Mit der Verbreitung von Real-Time Bidding (RTB) konnte sich der automatisierte Mediaeinkauf über Einkaufsplattformen zunächst bei den Performance Advertisern etablieren. Typischerweise verfolgen solche Werbungtreibende Vertriebsziele wie Abverkauf oder Leadgenerierung. Inzwischen scheinen aber auch Agenturen und Advertiser mit Reichweitenzielen, den plattformbasierten Mediaeinkauf entdeckt zu haben.
Bei Branding-Kampagnen geht es bekanntlich nicht um Klick- oder Konversionsraten, sondern um Awareness, Werbe- bzw. Produkterinnerung, Markenimage. Diese Ziele wollen Brand Advertiser in ihren Kampagnen möglichst mit einer großen Reichweite umsetzen.
„Im Branding-Bereich dominiert in der Regel als wichtigste Kennzahl die Nettoreichweite. Ziel ist also eine Maximierung der Nettoreichweite, häufig in einer vordefinierten Zielgruppe und kombiniert mit einer idealen Kontaktdosis“, erläutert Andreas Rau, Head of Performance Intelligence bei der Agentur Uniquedigital in Hamburg, die für ihre Kunden eher Performanceziele verfolgt. Rau geht davon aus, dass uniquedigital im Jahr 2014 zwischen 10 Prozent und 20 prozent aller Display-Spendings programmatisch umsetzen wird.
Inzwischen denken auch Agenturen, die für große Brands den Mediaeinkauf verantworten, programmatisch. So ist auch Kristian Meinken, Geschäftsführer der Agentur pilot, von den generellen Vorteilen, die Programmatic Buying innewohnen, überzeugt:„Der Riesenvorteil ist doch im Unterschied zum Broadcasting-Modell der analogen Welt, dass der Advertiser im Moment des Werbekontaktes ad hoc entscheiden kann, ob und welche Werbung ausgeliefert werden soll.“ Meinken differenziert allerdings klar zwischen Programmatic Buying auf Private Marketplaces und reinem RTB außerhalb dieser Vermarkter-Marktplätze. Zur Aussteuerung von Markenwerbung sei Real-Time Bidding nicht uneingeschränkt einsetzbar: „RTB ist in den meisten Fällen nur auf das Bieten eines Nutzers zu einem Preis beschränkt. Über die Werbefläche, wo die Werbung eingebunden wird, weiß ich erst einmal wenig.“
Umfeld des Werbekontaktes bleibt relevant
Gerade für Brand Advertiser gelten nämlich andere Regeln. Neben der passenden Zielgruppe, der richtigen Kontaktdosis und ausreichend Reichweite sei vor allem auch die Werbefläche relevant. „Ein Markenkunde muss in irgendeiner Form bewerten können, ob die Werbefläche das Potenzial hat, eine Werbewirkung im Kopf zu verursachen“, sagt Meinken. Hier zählten Faktoren, die das Wirkungspotenzial von Werbefläche beeinflussen. Dazu gehören laut Meinken Größe des Werbemittels, Sichtbarkeit, Umfeld mit Aspekte wie weitere parallel angezeigte Werbeflächen oder das umgebende Design dazu. „Kriterien zur Bewertung der Qualität der Werbeflächen wie die Sichtbarkeit der Impression und die Sichtbarkeitsdauer des Werbekontaktes sind genauso wie die Zielgruppenbeschreibung und der Preis die entscheidenden Parameter für den programmatischen Mediaeinkauf für Brand Advertiser“, sagt Meinken.
Premiumumfelder als Türöffner
Lothar Prison, Chief Digital Officer VivaKi, bestätigt diese Einschätzung. Gerade Premiumumfelder hätten eine große Relevanz für Brand Advertiser, die programmatisch einkaufen wollen. „Sie sind der Schlüssel dafür, dass sich Brand Advertiser dem Programmatic Buying öffnen. Der Planungsansatz für Brand Advertiser basiert heute nicht rein auf der Adressierbarkeit von Zielgruppen. Es geht auch um Umfeldplanung und den Imagetransfer von einer Website auf die Marke. Nach wie vor hat dieser Ansatz einen relevanten und berechtigten Anteil in der Planung und das wird auch so bleiben“, sagt Prison.
