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ADTECH

Display-Werbung in der Bredouille

Karsten Zunke, 27. Mai 2013

Es war eine der bemerkenswertesten Aktionen in der noch jungen Geschichte der Online-Werbung hierzulande. „Bitte schaltet eure Adblocker ab“, appellierten vor wenigen Wochen Online-Medien an ihre Nutzer. Zu groß wurde für einige der Leidensdruck. Bei Nachrichten-Websites ist durchschnittlich jeder vierte Seitenaufruf werbefrei, weil die Nutzer mit einem Adblocker surfen. Das macht eine Refinanzierung von hochwertigen Inhalten schwierig. Auch andere Publisher leiden unter den Werbeverweigerern. Längst wird in Hinterzimmern über Lösungen nachgedacht. Technisch wäre eine Bezahlschranke für Adblock-Nutzer realisierbar. Doch an einer Eskalation ist bisher niemand interessiert.

„Ungefähr 25 Prozent unserer Seitenaufrufe werden mit Adblocker getätigt, sind also nicht vermarktbar“, sagt Katharina Borchert, Geschäftsführerin SPIEGEL ONLINE. Für Nachrichtenseiten ist dies ein durchschnittlicher Richtwert. Inhalte-Anbieter mit einer technikaffinen Community leiden unter weit höheren Einbußen. Insider gehen davon aus, dass bis zu 50 Prozent der Nutzerschaft solcher Seiten mit Werbeblockern surft. Seit Monaten melden die Adblocker-Anbieter Rekord-Downloadzahlen. Mitte Mai haben Golem.de, Spiegel Online, FAZ.net, RP-Online.de, Sueddeutsche.de und Zeit.de reagiert und ihre Nutzer gebeten, die Werbeblocker abzuschalten beziehungsweise für ihre Seiten eine Ausnahmeregelung einzustellen.

Als Hilferuf oder gar Warnung möchte Borchert den Aufruf nicht verstanden wissen. „Wir wollten auf das Thema aufmerksam machen und eine Diskussion darüber anstoßen, dass die Produktion von hochwertigen Inhalten in jedem Fall finanziert werden muss“, sagt Borchert. Auch Christian Röpke, Chefredakteur ZEIT ONLINE, stößt ins gleiche Horn. „Der Aufruf ist eine Information und Bitte an unsere Nutzer mit Adblockern, für uns eine Ausnahmeregel einzurichten. Eine Bezahlschranke für Werbeboykottierer ist aus meiner Sicht keine Option.“

Nutzer wollen zahlen

Auch beim IT-Informationsdienst Golem.de möchte man niemanden zwingen, für Inhalte zu bezahlen. Die Berliner Betreiber planen jedoch, im Laufe dieses Jahres ein kostenpflichtiges Abo für Golem.de anzubieten, mit dem die Website werbefrei genutzt werden kann. Damit möchte man jenen Nutzern eine Alternative bieten, die Werbung ablehnen. Eine generelle Bezahlschranke soll es ausdrücklich nicht geben.

In diesem Zusammenhang hat das Portal seine Nutzer gefragt, welchen Geldbetrag sie für eine werbefreie Präsentation der Inhalte ausgeben würden. Das Ergebnis überrascht: Mehr als 15 Prozent der Umfrageteilnehmer wären bereit, vier bis fünf Euro im Monat für eine werbefreie Website zu zahlen. Lediglich ein Drittel gab an, dass sie beides wünschen: ein werbefreies und gleichzeitig kostenfreies Angebot. Zudem hat die Golem-Befragung eine weitere interessante Erkenntnis geliefert: Onliner wollen sich nicht für jedes Portal einen separates Abo für werbefreie Inhalte kaufen. So wünschen viele Golem-Nutzer ein Abo für alle Medien – eine Art Spotify für Nachrichteninhalte. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg.

Till Faida

Adblocker im Trend

Insgesamt nimmt das Interesse an Adblockern weiter zu. So zählte Eyeo, die Kölner Betreiberfirma des weitverbreiteten Werbeblockers Adblock Plus, am Tag nach dem Publisher-Aufruf einen 129%igen Anstieg bei den Besucher- und Downloadzahlen. „Alle zwei Wochen haben wir weltweit eine Million zusätzliche Adblock-Plus-Nutzer“, sagt Eyeo-Chef Till Faida. In Deutschland zählt das Unternehmen 10 Millionen Unique User pro Woche. Ein Unique User ist in diesem Fall ein Nutzer mit aktiviertem Werbeblocker.

Werbeblocker werden in der Regel als Browserweiterung angeboten. Nach der Installation filtert die Extension das Adserver-Request heraus und baut die Seite wieder so zusammen, dass an jenen Stellen, die für Werbung reserviert waren, keine weißen Flecken entstehen. So blockt beispielsweise Adblock Plus alle Anfragen, die auf seiner Blockierliste stehen. Die Adblock-Community sorgt dafür, dass es individuelle Blockier-Regeln für alle Adserver gibt. Taucht eine neue Werbung auf, gibt es sofort freiwillige Unterstützer, die mitarbeiten und entsprechende Filterregeln schreiben.

