Chancen und Hürden – Automatisierung im Mobile Advertising
Lars Radmacher, 12. September 2013RTB und Programmatic Advertising scheinen sich gerade im stationären Internet zu etablieren, richtig effektiv wird der plattformbasierte Mediaeinkauf aber erst, wenn auch das Inventar aus dem mobilen Internet hinzukäme. Hier gibt es noch einige Herausforderungen zu meistern, die jedoch mittelfristig gelöst werden können. Dann stünde einem kanalübergreifenden Programmatic Advertising technisch kaum mehr etwas im Wege.
Im Bereich des Programmatic Advertising gibt es zwischen den verschiedenen Plattformen bereits viele Überschneidungen, gerade auch im Hinblick auf die automatisierte Vermarktung in Richtung des datenbasierten Premiumsegments. Kannibalisierung, Brand Safety und Ad Quality sind keine plattformspezifischen Herausforderungen. Es gibt nur wenige Faktoren, die eine rasche plattformübergreifende Verbreitung des Programmatic Trading bremsen.
Unterschiede zwischen stationärem und mobilem Programmatic Advertising
Infrastrukturelle Unterschiede zwischen den Plattformen, wie verfügbare Bandbreiten, nähern sich immer weiter an. Neben rein technischen Unterschieden zwischen den Plattformen gibt es jedoch vor allem einen unterschiedlichen Grad der Standardisierung, der eine flächendeckende Verbreitung von RTA behindert.
Auch wenn Standards wie openRTB 2.0 theoretisch die Echtzeitkommunikation zwischen Werbesystemen sowohl im Display- als auch im Mobilebereich regeln können, muss hier für das mobile Umfeld noch viel Entwicklungsarbeit geleistet werden. Im Displaybereich werden beispielsweise automatisierte Blacklists zur Vermeidung der Kannibalisierung des eigenen Inventars im RTB-Prozess von immer mehr Adservern unterstützt. Im mobilen Umfeld gibt es dagegen quasi noch keinen Teilnehmer, der dies überhaupt ermöglicht. Die Weiterentwicklung von RTB-Standards wie einer Ad Inventory Description API (AIDA), die u. a. das Blacklisthandling optimiert, muss daher plattformübergreifend erfolgen.
Auf vielen Adserver-Systemen finden sich gute Speziallösungen, die teils auch deshalb entstanden sind, weil es bisher immer mehr Wildwuchs statt gemeinsamer Entwicklung gab. In Zukunft werden zum Beispiel Ansätze wie das Monitoring von Zähldifferenzen zwischen verschiedenen Systemen und Kanälen in globalen Standards aufgehen. RTB löst auf allen Plattformen viele der bisherigen Herausforderungen.
Betrachtet man die Anforderungen an eine mobile Lösung, so ergeben sich jedoch neue Aufgaben, denn in der mobilen Welt sind viele Adserver-Systeme noch nicht RTB-ready. Um eine datengetriebene Best-Preis-Vermarktung bei maximalen Fillrates bieten zu können, gilt es deshalb, neben den wenigen RTB-fähigen Systemen auch die klassischen Ad Networks der Demand-Seite anzubinden und so RTB und Ad Mediation miteinander zu verknüpfen. Hier wiederum machen sich die fehlenden Standards der letzten Jahre bemerkbar. So können beispielsweise viele Anbieter nicht asynchron (also erst mit der eigentlichen Werbemittelauslieferung) Impressions zählen, was weitere Komplexität im mobilen RTA Bereich schafft.
Crossmediale Features
Solange Technologien und Standards nicht eng miteinander abgestimmt sind, werden plattformspezifische Spezialanbieter ihre Daseinsberechtigung haben. Hochqualitative Lösungen bedürfen der Spezialisierung. Hierbei gilt es jedoch, die Entwicklungen aller Umgebungen zu verfolgen. Mobile, Display und andere Plattformen wie ConnectedTV werden immer weiter zusammenwachsen, der Schritt aus Mobile heraus wird hierbei aus technologischer Sicht sehr viel einfacher sein als andersherum. Denn vieles, was im Mobile Advertising schon möglich und teils nötig ist, muss für andere Kanäle erst noch adaptiert werden. Dazu gehören Komponenten wie cookiefreie Identifizierung über z. B. Local Storage und gerätespezifische IDs, Responsive Ad Support und die Transformation von Werbemitteln, basierend auf Fähigkeiten der Devices und Bandbreiten. Diese Features gehören schon heute zum Standard von premiumorientierten mobilen Anbietern und werden in wenigen Jahren auch im restlichen Werbeuniversum eine große Rolle spielen. Andererseits müssen Premiumfeatures aus dem Displaybereich wie das Viewtime-Tracking – das auch im automatisierten Handel eine Rolle einnehmen wird – heute schon in die Architektur mobiler Adserver-Lösungen einfließen.
