Für die Advertiser bleibt die wiederholte Ansprache desselben mobilen Nutzers mit Werbeanzeigen (Retargeting) über mehrere unterschiedliche Apps hinweg weiterhin eine Herausforderung. Ein Targeting über die Geräteidentifikationsnummer UDID (Unique Device I-Dentifier) wird spätestens bei Apple-Geräten mit dem Launch des iOS7 ab dem 18. September noch schwieriger. Apple hat angekündigt, ab dieser Betriebssystemversion nur noch Apples Identifier for Advertisers (IDFA) zu verwenden. ADZINE sprach dazu mit Roland Siebert, CEO und Gründer der Mobile-App-Marketing-Plattform 360dialog.
ADZINE: Herr Siebert, warum ist Retargeting in mobilen Apps so schwierig, es gibt doch zumindest im mobilen Internet auch Browser, die Cookies setzen können. Funktioniert das in Apps nicht genauso?
Siebert: Mobile Retargeting unterscheidet sich vom Retargeting im stationären Web insbesondere dadurch, dass es sich um ein deutlich fragmentierteres Ökosystem handelt. Retargeting im stationären Web findet ausschließlich im Browser statt, beim Mobile Retargeting liegen hingegen eine Browser- und App-Welt vor, die wiederum auf völlig unterschiedlichen Mechanismen und Identifikationsparametern basieren. Insbesondere die Zusammenführung von Cookie und DeviceID (IDFA, AndroidID etc.) im mobilen Ökosystem ist technisch heute noch nicht adäquat gelöst und bietet viele Chancen und Möglichkeiten für innovative Technologien.
ADZINE: Was ist nun die IDFA?
Siebert: „IFA bzw. IDFA ist eigentlich der Nachfolger für die bisherige UDID (Unique Device Identifier), welche von Apple aufgekündigt wurde, weil sie datenschutzrechtlich Bedenken hervorrief. Die neue IDFA ermöglicht dem mobilen Nutzer ein „Do not track“, also eine „Opt-out-Funktion“. Es ist im Grunde mit den Einstellungen von Cookies im Webbrowser vergleichbar, wobei die IDFA auf Geräte- und nicht auf Browserebene wirksam ist. Nachdem nun auch mit dem Launch von iOS7 das Auslesen der festen MAC-Adresse nicht mehr möglich sein wird, wird die IDFA ein zentraler Parameter im Hinblick auf das InApp-Retargeting im Apple-Ökosystem.
ADZINE: Ist die IDFA allgemein datenschutzrechtlich anerkannt?
Siebert: Das Thema Datenschutz ist ein ganz zentrales und noch immer fehlen die akzeptierten Standards hinsichtlich personenbezogenen vs. nicht personenbezogenen Daten und welche Implikationen dies mit sich bringt. International hat sich die Mobile-Branche darauf verständigt, dass es sich bei der IDFA um ein sogenanntes Pseudonym (verschlüsselt, aber nicht anonymisiert) handelt, sodass die IDFA ohne weitere Verschlüsselungsalgorithmen zwecks Device-Identifizierung genutzt werden kann. Im deutschen Datenschutzrecht wird intensiv zu dieser Fragestellung gestritten und diskutiert, ob es sich bei der IDFA doch um ein personenbezogenes Datum handelt und somit eine weitere Verschlüsselung notwendig ist, sodass es sich nicht um ein Pseudonym, sondern um ein anonymisiertes Datum handelt.
ADZINE: Und wie ist es bei Android-Geräten, gibt es da auch eine Art IDFA?
Siebert: Analog zur IDFA gibt es im Android-Ökosystem die AndroidID. Allerdings gibt es hier einen ganz zentralen Unterschied zur IDFA, denn der Nutzer eines Android-Devices kann nicht aktiv das Opt-out hinsichtlich der AndroidID (Geräteerkennung) einstellen.
ADZINE: Wie werden dann ab November Retargeting-Kampagnen in Apps auf iOS-Geräten möglich sein?
Siebert: Wir von 360dialog haben eine Mobile-CRM-Plattform entwickelt, die Multichannel-Kommunikation in mobile Applikationen und aus mobilen Applikationen heraus ermöglicht. Im Rahmen unserer Retargeting-Dialoge können wir auf Basis der erhobenen DeviceIDs (IDFA, AndroidID, OpenUDID etc.) im mobilen App-Inventar unserer Partnernetzwerke die Nutzer wiederfinden und mit personalisierten Retargeting-Werbemitteln adressieren. Da wir die Nutzer und deren Verhalten in den Applikationen kennen und sogenannte Cluster/Segmente bilden, können wir sehr effektiv in mobilem Werbeinventar Kampagnen aussteuern.
ADZINE: Wie stellt sich das konkret dar, was für Retargeting-Kampagnen sind das?