Christian Röpke

Restriktive „Acceptable Ads“

Adblock Plus möchte nach eigenen Aussagen der Display-Werbung aber nicht schaden, sondern sie besser machen. Von der Adblock-Plus-Community wurden daher Werbeformate definiert, die für Nutzer akzeptabel sein sollen. Diese Werbeformen werden in den Standardeinstellungen des Werbeblockers nicht mehr unterdrückt. Doch diese „Acceptable Ads“ sind sehr restriktiv. Unter anderem sind Animationen und Sound ebenso verboten, wie Werbung innerhalb von Texten. Generell sollte Werbung nicht sonderlich auffallen und möglichst am Rand platziert sein. „Dieses Vorhaben ist meiner Meinung nach unrealistisch. Aus Vermarktungssicht gilt es, neben den Wünschen der User auch die Interessen der Werbekunden zu berücksichtigen. Dies berücksichtigt die Acceptable-Ads-Initiative nicht“, sagt ZEIT ONLINE Chefredakteur Röpke. Er würde einen Dialog mit Anbietern solcher Programme begrüßen, „um über realistische Vorgaben und Ziele zu sprechen“.

Katharina Borchert

Ähnlich sieht man es bei SPIEGEL ONLINE. Borchert findet die Diskussion über akzeptable Werbeformate wichtig, „aber die 'Acceptable Ads' von Adblock Plus würden viel zu kurz greifen. Von Werbung genervte Nutzer einerseits, die Notwendigkeit, Inhalte zu finanzieren, andererseits: Dieser Konflikt lasse sich nur lösen, wenn beide Seiten Verständnis füreinander entwickeln und sich aufeinander zubewegen. „Die Branche muss den Wildwuchs an wirklich nervigen Werbeformen eindämmen, mit denen sich aus meiner Sicht auch Werbetreibenden keinen Gefallen tun. Aber die inhaltliche Vielfalt im Internet wird nur erhalten bleiben oder idealerweise noch ausgebaut werden, wenn sie auf Dauer – auch durch Werbung – finanzierbar bleibt“, so Borchert.

Relevanz als Stellschraube

Viele Diskussionen zu Werbeformaten und Werbeakzeptanz wurden durch den Publisher-Aufruf angestoßen. „Das schlechte Image und die miserablen Klickraten von Standardbannern liegen ja nicht nur an deren visueller Aufdringlichkeit, sondern auch an der mangelnden Relevanz. Sobald Relevanz und Kontext dazukommen, wird es spannend – gerade weil das Gros der Internetnutzer gelangweilt von Standardwerbeformen ist“, sagt Matthias Harbeck, Geschäftsführer Kreation bei Serviceplan Campaign.

Matthias Harbeck

Mit "Menschenrechte kann man nicht blockieren" hatte Serviceplan die Idee das Blockieren/Nicht-Blockieren-Können inhaltlich für eine Amnesty-International-Kampagne aufgegriffen. Am Tag der Menschenrechte nutzte die Agentur dabei eine Mediafläche, die es eigentlich gar nicht gibt: Das Amnesty-Banner wurde als Hintergrundbild an exakt der Position platziert, an der sich die regulären Werbebanner befinden. User mit aktiviertem Werbeblocker sahen statt der üblichen Skyscraper-Werbung den Hintergrund, also das Amnesty-"Banner". Die Klickrate lag bei über zehn Prozent, bei rund einer Million Ad Impressions. Doch diesen Bezug auf die Adblock-Mechanik kann man laut Harbeck schwer auf andere Produkte oder Dienstleistungen übertragen: „Man nimmt es einer kommerziellen Marke eher übel, wenn sie sich trotz Adblocker in die Aufmerksamkeit schmuggelt.“

Jens Ihlenfeld

Diskussion bleibt offen

Wohin die Reise geht, bleibt also offen. Die Diskussion um die Akzeptanz von Online-Werbung und die Finanzierung von Inhalten ist neu befeuert. Auf Publisher- und Vermarkterseite zeigt man sich gesprächsbereit, das hat nicht nur der Aufruf gezeigt. Wie Adblock-Plus-Chef Faida bestätigt, interessieren sich in jüngster Zeit neben den Publishern verstärkt Vermarkter und Ad Networks für die Acceptable-Ads-Initiative. Mit mehreren Vermarktern stehe man kurz vor einer Zusammenarbeitserklärung, so Faida. Auch die Nutzer scheinen die Thematik zu reflektieren. „Wir beobachten, dass viele Leute auf den Appell reagieren und Adblocker abschalten. Besonders markant war dies in den Tagen unmittelbar nach dem Aufruf. Bleibt abzuwarten, wie nachhaltig es ist“, sagt Golem.de-Geschäftsführer Jens Ihlenfeld. 

Bild Karsten Zunke Über den Autor/die Autorin:

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