Mit der Digitalisierung ist der Konsument erwachsen geworden. Er hat zahlreiche Kommunikationskanäle zur Verfügung, kann sich Informationen digital und analog besorgen und mit Unternehmen nach seinem Gusto in Kontakt treten. Diese Entwicklung beschert Unternehmen zunächst einmal eine Flut wertvoller (wenn auch schwierig zu handhabender) Daten. Da sich der Konsument jedoch durchaus bewusst ist, dass er diese Informationen den Unternehmen überlässt, verlangt er eine Gegenleistung: individuelle Ansprache, persönliche Angebote an Ort und Stelle sowie qualitativ hochwertige Inhalte über alle Kanäle hinweg.
Die Hälfte der Deutschen möchte von Marketing in Ruhe gelassen werden
Dass Marketeers diesem Anspruch bisweilen nicht gerecht werden, zeigt eine jüngst veröffentlichte repräsentative Forsa-Umfrage. Ermittelt wurde, wie Konsumenten in Deutschland zur Marketingkommunikation stehen und wie Unternehmen diese gestalten. Rund die Hälfte der Verbraucher erwartet in unseren technologisch fortschreitenden Zeiten zunehmend personalisierte Werbebotschaften statt Infomüll. Der CEO von IBM hat es etwas philosophischer formuliert: “What you will see with rapid data and social sharing is the death of the average and the era of you.” Wir leben also in der „Ära des Du“. Statt breiter Zielgruppensegmentierung basierend auf geografischen Daten, Altersgruppen und Geschlecht muss Marketingkommunikation auf hyperindividualisierte Inhalte setzen.
Gleichzeitig müssen Kommunikationsmaßnahmen automatisiert ablaufen, sonst steht das Controlling schneller am Schreibtisch, als man die erste Facebook Ad geschaltet hat. Doch davon ist Deutschland weit entfernt: Die große Mehrheit der Befragten erhält zu viel (58 Prozent) und zu allgemeinen Content (50 Prozent) – eine unnötige Flut an Informationen, an deren Bewältigung niemand Interesse hat. Nur bei einer Minderheit sind Inhalte und Angebote auf Interessen abgestimmt (14 Prozent).
Behavioral Marketing – Die richtige Botschaft über den richtigen Kanal zur richtigen Zeit
Die Formel der Hinwendung zum einzelnen Kunden ist nicht neu, allein die Umsetzung geschieht noch zu zögerlich. Eine feinjustierte Marketingkommunikation mündet in der Praxis im Tracken von Kundenverhalten, der Integration der gesammelten Daten auf einer zentralen Plattform und dem automatisierten dynamischen Erstellen und Versenden kanalneutraler Nachrichten. Oder kurz: Behavioral Marketing (verhaltensbasiertes Marketing). Um jedoch ein umfängliches Bild des Kunden zeichnen zu können, muss dieser in der On- sowie der Offline-Welt betrachtet werden. Dafür müssen in beiden Sphären so viele Kontaktpunkte wie möglich geschaffen werden.
Am Ende geht es darum, dem Kunden das richtige Themenangebot zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal zu unterbreiten. Gehen wir z. B. davon aus, wir seien ein großer Burgerbrater. Über Schnittstellen wie eine mobile App, digitale Coupons, QR-Codes auf Verpackungen, Empfehlungen an Freunde, Newsletter oder eine Facebook-Fanpage haben wir zahlreiche Kontaktpunkte geschaffen, um Kundenbeziehungen aufzubauen und zu pflegen. So kann entsprechend herausgefunden werden, welches Medium ein social-media-affiner Kunde häufig nutzt (z. B. Foursquare oder Facebook), in welcher Filiale er meist einkehrt und welchen Burger er präferiert. Geht der Fast-Food-Liebhaber häufig in München in der Nähe des Marienplatzes essen, kann ihm in Echtzeit und entsprechend seines Geschmacksprofils ein Produktvorschlag in Form eines Coupons via Facebook oder E-Mail geschickt werden, wenn er sich beim nächsten Mal in der Nähe aufhält. Die Stärke des Dialogs liegt so im Verständnis für den Einzelnen und der intelligenten Steuerung hinter den Nachrichten.
Ohne Vertrauen keine Daten
Bei all dem Eifer über die Möglichkeiten des Behavioral Marketings dürfen die Datenschutzbedürfnisse der Kunden natürlich nicht außer Acht gelassen werden. Damit die Menschen Informationen über sich preisgeben, müssen Unternehmen angesichts der verbreiteten Skepsis gegenüber Datenschutz aber zunächst einmal Vertrauen aufbauen. Das gelingt nur, wenn Verantwortliche einerseits klare Ziele definieren, die sie mit den gesammelten Daten erreichen wollen und andererseits Konsumenten deutlich machen, wozu persönliche Daten genutzt werden – nämlich um einen Mehrwert in der Kommunikation zu schaffen. Nur durch Vertrauen und Aufklärung lässt sich Marketing verändern und vom Störfaktor zur Basis für stabile, vertrauensvolle Kundenbeziehungen wandeln.