Planbare Reichweiten, verlässliches Targeting, sinnvoll automatisierte Abläufe bei Buchung und Abwicklung – ist Programmatic Buying die Generallösung? Sicher nicht, aber ein weiterer Baustein, um die Mediaplanung einfacher, transparenter und effizienter zu machen. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren bleiben indes Umfeldqualität und Markensicherheit– und das ist die Krux des Programmatic Buying.
Verzwickte Ausgangslage
Kunden wollen ihre Zielgruppe verstehen, sie bei ihrer vielfältigen Mediennutzung effizient und effektiv erreichen, dabei optimal koordinierte Kontaktpunkte schaffen und diese miteinander vernetzen – das macht den digitalen Buchungsalltag nicht einfacher, sondern komplexer. Dabei wird der Alltag heute schon von verschiedenen Buchungssystemen, Adservern und damit von komplexer Logistik und Medienbrüchen bestimmt. Hinzukommen die vielfachen Möglichkeiten der Online-Werbung.
Vor diesem Hintergrund verhandeln Agenturen mit Vermarktern über die Anbindung an Private Ad Exchanges, um das Inventar automatisiert einzukaufen. Unternehmen auf beiden Seiten kooperieren teilweise mit mehreren Zwischenhändlern oder machen Zukäufe bei Dienstleistern, Premiumvermarkter arbeiten an eigenen technischen Lösungen. Der kleinste gemeinsame Nenner: der automatisierte Handel von Werbeinventar. Bleibt die Frage: Welcher Weg ist auf lange Sicht wirklich empfehlenswert?
Die Frage nach dem Wie
Der Vorteil der Automatisierung scheint offensichtlich: Sämtliche Prozesse wie Planung, Einkauf und Auslieferung werden laut Marketing der Zwischenhändler und Dienstleister im Programmatic Buying vereinfacht. Fakt ist aber, dass Angebots- und Auftragsinformationen beispielsweise weiterhin noch in Vermarkter- und Agentursysteme übertragen werden müssen, wofür im Regelfall eine Vielzahl manueller Prozesse nötig ist. Ein weiteres Manko: Bei medien- und/oder endgeräteübergreifenden, ineinander verzahnten Angeboten und Lösungen kann und wird die Maschine den Menschen nicht ersetzen. Hier ist Premiuminventar und Beratung nötig – da schlägt Dialog Maschine.
Egal ob "Bulk Buying", der Kauf von großen Kontingenten durch Agenturen, und die automatisierte Kampagnenausspielung über Sell-Side- (SSP) und Demand-Side-Plattformen (DSP) – hier geht es schon lange nicht mehr nur um Performance-, sondern auch um Branding-Kampagnen. Kunden sind verunsichert, ob sie die erwartete Qualität des medialen Umfelds bekommen. Publisher fürchten um die Hoheit und Verantwortung ihrer Marken. Zu Recht, denn beide Plattformsysteme weisen Mängel auf. Sowohl beim "Bulk Buying" als auch bei den SSPs/DSPs dieser Welt fehlt ausreichendes Datenmaterial, um Nutzer wirklich spezifischer ansprechen zu können. Über angeschlossene Data-Management-Plattformen (DMP) werden häufig lediglich Behaviour-Daten gesammelt, die zwangsläufig nur einen Teilausschnitt der Nutzung abbilden können. Dabei kommen die Daten zuweilen aus zweifelhaften Quellen.
Es stellt sich daher die Grundsatzfrage, ob die propagierten Effizienz- und Preiseffekte tatsächlich realisierbar sind. Generell sollte jedem klar sein, dass der Kunde, trotz Einsatz solcher Technologien, nicht mehr zahlen will als früher. Entsprechend unterschiedlich fällt die Präsentation der Anbieter aus: Publishern wird die "Chance" eines höheren eTKPs bzw. eine höhere Preisentwicklung via RTB angeboten; die gleichen Anbieter zeigen Agenturen und Kunden die Möglichkeit des auf "Zielgruppen" basierten "verbilligten" Einkaufs über das SSP/DSP und gleichzeitig die Nachteile des "überteuerten" Einkaufs von Premiuminventar. Am Ende erzielen Publisher nicht wirklich höhere Preise und Werbekunden weniger Transparenz. Darauf hingewiesen verweisen die meisten Dienstleister darauf, dass sie lediglich das System anbieten und sie sich das Bietverhalten der Kunden auch nicht erklären können.