Langfristige Absprachen bringen mehr Planungssicherheit
Offenbar muss das Direktgeschäft zwischen Sales-Team und Advertiser das Programmatic Buying weniger fürchten als bisher angenommen. Preisverhandlungen seien laut Meinken für Big Spender ein großes Thema. Der Großteil des Branding-Mediaeinkaufs wird über langfristige Absprachen und vereinbarte Preise abgedeckt. Das bringt für die Vertragsparteien die nötige Planungssicherheit, vor allem wenn es um große Inventarmengen geht. „Wir stehen mit strategischen Partnerschaften mit den Vermarktern häufig besser da als mit Real-Time Bidding. Der Vorteil gegenüber einer Auktion ist doch: Wir wissen, dass wir das Inventar bekommen, und wir wissen, zu welchem Preis wir es bekommen“, so Meinken von Pilot.
Restriktive Publisher
Fragt man allerdings DSP-Anbieter, über deren Plattformen Inventar eingekauft wird, zeigt sich, dass Brand Advertiser auch außerhalb von Private Marketplaces auf die Pirsch gehen. „Es gibt passendes Inventar für Branding-Kampagnen auch außerhalb der Private Marketplaces. Für eine Branding-Kampagne unseres Kunden redcoon haben wir bereits das Inventar über Real-Time Bidding außerhalb der Private Marketplaces eingekauft und es hat gut funktioniert“, berichtet Tanja Leutschacher, Managing Director der Demand Side Platform (DSP) Delta Projects. „60 Prozent des Inventars kaufen wir für unsere Branding-Kunden außerhalb von Private Marketplaces ein. Das mag überraschen, aber mit einer gut funktionierenden DMP ist das möglich.“
Ersetzt also RTB mit einer gut sortierten DMP doch den klassischen Einkauf auf Premiumseiten, verliert demnach das Etikett Premium an Bedeutung? „Nein“, sagt Leutschacher. „Es ist eine sinnvolle Ergänzung. Viele Kunden fordern weiterhin Werbekontakte aus den Qualitätsumfeldern. Dazu haben wir eigens einen Head of Publisher Management eingestellt, der über Kooperationen mit den Publishern und SSP-Anbietern den Zugang zu hochwertigem Inventar ausbauen soll.“ Denn noch würden zu wenig Publisher für Branding geeignete Werbeplätze für den auktionsbasierten Einkauf freigeben. „Wir würden uns schon wünschen, dass die Publisher mehr Branding-Werbeplätze dem öffentlich Handel zur Verfügung stellen.“
Andreas Rau von uniquedigital kann das bestätigen. „In der Praxis stehen aktuell im deutschen Markt leider nur sehr wenige hochwertige Umfelder transparent buchbar und mit den für Branding-Kampagnen wichtigen, großflächigen und aufmerksamkeitsstarken Werbemitteln zur Verfügung. Ebenso sind qualitativ hochwertige Targetinginformationen fast nicht verfügbar, weswegen die Umsetzung von Branding-Kampagnen über Programmatic Buying noch größere Schwierigkeiten bereitet.“
Es steht viel auf dem Spiel
Für die Publisher steht aber auch viel auf dem Spiel wie Stephan Noller, CEO vom Targeting- und Technologieanbieter nugg.ad, meint. „Der deutsche Markt hat gute Gründe, sich nicht überstürzt in die neue Welt des Programmatic Buying zu begeben, ich kann ihnen allerdings versichern, dass es keinen Publisher gibt, der derzeit nicht an einer entsprechenden Strategie arbeitet. Anders als in anderen europäischen Märkten steht auch viel auf dem Spiel; schließlich gelang es im deutschen Markt lange Zeit gut, auf der Basis einer starken Publisher-Seite ein hochwertiges Angebot mit guten Preisen aufrechtzuerhalten – auch im Targeting. Das gilt es jetzt auf Programmatic Premium zu übertragen und die Aufgabe ist nicht trivial. Übrigens gilt dies auch für die Qualität des Produktes und damit die Zielsetzung von Advertiser und Agentur – einfach nur hochwertiges Inventar freischalten und Daumen drücken kann ich nicht empfehlen“, sagt Noller.
