Viele Advertiser bezahlen für Schrott
Fritz Stürmer, 25. März 2014Die Sorge vor Unterlieferung, also das Nichterreichen von versprochenen Klickraten, aber auch einfach schlampig platzierte Werbeinhalte und Scheinplatzierungen stellen das Kunden-Agentur-Vertrauen auf eine immer härtere Probe. Die Branche verpasst sich selbst einen betrügerischen Ruf. Mehr noch: Sie rückt seriöse Marken in ein imageschädigendes Licht, obwohl es Maßnahmen und Technologien gibt, die den Missbrauch verhindern können. Leute, wacht auf!
Zwischen Hochglanz und reellem Webmüll:
Agenturen zeigen ihren Kunden gerne Screenshots der Placements auf hochseriösen Premiumseiten. Doch die Wirklichkeit der Auslieferungen sieht am Ende eher nach Resterampe und Web-Trash aus. In internen Untersuchungen recherchierten wir von Project Sunblock mehr oder weniger kuriose Fälle: etwa Anzeigen von Großbanken auf Seiten mit rechtsradikalen Inhalten, Wahlwerbung demokratischer Parteien, die vom Verfassungsschutz beobachtete Hassseiten finanzierte, oder deutsche Automarken, die auf einem Blog werben, der offen zum Genozid aufruft. Im Blickfeld unserer Untersuchungen kristallisierten sich aber nicht nur offensichtlich fragwürdige Webseiten als Problem heraus. Denn gerade „User-Generated Content“ findet sich vermehrt in einer problematischen Nachbarschaft wieder. Der Grund ist naheliegend, denn auch Premiumkanäle generieren verstärkt Userinput durch Foren und Blogs.
Ein Status quo mit immensem Schadenspotenzial. Man stelle sich die Schadenfreude, die Lust am Skandal in den Medien vor, wenn Markenwerbung auf einer Seite mit fragwürdigen Inhalten in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit rückt. So geriet iShareGossip 2011 ins Auge des Orkans. Ein wütender Elternmob lief Sturm gegen dort veröffentlichte anonyme „Happy-Slapping-Clips“. Nichtregistrierte jugendliche User hatten das Portal genutzt, um ihre Mitschüler zu mobben. Die Frage, die sich damals viele zu Recht stellten, war: Wer finanziert so etwas durch Werbung und inwieweit sind die Finanziers dann auch mitverantwortlich? Kein Einzelfall, wie das Beispiel der juristischen Aufarbeitung der illegalen Downloadplattform kino.to und deren systematische Urheberrechtsverletzungen belegt. Denn mittlerweile ist nun auch die Mitverantwortung der Werbetreibenden Gegenstand von Ermittlungen. Geduldeter Werbemissbrauch zieht sich wie ein Krake durch alle Länder. In Großbritannien rückte die Problematik im vergangenen Herbst im Zusammenhang mit Teenager-Selbstmorden ins Licht der Öffentlichkeit. Damals war es die Seite ask.fm, die zum Mobben einlud und einen berechtigten Sturm der Entrüstung auslöste. Die Konsequenzen waren unüberhörbare Forderungen nach schärferen Gesetzen. Das genügte, um Werbetreibende im ersten Schritt aufzurütteln, sie zu sensibilisieren und Mediaagenturen Millionen zu kosten.
Brand-Safety Next Generation:
Was tun? Wie reagiert die Gesellschaft? Warten wir auf gesetzliche Regelungen oder schaffen wir es, das Problem selbstständig zu lösen? Beispielsweise indem wir endlich bereits existierende, hoch entwickelte Brand-Safety-Systeme auf breiter Front einsetzen und das Blättern in Blacklists als rudimentäres Instrument ins Technikmuseum verfrachten? Jeder Insider weiß, dass Premiumlieferanten keine Garantie für einwandfreies Inventar sind. Das Risiko von Fehlplatzierungen durch den zunehmend automatisierten Einkauf steigt. "Real-Time Bidding", „Programmatic Buying“, „Retargeting“ und nicht zuletzt „User-Generated Content“ boomen und mit ihnen die Gefahren des Missbrauchs bzw. der Fehlplatzierung.
Warum steigt eigentlich der Anteil an Fehlplatzierungen regelmäßig zum Ende eines Monats? Ein offenes Geheimnis, sind das doch die Tage, an denen sich die Sorge vor Unterlieferung wie ein nicht abschüttelbarer Albtraum manifestiert. Gerne finden sich dann auch dreimal dieselben Anzeigen übereinander im Sichtbarkeitsnirwana.