Um das Dilemma von Kunden und Agenturen besser verstehen zu können, hat IP Deutschland selber Testkäufe im In-Stream-Bereich durchgeführt. Das Ziel: Zu testen, ob mit einem höheren Gebot auch mehr Inventar zur Verfügung steht. Das Ergebnis: Trotz höherem Gebot (bis zu 20 Euro TKP) ging das AI-Volumen nicht nach oben, vielmehr blieben die TKPs unter dem TV-üblichen TKP – unabhängig davon, ob Premiuminventar oder User Generated Content.
Das wirft Fragen auf: Werden Verkaufs-TKPs absichtlich so gesteuert, damit SSPs/DSPs mit günstigeren Lösungen als in anderen Medien argumentieren können? Was geschieht mit der Preisdifferenz – wenn ein Kunde beispielsweise bereit wäre, 20 Euro zu zahlen und das SSP/DSP für acht Euro einkaufen kann? Behält die SSP/DSP die Differenz plus den Share auf den realen Preis? Was, wenn große Vermarkter einen besseren Share mit einem SSP/DSP aushandeln? Werden die hochpreisigen Kampagnen vielleicht nur dort ausgespielt, wo der beste Share zu erzielen ist? Definitive Antworten wird es auf diese Fragen nicht geben, denn die Blackbox SSP/DSP und deren Algorithmen bleiben Firmengeheimnis, die seitens Publisher und Agenturen nicht in Revisions- oder Auditprozesse integriert werden können. Vermarkter und Agenturen werden auditiert, aber wie sieht es bei SSP/DSPs aus? Es sei also dahingestellt, ob hier wirklich der Vorteil von Kunden und Publishern im Vordergrund steht. Ein genauer, kritischer Blick enthüllt, dass sich mehr und mehr "intransparente" Dienstleister in die Buchungsprozesse drängen und dadurch bei gleichem Einkaufsvolumen weniger Geld bei Publishern hängen bleibt – also damit weniger Geld für Investitionen in Content, Qualität und sichere Umfelder und damit weniger Werbewirkung.
Viele Gründe, um eigene Ad Exchanges zu entwickeln und direkte Schnittstellen zum vermarktereigenen Buchungssystem zu schaffen. IP Deutschland hat mit WebCool eine solche Plattform geschaffen. Hier liegt die eingebuchte Kampagne direkt auf dem Vermarkter-Adserver und nicht auf einem weiteren, dritten System. Es entstehen also keine externen Kosten, die an Kunden weitergeleitet werden. Darüber hinaus funktioniert WebCool auf Basis von "connect", der Universalstandardschnittstelle, die vom Online-Vermarkterkreis (OVK) und der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) entwickelt wurde und eine Brücke zwischen Agenturen und Vermarkter schlägt. Ein gemeinsames Onlinesystem für alle Marktpartner, das Buchungsabläufe harmonisiert und standardisiert.
Service und Qualität im Paket
Programmatic Buying stellt vor allem Vermarkter vor Herausforderungen: Die Herausforderung, Qualität und Vertrauen nachhaltig zu gewährleisten, ihre Qualitätsumfelder zu schützen und nicht aus der Hand zu geben. Um Zielgruppen gezielt und erfolgreich anzusprechen, braucht es den Blick auf das große Ganze, eben mehr als nur eine auf rein datenbasierte Abbildung von Zielgruppen. Das kann Programmatic Buying heute und auch in Zukunft nicht.
Das wird deutlich am Beispiel der Videonutzung: Nutzer verteilen ihren Bewegtbildkonsum auf immer mehr Situationen und Endgeräte. Erschwerend für die bisherigen Systeme ist die Tatsache, dass das Videoinventar zukünftig überwiegend aus Kanälen wie Mobile und Smart TV kommen wird und eine koordinierte Aussteuerung von Videowerbung auf den unterschiedlichsten Endgeräten nötig ist. Da geraten die Exchange-Plattformen an ihre Grenzen. Die Kür des Programmatic Buying ist, die Zielgruppe an ihrem individuellen Firstscreen zu erreichen. Dafür braucht man eine sachgerechte Datenanalyse und eine an die Kundenbedürfnisse angepasste und ausgereifte Technologie, die über mehrere Kanäle funktioniert. Hier punkten Premiumvermarkter, die dafür Private Ad Exchanges haben, die alle Endgeräte bedienen können – inklusive TV-Gerät.
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