Deutscher Markt lockt internationale RTB-Spezialisten
Sandra Goetz, 16. September 2013Die Automatisierung des digitalen Mediahandels über Real-Time Advertising ist eines der großen Themen auf der diesjährigen dmexco. In diesem Zusammenhang versuchen immer mehr britische und US-amerikanische Unternehmen am deutschen Markt Fuß zu fassen. Nicht immer versteht man gleich das Leistungsangebot dieser Firmen. Infectious Media ist so ein typischer Vertreter von Unternehmen, deren Leistungsspektrum man nicht auf den ersten Blick durschauen kann. Vor gut einem Jahr sind die Briten als Dienstleister für den Echtzeiteinkauf von digitaler Medialeistung in Deutschland gestartet. Wir sprachen mit Stefan Beckmann, der als Country Manager DACH, die deutschsprachigen Geschäfte von Infectious Media von Hamburg aus lenkt.
Adzine: Herr Beckmann, könnten Sie bitte unseren Lesern das Geschäftsmodell von Infectious Media erläutern?
Beckmann: Sehr gern. Infectious Media ist ein 2008 gegründeter Trading Desk, der sich sowohl an Werbungtreibende als auch an Agenturen richtet. Unsere Kampagnen werden in unsere DMP integriert und wir bieten einen Full-Service – wir setzen direkt die RTB-Kampagnen um und geben dem Kunden dazu parallel viele Inisghts und ein transparentes Reporting zu den Umfeldern, auf denen die Kampagne läuft. Damit der Kunde den Kampagnenverlauf verfolgen kann, erhält er von uns ein Log-in, hier kann er neben allen relevanten Kampagnen-KPIs auch unsere Bidding-Strategien verfolgen.
Adzine: Mit welchen Inventarquellen (SSPs) und Einkaufsplattformen (DSP) arbeitet Infectious Media zusammen?
Beckmann: Wir haben Zugang zu allen Inventarquellen. 2010 waren wir der erste europäische Kunde von AppNexus. Inzwischen haben wir für andere Inventarquellen einen eigenen Bidder entwickelt. Auf andere DSP-Technologien sind wir nicht angewiesen.
** Kauft Infectious eher programmatisch ein oder ist das gar echtes Real-Time Bidding (RTB), also über ein Auktionsverfahren in Echtzeit?
Beckmann: Infectious Media kauft ausschließlich auktionsbasiert über RTB ein. Unsere Inventarquellen sind die Exchanges, darunter zählt auch die Facebook FBX. Wir ersteigern Media also nur auf Ad Exchanges, mit einer Ausnahme: Wenn der Kunde es wünscht, kommt noch der Facebook Marketplace hinzu.
Adzine: Können Sie die die FBX und AppNexus als Inventarquelle vergleichen? Welche eignet sich wofür?
Beckmann: Die FBX ist eher ein reines Retargeting-Instrument mit einer immens hohen Reichweite und hoher Erreichbarkeit des Nutzers, weil er dort ständig online ist. Die FBX ist also eine hervorragende ergänzende Inventarquelle. Über AppNexus sind wir mehr oder weniger an alle SSPs angeschlossen, die in Deutschland zur Verfügung stehen. So haben wir neben Long-Tail-Umfeldern auch Zugang zu Premiuminventar sowie solchen aus dem Private Marketplace von InteractiveMedia. Man kann also sagen, dass uns ein guter Querschnitt des gesamten Inventarangebotes in Deutschland zur Verfügung steht.
Adzine: Was sind das für Kunden und wie lauten deren Kampagnenziele, die mit ihrer Unterstützung ausschließlich über RTB Media einkaufen?
Beckmann: Ob Finanzen, Versicherungen oder der klassisches E-Commerce, unsere Kunden kommen aus allen Branchen. Sie nutzen momentan RTB für Kampagnen, die auf eine Conversion, also einen Abverkauf oder eine Registrierung zum Ziel haben. In UK & Frankreich setzen wir bereits Kampagnen mit Branding-Zielen um, das möchten wir in Zukunft auch in Deutschland machen.
Adzine: Bei RTB-Kampagnen geht es zunächst einmal um Performance bzw. Klicks und Conversions. Ohne Sichtkontakt kein Klick des Nutzers. Warum ist Viewability, also die Sichtbarkeit der Ads, dann für die Einkaufsseite ein so wichtiges Thema?
Beckmann: Sichtbarkeit ist für die Kampagnenoptimierung sehr wichtig. Wenn Ad Impressions als Kontakt gezählt werden, ohne dass der Nutzer die Ad überhaupt sehen konnte, verfälscht das die Kampagnenbewertung und es werden falsche Schlüsse gezogen.
Adzine: Das beeinflusst wohl auch das richtige Aussteuern des Werbedrucks, das Frequency Capping.
