Geräte-übergreifendes Tracking bleibt eine Herausforderung
Arne Schulze-Geißler, 11. November 2013Digitale Werbung ist für die meisten Unternehmen zur Selbstverständlichkeit geworden, doch Konsumenten nutzen täglich zahlreiche Medienkanäle auf unterschiedlichen Bildschirmen. Heute besteht daher die Herausforderung darin, die Werbegelder effizient auf die verschiedenen Kanäle und Bildschirme zu verteilen. Im Rahmen der Vorberichterstattung zum TRACKS-Multichannel Advertising Summit in Hamburg, sprachen wir mit Thomas Bindl, Gründer und Geschäftsführer von Refined Labs, einem Plattformanbieter für Bid Management und Cross-Channel-Tracking.
Adzine: Herr Bindl, Multichannel-Advertising ist momentan in aller Munde, Werbungtreibende nutzen aber nicht erst seit gestern mehrere Kanäle parallel. Warum ist das Thema gerade so aktuell und was ist neu?
Thomas Bindl: Das Tracking über das „Last Cookie Wins“-Verfahren ist in Abwandlungen seit über zehn Jahren Standard im Online-Marketing. Da Offline-Medien deutlich schwerer messbar sind, war man anfangs von dieser Messgenauigkeit begeistert. Mittlerweile hat sich diese vermeintliche Transparenz jedoch zum Standard entwickelt und bessere technische Methoden sind entstanden. Dadurch ist es nunmehr möglich, wirklich jeden Kontaktpunkt der Customer Journey zu betrachten und entsprechend bei der Zuteilung der Werbeleistung zu berücksichtigen.
Adzine: Es geht also in erster Linie um technische Verfahren zur Messung und Optimierung mehrkanaliger Werbeaktivitäten?
Bindl: Um die Daten zu erfassen, geht es im ersten Schritt in der Tat hauptsächlich darum, die technischen Gegebenheiten zu schaffen, um eine Messung zu ermöglichen. Damit dies jedoch erfolgreich verlaufen kann, sollte man sich im Voraus Gedanken machen, welche Ziele man verfolgt. Ebenso ist es unerlässlich bei der Auswahl der Technologie, darauf zu achten, wirklich alle Daten zu erheben. Dies bedeutet nicht nur alle Klick- und View-Kontakte, sondern auch die Kosten der einzelnen Maßnahmen bis auf die kleinste Ebene – also meist das Werbemittel.
Adzine: Was sind die wichtigsten digitalen Kanäle, die man besonders gut analysieren und auch schon aufeinander abstimmen kann?
Bindl: Bei den digitalen Kanälen ist die Messbarkeit innerhalb von Desktopkampagnen auch kanalübergreifend sehr gut. Entsprechend kann man die Kontaktpunkte aus den Suchmaschinen, im Display-Marketing oder auch über Affiliate- oder E-Mail-Marketing sehr gut abbilden. Durch APIs der einzelnen Vermarkter oder Netzwerke lässt sich dies auch mit überschaubarem Aufwand darstellen. Ein verlässliches deviceübergreifendes Tracking ist hingegen noch eine Herausforderung.
Adzine: Nun haben wir ja nicht nur zahlreiche Werbekanäle wie z.B. Search, Display und E-Mail, sondern auch immer mehr Screens, die dem Nutzer dafür zur Verfügung stehen. Potenziert sich die Herausforderung des Trackings und der Kampagnensteuerung dadurch noch einmal?
Bindl: Dank deviceübergreifender IDs/Log-ins haben die Platzhirsche wie Google oder Microsoft natürlich einen Vorteil, da Nutzer hier in der Regel permanent eingeloggt sind und entsprechende Cross-Device-Messungen möglich sind. Auf der anderen Seite haben viele Werbetreibende ähnliche Möglichkeiten bei ihren Bestandskunden, indem sie einen Log-in durch Komfortfunktionen oder Vergünstigungen incentiveren. Sofern der Werbetreibende dies umsetzt, kann abhängig von der Tracking-Technologie auch deviceübergreifend gemessen und optimiert werden.