Vertraglich haben sich Mediaagenturen und Werbetreibende in der Regel gegen schlechtes Inventar abgesichert und doch muss man nicht lange suchen, um die haarsträubendsten Platzierungen online zu finden. Warum verhalten sich die Player wie die sprichwörtlichen drei Affen, obwohl hoch entwickelte Kontrollsysteme zur Verfügung stehen?
Die Last der Qualitätssicherung:
Sieht man Qualitätssicherung nur als Kostenfaktor, wird schnell klar, warum sie sträflich vernachlässigt wird. Im Spagat zwischen Kostendruck und Qualitätsanspruch entscheiden sich die Verantwortlichen noch zu oft für die Drei-Affen-Billigvariante. „Brand-Safety-System“ hingegen ist ein Synonym für Qualitätssicherung und bedeutet nicht nur Markenschutz, sondern auch Schutz vor „non-human traffic“, seien es „gute“ Suchmaschinen oder „böse“ Botnetzwerke. Genau vor einem Jahr etwa gelang es der Justiz in den USA, ein Botnetzwerk zu enttarnen, das monatlich neun Milliarden unerwünschte Page Impressions generierte. Qualitätssicherung bedeutet aber auch, die Sichtbarkeit einer Anzeige zu garantieren, denn schließlich heißt unsere Währung „Tausender-Kontakt-Preis“.
Deswegen glauben wir bei Project Sunblock, dass die immer noch weitverbreitete Blacklist-Lösung veraltet ist und keinen Schutz vor Imageschäden bietet. Die manuelle Pflege von „bösen“ Seiten kann auf Dauer keine technisch angemessene Antwort auf die heutigen Herausforderungen sein. Einzig Lösungen mit semantischen Textanalysen, Bilderkennung und Evaluierung der inhaltlichen Umgebung des Inventars im Moment des Adcalls sorgen für adäquaten Markenschutz im Online-Advertising.
Brand-Safety-Checkliste:
- Wie häufig werden die Blacklist-Daten oder die Datenbank aktualisiert?
- Prüft das System die Unterseite oder nur Domains?
- Wie differenziert sind Kategorien der Blockinglisten?
- Wie schnell reagiert das System auf Seitenveränderungen?
- Werden Verschleierungen, wie „nested iframes“, erkannt und optional gebannt?
- Sind Pre-bid- und Post-bid-Analysen möglich?
- Wie einfach lässt sich die Lösung in bestehende Systeme integrieren?
- Werden die Geotargeting-Vorgaben ausgewertet?
- Wird die Sichtbarkeit der Anzeigen ausgewertet?
- Ist eine Bot- und Fraud-Detection vorhanden?
Pitchvorteil Brand Safety
Qualitätssicherung im Bereich Online-Marketing ist für Mediaagenturen, Vermarkter und Advertiser von essenzieller Bedeutung. Nur Qualitätssicherung hilft, das Vertrauen der Kunden zu sichern sowie die eigene Marke und sich selbst vor schlichtem Betrug zu schützen. Wenn die bestehenden Systeme optimal genutzt würden, könnten alle seriösen Player im Markt davon profitieren. Der Advertiser kauft nur erwünschte Platzierungen und bezahlt keinen Webschrott mehr. Mediaagenturen, die mit ehrlichen Brand-Safety-Systemen arbeiten, gewinnen einen nicht zu unterschätzenden Pitchvorteil und sichern sich einen weiteren USP im Bereich Ad Spending und Brand-Safety. Wir brauchen deshalb ein innovatives Change-Management. Die Anbieter seriösen Inventars sollten sich nicht mehr im ruinösen Wettbewerb mit dubiosen Anbietern befinden. Mit den neuen Brand-Safety-Systemen haben wir es in der Hand, Marken zu schützen und Betreibern von Schmutz- und Hassseiten sowie illegalen Downloadplattformen ihre wirtschaftliche Grundlage zu entziehen und letztere beiden damit vom Markt zu verdrängen. Strike!
Über den Autor:
Fritz Stürmer verantwortet neben dem Neugeschäft das DACH-Management von Project Sunblock. Das Berliner Startup bietet Advertisern und Agenturen die Sicherheit, ausschließlich Werbung auf geeigneten Webseiten zu platzieren. Im Spezialgebiet Brand Protection kann Fritz Stürmer sowohl auf ein profundes Wissen in Sachen Advertiser-Wünsche als auch agenturinterne Verfahrensweisen zurückgreife. Er unterstützt bereits seit 2001 verschiedenste Agenturen im Bereich Online-Marketing.
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