Immer mehr Unternehmen rücken ab von der klassischen Selbstbeweihräucherung, definieren sich über Inhalte und setzen auch im Internet verstärkt auf Content-Marketing. Statt immer neue Werbeumfelder zu suchen, werden die Themen selbst gesetzt und die Marke dort ins Gespräch gebracht. Frühere Markenprediger werden zu Lösungsanbietern und Konsumentenverstehern. Werden Online-Media-Planer bald überflüssig?
„Nein“, sagt Nadine Bruer, „der Mediaplaner muss in den nächsten Jahren definitiv nicht um seinen Job fürchten.“ Aber die Geschäftsführerin der Hamburger Media Agentur Kontor Digital Media beobachtet, dass die Anforderungen an den Mediaplaner, speziell den digitalen Mediaplaner, immer anspruchsvoller werden. So sind Kunden von der Komplexität der Möglichkeiten der digitalen Werbung häufig überfordert, hier muss der Mediaplaner Aufklärungsarbeit leisten. Auch wird es laut Bruer immer schwieriger, den Überblick über Neuerungen zu behalten und gleichzeitig die Werbe- beziehungsweise Mediamöglichkeiten zu bewerten. Ebenso gelte es heutzutage, nicht nur in Kampagnen, sondern auch in Plattformen zu denken und Spezialthemen zu beantworten. Und bereits heute wird in der Online-Mediaplanung immer wieder "inhaltliche Werbung" in Form von Themenspecials, Sponsorings und Ähnlichem gemacht.
Doch im engeren Sinne geht es beim Content-Marketing um mehr: Hier werden Inhalte transportiert, die in erster Linie für den Nutzer relevant sind und ihn involvieren. „Ausschließlich inhaltliche Mehrwerte für die Konsumenten zu schaffen, ist für viele Unternehmen aber kaum machbar. Media bleibt daher unverzichtbar“, sagt Bruer.
Inniges Verhältnis zum Gast
Ein gutes Beispiel für diese Parallelentwicklung ist McDonald‘s. So fährt der Fast-Food-Riese nach wie vor große Werbekampagnen, rückt aber zunehmend Inhalte in den Fokus; die Marke sucht den Dialog und die Nähe zu seinen Nutzern. Erst kürzlich hat McDonald‘s die Dialogplattform „Unser Essen. Eure Fragen“ gestartet. Auf dieser Seite beantwortet der Burgerbrater Konsumentenfragen rund um McDonald‘s-Produkte - von Ernährung über Viehhaltung bis hin zu Zutaten für seine Produkte. So positioniert sich das große M als Konsumentenversteher und Lösungsanbieter. Verlinkte Fotos und Videos bieten sogar einen Blick hinter die Kulissen. War die Marke vorher schon volksnah, ist sie es nun umso mehr. Auch Social Media spielt in dieser Strategie eine wichtige Rolle. Da sich Frager via Facebook- oder Twitter-Account anmelden müssen, lässt sich über diese Netzwerke zusätzliche Reichweite generieren.
Redaktionsteam bei Coca-Cola
Auch Coca-Cola setzt auf den Content-Marketing-Trend und rückt die Marke mit Inhalten in das rechte Licht. So wurde die klassische Corporate Website der Coca-Cola Deutschland GmbH kurzerhand durch das digitale Magazin „Journey“ ersetzt. Das Magazin soll Kunden und Interessenten unterhalten, informieren und zu Diskussionen anregen. Auch werden hier sämtliche Social-Media-Aktivitäten gebündelt und auf die entsprechenden Präsenzen verlinkt. Um die Inhalte zu erstellen, beschäftigt man ein eigenes Redaktionsteam und lässt auch externe Autoren zu Wort kommen. Nichtsdestotrotz betreibt der Brausehersteller neben dem Digital-Magazin nach wie vor Dutzende klassische Websites. Aber egal ob Otto, Henkel, Schwarzkopf – die Beispiele häufen sich, in denen Marken nicht mehr nur Werbung buchen, sondern die Marke zusätzlich über selbst gesetzte Inhalte indirekt bewerben und pflegen.