Siebert: Sehr effektiv ist das Retargeting hinsichtlich der/-s Reaktivierung/-engagements von Nutzern und die direkte Verlinkung auf ein Angebot in der Applikation. Die große Herausforderung bei der Umsetzung solcher Kampagnen sind die klassischen Adserver-Technologien, die heute auf Audience- und Umfelder-Targeting ausgelegt sind und nicht das DeviceID-Targeting unterstützen, um explizit diesem einen Nutzer ein personalisiertes Retargeting-Werbemittel anzuzeigen. Durch RTB in Mobile sehen wir erstmalig eine Entwicklung, die es ermöglichen wird, ein skalierbares Mobile-Retargeting-Angebot abzubilden. Wir haben gemeinsam mit einigen großen mobilen Werbenetzwerken eine erste Mobile-Retargeting-Lösung für InApp-Traffic entwickelt und optimieren diese stetig hinsichtlich Technologie und Reichweite.
ADZINE: Was gibt es sonst noch für Alternativen für ein funktionierendes Retargeting auf Smartphones?
Siebert: Wir glauben, Retargeting muss zukünftig Multichannel gedacht werden und nicht klassisch in Media. Durch die faszinierenden Möglichkeiten von Tracking und Analytics von mobilen Nutzern können auch heute auf Basis von weiteren Kanälen, z. B. Push-Notifications oder E-Mail, sehr effektive Retargeting-Kampagnen abgebildet werden. Das Verständnis über die Präferenzen und die Customer Journey eines Nutzers kann erfolgreich genutzt werden, um personalisierte Dialoge abzubilden und den Nutzer wieder in eine Mobile App zurückzuholen.
ADZINE: Wie wird sich Ihrer Meinung das Mobile Advertising generell entwickeln?
Siebert: Es wird spannend! Als Mitglied der MAT (Mobile Ads and Technology) Unit des BVDW sehen wir aktuell zwei große Trends hinsichtlich Technologie und Transparenz. Die Präsenz von Real-Time Bidding (RTB) und entsprechender Technologien wird immer stärker und bietet insbesondere hinsichtlich Performance-Kampagnen neue Möglichkeiten im Vergleich zu den klassischen Ad-Server-Technologien. Durch das Bidding-Verfahren auf Nutzer-/Device-Basis wird RTB einen Grundstein für die weitere Entwicklung von Mobile Retargeting bilden. Hinsichtlich Transparenz ist es wirklich erstaunlich, wie schnell sich die großen Third-Party-Tracking-Lösungen im Markt etabliert haben. Durch das immer tiefere Verständnis auf Advertiser-Seite ergeben sich durch Download-Tracking & Deeper Engagement Analytics völlig neue Möglichkeiten, sowohl Mobile Advertising als auch Mobile-Retargeting-Kampagnen zu optimieren. In diesem Bereich wird sich noch einiges tun, und die mobilen Werbenetzwerke müssen darauf reagieren und eigene Potenziale identifizieren.
ADZINE: Wieso wird die Werbeansprache über RTB wieder personalisierter realisierbar sein? Wo ist da der Unterschied?
Siebert: Die Technologien, die hinter dem Real-Time Bidding stecken, sind deutlich leistungsstärker als die klassischen Ad-Server-Technologien und können insbesondere deutlich mehr Daten in kürzerer Zeit verarbeiten. Durch den Bidding-Prozess auf Nutzer-/Device-Basis können deutlich granularere Regeln in der RTB-Technologie hinterlegt werden, sodass das System nur in den Bidding-Prozess einsteigt, wenn diese Regeln erfüllt sind. Anhand des Mobile Retargeting lässt sich dieser Mechanismus sehr schön darstellen. Für eine DeviceID wird auf dem Adserver eine Nebenbedingung, in diesem Fall eine KampagnenID, eingestellt. Findet der Adserver diese DeviceID, wird innerhalb von Millisekunden überprüft, ob eine Nebenbedingung (KampagnenID) vorliegt und nur im Falle der vorhandenen KampagnenID wird der Adserver auf diesen Nutzer ein Bid machen. Hieran zeigt sich sehr schön die Leistungsfähigkeit dieser neuen Technologie.
ADZINE: Kurz zum Thema Multiscreen bzw. Multichannel Advertising. Kennen Sie eine technische Lösung, um Nutzer über die Kanäle Mobile und Display hinweg legal zu identifizieren?
Siebert: Es gibt einige Ansätze am Markt, die unterschiedliche Mechaniken heranziehen, um dies umzusetzen. Ein bekanntes Verfahren basiert auf statistischen Algorithmen, die eine Reihe von Identifikationsparametern heranziehen, um approximativ einem Nutzer mehrere Devices und Channels zuzuordnen. Die Firma drawbridge aus den USA bietet für dieses Verfahren eine entsprechende Lösung an.
Eine andere Methode basiert auf der Analyse der tatsächlichen Customer Journey und der kanalübergreifenden Führung eines Nutzers über diverse Kanäle hinweg. 360dialog ist heute durch eine intelligente Weiche in der Lage, den Nutzer mithilfe unserer Smart-App-Links in unterschiedliche Kanäle zu überführen und kann anhand dieser Customer Journey einem Nutzer unterschiedliche Kanäle zuordnen und diese wiederum nutzen, um kanalspezifische Dialoge zu realisieren.
ADZINE: Herr Siebert, vielen Dank für das Gespräch.
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