Inhalten, für die sich die jungen Menschen interessieren. Die Interessen sind im Grunde genommen ja die gleichen geblieben.

Adzine: Kommen wir am Ende zum Thema Paid Content. Glauben Sie, dass Paid-Content-Modelle – sei es das Metered- oder das Freemium-Modell – die Vermarktung von vollwertigen digitalen Abos erschweren?

Michael Rohowski: Viele Inhalteanbieter haben lange Zeit den Fehler gemacht, ihre Inhalte frei zugänglich anzubieten. Daran haben sich die Nutzer gewöhnt. Insbesondere zwischen den Jahren 1997 bis circa 2007 haben wir als Industrie ziemlich viel falsch gemacht. Aber clevere Paid-Content-Modelle funktionieren auch als digitale Abos wie die Beispiele Xing und Elitepartner zeigen. Allerdings handelt es sich hier eher um eine digitale Zielgruppe. Bei klassischen Verlagsprodukten ist das weitaus schwieriger. Hier tut man sich schon konzeptionell weitaus schwerer, Bezahlschranken aufzustellen.

Adzine: Herr Rohowski, vielen Dank für das Gespräch!

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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