Verfügbare Daten und ihr Wert
Die heute zur Verfügung stehenden Daten und Targetingmöglichkeiten auf den unterschiedlichen Plattformen sind weitere Gründe, die für spezialisierte Lösungen sprechen. Für device-, location- und zielgruppenbasierte Datenanreicherung gilt es, mit den besten Spezialisten zusammenzuarbeiten, die aus rohen Daten einen Mehrwert für den Echtzeithandel generieren können. In einem mobilen Umfeld, in dem Retargeting basierend auf Third-Party-Cookies schon heute nicht mehr funktioniert, bekommen vermarkterseitige Daten, wie Umfeld- und Zielgruppeninformationen, auf Anhieb einen sehr viel höheren Wert. Hier geht es auf der Supply Side umso mehr darum, den Wert von Daten in Echtzeit aufzuzeigen und sie kontrolliert und transparent für Demand-Partner freigeben zu können, damit alle Parteien ihre Ziele erreichen können. Sowohl im Display- als auch im Mobilebereich zeigen einige gewachsene und um RTA-Fähigkeiten erweiterte Systeme jedoch Schwächen im Anreichern, Aufbereiten und Darstellen von großen Datenmengen in Echtzeit. Dies gilt für ältere Displaylösungen genauso wie für einige der jüngeren mobilen Anbieter. Gerade diese Bereiche sind im Programmatic Advertising, dem datengetriebenen Echtzeithandel, jedoch Kern einer jeden qualitativ hochwertigen Lösung. Das Verständnis der Relation zwischen freigegebenen Daten und erzielten Geboten ist hier der Schlüssel zum Erfolg der automatisierten Vermarktung.
Die Zukunft: plattformübergreifendes RTA
In einigen Jahren werden sich Werbesysteme etabliert haben, die crossmediale Buchungen jeglicher Art technologisch valide ermöglichen. Auf Basis der verfügbaren Audience auf den verschiedenen Plattformen sowie vieler weiterer Faktoren werden diese in der Lage sein, Werbekampagnen mit höchster Präzision zielgruppen- und umfeldgenau auszusteuern. Werbemittel werden in Echtzeit, basierend auf den Fähigkeiten der Plattformen, der zur Verfügung stehenden Bandbreite und nicht zuletzt auf den Endnutzern selbst, angepasst werden. Es wird geräteübergreifend und kontaktklassenbasiert optimiert, Nutzergruppen werden in ihren Kaufprozessen plattformübergreifend und positionsgenau begleitet werden. Es werden datengetriebene Systeme und Werbeformen existieren, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Eine Lösung für alle Plattformen und Arten der digitalen Vermarktung anstatt einzelner Speziallösungen. Um Programmatic Advertising im mobilen Bereich und in der Folge plattformübergreifend zu etablieren, reicht es jedoch nicht, heute die bestehenden Features der Display-RTA-Anbieter zu adaptieren, man muss vielmehr auf die mobilen Besonderheiten eingehen und so, basierend auf heutiger Technologie und den Erfahrungen der letzten Jahre, die Lösung von morgen entwickeln.
Menschliche Interaktion zwischen Anbietern von Werbeflächen und Werbetreibenden wird dabei fester Bestandteil des Werbeprozesses bleiben. Auch wenn es in ferner Zukunft Systeme geben kann, die auf Besonderheiten technologischer und logischer Natur aller Plattformen in hoher Qualität eingehen können, braucht es immer Menschen, die sie kontrollieren. Übersichtliche und intuitive Nutzeroberflächen sowie valide und zielführende Echtzeitreports werden eigens darauf spezialisierte Sales- und Ad-Ops-Teams unterstützen und so Programmatic Advertising plattformübergreifend etablieren.
Über den Autor:
Lars Radmacher ist CEO und Mitbegründer von drivn Technologies, einer datenfokussierten Mobile SSP. Radmacher beschäftigt sich seit mehr als 14 Jahren mit Internettechnologien und ist seit sieben Jahren in der Online-Branche tätig. Zu seinen wichtigsten Stationen zählen hier internationale Positionen im technischen Consulting und Pre-Sales bei nugg.ad sowie Key Account und Product Management bei Smart AdServer. Er absolvierte die Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung bei T-Systems und verfügt über ein Professional Diploma in Management der Open University Business School, UK. Angetrieben von dem Wunsch nach einer hochqualitativen Lösung im Bereich des mobilen Programmatic Advertising gründete er Anfang 2013 die drivn Technologies GmbH mit Sitz in Berlin.
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