Adzine: Was ist mit Offline-Medien wie TV, Print, Radio? Wie kann man diese in eine Multichannel- und Multiscreen-Betrachtung einbeziehen?
Bindl: Hier ist das Problem des Medienbruchs natürlich ebenfalls vorhanden, weshalb man eine Messung nur über Umwege bewerkstelligen kann. Entsprechend sind die gewonnenen Daten auch mehr als relative und nicht als absolute Werte zu betrachten.
In den Print-Medien oder Out-of-Home haben sich QR-Codes, Rabattcodes oder Kurz-URLs als Brücke zum Online-Kanal durchgesetzt. Die Akzeptanz ist zwar in beiden Fällen stark abhängig vom Medium, der Zielgruppe und dem Anreiz, jedoch mittlerweile häufig auf einem akzeptablen Niveau.
Im Bereich Funk und TV hingegen kann man über die Schaltzeiten der TV-Spots sehr gut die direkten Effekte auf Online messen. Wichtig ist dabei, dass man nur den wirklich TV-relevanten Traffic betrachtet, also in der Regel Direkteingaben, Brand-Traffic aus Suchmaschinen sowie Suchanfragen zum beworbenen Produkt. Auf der anderen Seite sind Mediapläne sehr ungenau, weshalb es unerlässlich ist, mit einer automatischen Spoterkennung zu arbeiten, da man so die sekundengenauen Schaltzeiten erhält und entsprechend präzise messen kann. Ebenso ist darüber eine Konkurrenzbeobachtung möglich, da man auch den Effekt der TV-Spots von Marktbegleitern auf die eigene Seite ausweisen kann.
Adzine: Müssen neben einem technischen Tracking nicht auch Umfragen und andere Nutzungserhebungen in die Multichannel-/Multiscreen Werbesteuerung einfließen, um einen validen Gesamtüberblick zu gewinnen?
Bindl: Umfragen und andere Nutzungserhebungen sind definitiv eine sinnvolle Ergänzung, gerade wenn es um eine Cross-Device-Messung geht. Vor allem in Kombination mit den Daten aus dem Cross-Channel- und TV-Tracking kommt man so an deutlich validere Zahlen für eine spätere Optimierung. Der große Vorteil der digitalen Messverfahren ist hier jedoch die Geschwindigkeit, da die Daten bereits nach wenigen Minuten oder spätestens am Folgetag vorliegen.
Adzine: Welche Werbungtreibenden können aus Ihrer Sicht am schnellsten von Multichannel- und Multiscreen-Erkenntnissen profitieren. Sind das eher die unmittelbar verkaufsorientierten Unternehmen wie Online-Shops oder sehen Sie auch einen klaren Nutzen für Unternehmen, die in erster Linie Markenkommunikation betreiben?
Bindl: Natürlich ist die Messbarkeit gerade bei abverkaufsorientierten Kampagnen wichtig, da diese Werbetreibenden auf deren Basis den Erfolg ihres Geschäfts unmittelbar steuern. Aber auch bei klassischen Markenkampagnen ist es immer das Ziel, eine möglichst passende Zielgruppe zu erreichen. Wenn man also beispielsweise im TV-Tracking bei einzelnen Platzierungen eine deutlich höhere Resonanz bekommt, kann man diese Daten auch für die weitere Mediaplanung berücksichtigen. Auch hier gilt, dass die Daten nur eine Grundlage für Entscheidungen sein können, die man jedoch mit der eigenen Erfahrung und Sachverstand hinterfragen sollte.
Adzine: Herr Bindl, vielen Dank für das Gespräch.
Thomas Bindl wird auf dem TRACKS-Summit am 14.November in Hamburg am Expertenpanel zum Thema Chrosschannel Performance-Marketing teilnehmen. Bleiben Sie zum Thema Multichannel-Advertising stets informiert und folgen Sie dem TRACKS auf Facebook und unter @Tracks_Summit auf Twitter.