Beckmann: Absolut. Aber nicht nur da. Wenn ich in einem nicht sichtbaren Bereich eine Ad Impressions habe, dann hat dieser vermeintliche Kontakt nichts in meinem Attributionsmodell zu suchen. Oder nehmen wir das Retargeting, wo der Advertiser dem Nutzer abhängig vom ersten Kontakt im zweiten Werbemittel eine andere Message übermitteln möchte und gegebenenfalls ein anderes Produkt anbieten will. Die Sichtbarkeit der Ads ist wesentlich für unsere Kamapagnenoptimierung.
Adzine: Wie startet man nun bei Infectious Media eine Kampagne für einen Kunden?
Beckmann: Bevor wir eine Kampagne starten, betrachten wir Kampagnenziele, den gewünschten CPO des Kunden und versuchen über ein umfassendes Forecasting zu ermitteln, ob wir mit dem Kunden diese Zielwerte im geplanten Zeitraum erreichen können. Es ist wichtig, dass der Kunde einen klaren Erwartungshorizont erhält und man muss ihm auch klar sagen können, wenn RTB für den Kunden nicht das Richtige ist. Laufzeiten sollten nicht unter einem Monat liegen, besser sind 2–3 Monate um eine vernünftige Lernkurve der Kampagne zu erzielen. Budgets können dann im Verlauf skaliert werden.
Adzine: Geschieht es häufiger, dass Sie Kunden von RTB abraten müssen?
Beckmann: Für alle Displaykampagnen eignet sich RTB. Man hat Zugriff auf unterschiedliche Inventarquellen, kann mobile Endgeräte ansteuern sowie Video- & Rich-Media-Formate einsetzen. Es gibt aber schon Kunden und Produkte, die ihre Ziele ausschließlich mit Affiliate- oder Search-Anzeigen erreichen, Display Advertising eignet sich nicht für alle Zielsetzungen. Das herauszufinden, ist auch eine Aufgabe unseres Forecastings.
Adzine: Wie lange sollte man nun testen?
Beckmann: Das hängt vom Kampagnenziel und den erforderlichen Umfeldern ab. Mindestens ein Monat, in vielen Fällen zeichnet sich es sich in der zweiten Woche schon ab, ob wir den gewünschten CPO des Kunden erreichen werden. Umso spitzer die Zielgruppe allerdings ist, umso länger dauert diese Testphase. In solchen Fällen müssen wir ja erst die passenden Umfelder in den verschiedenen Inventarquellen finden. Kunden mit spitzen Zielgruppen sollten grundsätzlich in der Testphase die Bereitschaft zeigen, zunächst über den gewünschten CPO zu gehen.
Adzine: Testen Advertiser eigentlich auch parallel mehrere Trading Desks?
Beckmann: Das kommt zwar vor, macht aber eigentlich keinen Sinn. Wenn man bei einem Last-Cookie-Win-Modell dieselbe Landing Page nutzt, wird die Zuordnung der Conversions nicht stimmen und zu einem falschen Attributionsmodell führen. Darum versuchen wir im Vorfeld beim Kundenbriefing immer herauszufinden, welche Online-Maßnahmen der Kunde parallel gerade einsetzt.
Adzine: Wie sehen sie die Entwicklung von RTB in Deutschland?
Beckmann: RTB hat sich zwar für Retargeting-Kampagnen etabliert, aber sowohl auf der Inventarseite als auch auf der Einkaufsseite stecken viele Marktteilnehmer in einer Testphase. Volumen gibt es genug, doch im Vergleich zu den Niederlanden, Frankreich und UK fehlt es in Deutschland weiterhin an ausreichend Premiuminventar.
Adzine: Infectious Media verfügt über eine eigene DMP. Welche Rolle spielen First-Party-Daten beim Real-Time Advertising?
Beckmann: Erst mit dem Einsatz von Kundendaten ist Real-Time Bidding richtig effizient. First-Party-Daten sind die ideale Füllung einer Data-Management-Plattform. Dazu nutzen wir auch unsere DMP, indem wir zum Beispiel einem Neuabonnenten von Sky zusätzlich passende Produkterweiterungen anbieten können.
Adzine: Lassen sich denn mit den First-Party-Daten über ihre DMP sofort zielgerichtet Kampagnen umsetzen. Geht das so aus dem Stegreif? Wie lange dauert es für gewöhnlich, bis ihre Einkaufsplattform es zu einem Matching mit den Inventarquellen bringen kann?
Beckmann: Das hängt einerseits ganz von der Anzahl & der Art von Profilen und andererseits von der verfügbaren Reichweite ab. Je mehr Profile und Reichweite, desto schneller finden wir diese Nutzer wieder.
Adzine: Integrieren Sie bei Infectious auch CRM-Daten in die DMP?
Beckmann: Ja, es handelt sich dabei um anonymisierte Profile.
Adzine: Wie sieht das Erlösmodell von Infectious Media aus?
Beckmann: Unser Grundmodell ist eine Marge, die sich an den dynamischen TKP orientiert.
Adzine: Herr Beckmann, vielen Dank für das Gespräch!
Dmexco-Tipp: Hören Sie Stefan Beckmann am 19.September um 14:15 in der Dabate Hall mit seinem Vortrag: „Trading Across Platforms“
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