Über Inhalte verkaufen
Während Content-Marketing und klassische Online-Werbung ursprünglich losgelöst voneinander existierten, erwarten Marktbeobachter, dass sie sich künftig annähern. Während die Mediaplaner ihre Werbebuchungen für ihre Kunden in einem Mediaplan festhalten, arbeitet man im Content-Marketing häufig mit einem Redaktionsplan. Würden Media- und Content-Planer zusammenarbeiten, ließen sich Synergien nutzen. Wozu beispielsweise ein Portal mit Display-Ads bebuchen, wenn es dort auch möglich ist, Inhalte zu platzieren? Die Grenzen zwischen Online-Werbung und Content-Marketing verschwimmen zusehends. „User erwarten längst nicht nur von den klassischen Medien Inhalte, die ihnen einen Mehrwert bringen, sondern auch in den Werbebotschaften der Unternehmen und Markenartikler“, sagt René Kühn, Geschäftsführer der Kölner Content-Marketing-Agentur Contilla. „Mit Inhalten, die Bedürfnisse wecken, auf die Zielgruppe zugeschnitten sind, und über Themen, die Produkte verkaufen – das ist Content-Marketing und das wird die Werbeindustrie in den nächsten Monaten intensiv beschäftigen“, ist sich Kühn sicher.
Synergien zwischen Media und Content
Aus Sicht von Björn Tantau, Senior Manager Inbound Marketing der Agentur TESTROOM in Hamburg, ließen sich durch die Verknüpfung von Inhalten und Werbung Synergien nutzen. „Wird Content mit Re-Targeting verknüpft, kann das die Kaufwahrscheinlichkeit erhöhen.“ Die Idee: Wenn ein Nutzer zum Beispiel ein Advertorial gelesen hat, wird er über Re-Targeting später wieder angesprochen. Im besten Fall weiß der Interessent nun bereits über das Produkt Bescheid, kennt dessen Vorzüge und benötigt nur noch ein gutes Angebot, um zu kaufen. „Redaktion und Mediaplaner sollten sich zusammensetzen, um aus dem vorhandenen Budget das Beste herauszuholen“, sagt Tantau.
Nach Ansicht von Content-Marketer Kühn ist eine Verknüpfung aber auch aus entgegengesetzter Richtung sinnvoll. So sollte Online-Werbung aus seiner Sicht verstärkt dazu genutzt werden, schon bei der Werbebotschaft einen inhaltlichen Mehrwert zu bieten und auf ein Content-Angebot hinzuweisen. „Zudem kann auch im Content-Angebot auf weiterführende Angebote gelenkt werden, zum Beispiel durch Hinweise am Ende eines Artikels“, so Kühn. Keinesfalls dürfe dabei aber die Qualität des Contents beeinträchtigt werden.
Blick fürs große Ganze nötig
Noch gibt es kein Patentrezept, wie eine Marke Content-Marketing und Online-Werbung am besten orchestrieren kann. Doch sinnvollerweise sollte es jemanden geben, der neben den Werbekampagnen auch die inhaltlichen Aktivitäten im Blick hat. „Ob diese Aufgabe nun in der Media-, PR- oder Werbeagentur angesiedelt wird, ist unerheblich. Wichtig ist, dass sie in keinem Fall losgelöst von den anderen Bereichen sein darf“, sagt Bruer. Vernetzung sei besonders wichtig. Dies sehen auch viele Unternehmen so. So äußerten sich die von der Mediaagentur im Rahmen einer Studie Befragten unisono, dass sie sich unter anderem eine gute Zusammenarbeit zwischen Kreation und Media wünschen. Ein solch übergreifendes Zusammenspiel ist vor allem vor dem Hintergrund immer beliebterer 360-Grad-Kampagnen wichtig.
Wie es funktioniert, zeigte Mercedes-Benz kürzlich für die neue S-Klasse. Mit einer breit angelegten Kampagne auf allen Kanälen unterstützte der Autobauer die Markteinführung seines neuen Flaggschiffs. Im Mittelpunkt der weltweiten 360-Grad-Kampagne standen Printanzeigen, ein TV-Spot, ein interaktives Webspecial und umfangreiche Social-Media-Aktivitäten. Auch der Content kam nicht zu kurz: So informierte das Mercedes-Benz Museum mit einer exklusiven Sonderausstellung über die Historie der S-Klasse. Nicht jede Marke hat ein Museum zu bieten oder ein Marketingbudget, das solche Rundum-Kampagnen hergibt. Doch eines scheint sicher: Ohne mehrwertstiftende Inhalte geht nichts mehr. Content profiliert sich als ideale Ergänzung von Media.
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