Zukünftig mehr Programmatic Buying
Nugg.ad selbst rüstet sich gerade für im Bereich Automatisierung. In Frankreich kooperiert der Berliner Targetingspezialist mit dem vermarkterübergreifenden Premium-Exchange La Place Media. Hier können Advertiser schon jetzt auf Premiuminventar mithilfe von 16 vordefinierten Zielgruppenkriterien programmatisch und auktionsbasiert über RTB zugreifen. Anders als Meinken glaubt Noller schon, dass Programmatic Branding die Klassik bedroht: „Programmatic heißt auch, dass Maschinen diejenigen Aufgaben übernehmen, bei denen bisher Abendessen und Jahresvereinbarungen im Vordergrund standen. Man muss den Maschinen aber erst beibringen, warum es durchaus Sinn machen kann, für eine bestimmte Platzierung oder eine Homepage-Einfärbung das 10 bis 20-Fache zu zahlen. Das geht nur durch Einsatz von guten Daten und über Messkriterien, die über den Klick hinausgehen.“
Für Vivaki scheint Programmatic Buying für Branding Kunden gesetzt wie Prison erläutert „Bei Vivaki sind wir in der Lage über eine Vielzahl von Private Marketplaces die Premiumumfelder programmatisch anzubieten“, sagt Prison und weiter: Neben den reinen Premiumwebsites enthalten die Private Marketplaces auch großflächige Sonderformate, Bewegtbildformate sowie Targetinginformationen. Das schafft die Basis dafür, dass Brand Advertiser exakt das, was sie in der Vergangenheit auf dem direkten Weg gebucht haben, bereits heute und in der Zukunft immer stärker, automatisiert belegen können und gleichzeitig alle Vorteile vollständig ausschöpfen, die das Programmatic Buying mit sich bringt.“
Meinken glaubt, dass Programmatic Buying und klassischer Mediaeinkauf für Branding-Kampagnen parallel existieren werden, wobei der Anteil des programmatischen Einkaufs zunehmen wird. „Zukünftig werden wir immer öfter automatisierten Mediaeinkauf sehen. Ein Teil wird über Real-Time Bidding umgesetzt und ein größerer Teil wird über andere Mechanismen im Programmatic Buying wie Private Ad Exchanges stattfinden. Individuelle Mediakonzepte, die auf eine besondere Markeninszenierung abzielen, werden aber weiterhin außerhalb von Programmatic Buying stattfinden. Hier werden es weiterhin Menschen sein, die die richtigen Entscheidungen für Marken treffen.“
Und die AGOF, welche Rolle wird sie wohl in einem solchen Szenario spielen? „Im Programmatic Buying werden Planungstools wie das TOP Tool der AGOF keine große Rolle mehr spielen“, glaubt Meinken. Der Pilot-Mann weist ihr eine neue Rolle zu. „AGOF-Daten basieren zwar auf einer sehr guten Methodik, sie helfen mir aber im automatisierten Mediaeinkauf kaum bei der Entscheidung, für welche Impression ein Match mit meiner Zielgruppe vorliegen kann. Die Zukunft der AGOF könne aber in anderen Bereichen liegen, wie der Messung der Werbeflächenqualität nach verschiedenen Kriterien, bspw. die Sichtbarkeit.“
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