RTB: Automatisierung, Kontrolle und die Notwendigkeit von Standards
Mark Thielen, 16. Mai 2013Ein Paradigmenwechsel ruft häufig Befürchtungen hervor und Skeptiker auf den Plan. So auch im Display-Advertising. Mit dem automatisierten Mediahandel via Real-Time Bidding (RTB) werden nicht nur Mediaplanung und Buchungsprozesse verändert, es betreten auch neue, meist technologiegetriebene Player den Markt. Viele Publisher, Werbungtreibende und Agenturen haben angesichts der ungewohnten Gemengelage skeptisch reagiert. Vor allem befürchten sie, dass ein automatisiertes Adtrading zu einem riskanten Kontrollverlust führt.
Interessant ist, dass die Ängste sowohl bei den Mediaverkäufern als auch bei den Mediaeinkäufern bestehen. Publisher befürchten, dass Werbung auf ihren Seiten erscheint, die nicht den eigenen Qualitätsansprüchen genügt. Werbungtreibende hingegen haben Angst, dass ihre Botschaften in Umfeldern erscheinen, an denen man als Marke besser nicht zu sehen sein sollte.
In den USA gab es ähnliche Befürchtungen, heute ist RTB dort ein Wachstumsmarkt. Auch wenn sich die Vermarktungsstrukturen jenseits des Atlantik von den hiesigen deutlich unterscheiden: Ein wenig mehr „American Spirit“ würde dem europäischen – und insbesondere dem deutschen - Markt gut tun. „Just Do It“ heißt das Motto der Amerikaner, während hingegen in Deutschland oft die Sorgen überwiegen.
Upselling statt Restplatzfüllung
So geht in Europa auch die Mär vom bald arbeitslosen Traffic-Team um. Doch genau das Gegenteil dürfte der Fall sein. Denn RTB bietet dem Sales-Team mehr Flexibilität: Nun wird transparent, wer sich für welches Inventar interessiert. RTB kann daher nicht nur Restplätze füllen, sondern stattdessen Wege zu mehr Upselling aufzeigen. Wer sich für eine Ad-Impression im gebotenen Inventar interessiert, ist prinzipiell auch für Premium-Deals interessant. RTB eignet sich bestens, die Nachfragerseite zu analysieren und die eigenen Angebote entsprechend anzupassen.
Technik macht Kontrolle einfacher
Kontrollmechanismen technisch so abzubilden, dass der Aufwand so gering wie möglich ist: Das ist die große Herausforderung im RTB-Markt. Dafür sind Standards nötig. Standards, die zum Beispiel das Inventar eindeutig beschreiben. Sowohl auf DSP- als auch auf SSP-Seite muss ein einheitliches Black- beziehungsweise Whitelisting möglich sein, damit aufwendige Taxonomie-Übersetzungen überflüssig werden.
Der Open-RTB-Standard verweist bereits auf eine Content-Taxonomie des IAB. Diese Liste eignet sich zwar hervorragend, um Websites zu beschreiben, aber nicht um Werbung zu kategorisieren. Zu vieles bleibt unklar – beispielsweise gibt es keine Kategorie „Alkohol“. Die Folge ist, dass man bei unklaren Kategorien sicherheitshalber mehr ausschließt, als nötig wäre. Hier muss auf internationaler Ebene nachgebessert werden.
Qualitätsstandards könnten helfen
Real-Time Bidding lebt von der Reichweite und der Vielfalt. Wer als Publisher alle Werbung ausschließt, die auch nur im Entferntesten unangenehm sein könnte, muss damit rechnen, dass sich Auktionen kaum „hochschaukeln“ und beim Floorpreis enden. Hinzukommt, dass man schnell in der „Konfigurationshölle“ landet. Eine Liste mit 50 auszuschließenden Werbungtreibenden ist schnell beisammen – beispielsweise weil es Exklusiv-Deals mit Werbungtreibenden gibt und spezielle Wettbewerber sowie fragwürdige Anbieter ausgeschlossen werden sollen.
Als hilfreich könnten sich an dieser Stelle Marktplatz-Zertifizierungen durch die Branchenverbände erweisen, die einen qualitativen Mindeststandard für die SSP- als auch die DSP-Seite sicherstellen. Werbekunden würden aufwändige Konfigurationen erspart und könnten sicher sein, dass das eingekaufte Inventar einem gewissen Qualitätsniveau entspricht. Publisher wiederum hätten so die Sicherheit, dass keine unangenehme Werbung erscheint. Das würde Vertrauen in den Markt bringen. Und Vertrauen ist ebenso wichtig wie die Technik. Nur wenn beides stimmt, wird RTB zu einer großen Erfolgsgeschichte.
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