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Warum Publisher Cookies vermissen würden

Stephan Noller, 4. April 2013

Neben den vielen kritischen Meldungen zu Mozillas Ankündigung, in Zukunft sogenannte 3rd Party Cookies zu blocken, gab es in den letzten Tagen auch solche, die darin eine Chance erkennen wollten. Insbesondere seitens der Publisher wurde geäußert, dass sie auf diesem Wege die Kontrolle über Ihre Website zurückerlangen könnten. Ebenfalls war die Rede vom Ende der Crap-Werbung und einer Rückkehr zum ‚Native Advertising’ etc. Natürlich wurden auch Vorteile für User hervorgehoben, die nun nicht mehr von Dritten getracked würden. Ich aber glaube nicht, dass Mozillas neue Strategie zu positiven Effekten für Publisher führen oder gar die Werbung verbessern wird – das genaue Gegenteil wird eintreten!

Versetzen sie sich in die Lage eines Marketingmanagers bei einem Konsumgüterhersteller, der ein neues Produkt in den Markt einführen will. Natürlich muss er im Internet werben – bestimmte Zielgruppen wird er nur noch dort ausreichend finden. Sein Werbekonzept besagt, dass er die gewünschte Zielgruppe – also z. B. Frauen im Alter von 18–29 Jahren – in der vierwöchigen Launchphase des Produktes mit mindestens vier Kontakten erreichen muss. Ein TV-Mediaplaner muss angesichts einer solchen Aufgabe nur müde lächeln und ein paar Anrufe tätigen. Beim Online-Mediaplaner sieht das ganz anders aus, denn das Internet hat immer noch erhebliche Probleme, derartige Anforderungen zu erfüllen. Dafür gibt es verschiedene Gründe, vor allem sind es Scale, Audience und Measurement/Quality:

Das Scale-Problem entsteht durch die viele höhere Fragmentierung des Internets. Es gibt Tausende von Publishern anstelle von ein paar wenigen und die User können aus einer Fülle von Websites ihr tägliches Portfolio zusammenstellen oder einfach per Google suchen. Das Ergebnis sind fragmentierte Audiences, die sich in einem sehr hohen Anteil aus Usern zusammensetzen, die auf einer typischen Website nur einen oder zwei Kontakte verursachen. Außerdem gilt: Je höher der Search-Anteil, desto höher der Anteil der One-Click Visitors. Diese zu geringe Kontaktintensität ist aber eines der größten Probleme, wenn immer mehr TV-Budgets nach Online umgeshiftet werden. Und genau das passiert zurzeit, weil die Zielgruppen dorthin abwandern. Für Performance-Kampagnen ist das Problem weitgehend irrelevant. Wenn ich allerdings einen User nicht zum Klicken, sondern zum späteren Kauf im Supermarkt anregen möchte, ist die Kontaktdosis von entscheidender Bedeutung, denn sonst wird der User sich einfach nicht an mein Produkt erinnern.

Kommen wir zum Audience-Problem. Der Marketingmanager möchte eine klar definierte Zielgruppe erreichen, nämlich Frauen von 18–29. Bis vor Kurzem wurde ihm diese Zielgruppe im Internet so angeboten, als handele es sich bei Websites ausschließlich um elektronische Zeitungen Man versuchte, bestimmte Channel-Umfelder zu identifizieren, die verstärkt von Frauen im Alter von18–29 besucht werden und platzierte entsprechend Werbung.

Ein relativ ungenauer Ansatz, wie man weiß, denn wenn man solche Umfelder mit ausreichend Reichweite zusammenstellt, werden immer eine Menge User dabei sein, die nicht in die Zielgruppe gehören. Viele Frauenmagazine zum Beispiel haben mehr männliche als weibliche User. Außerdem sind Umfelder im Internet viel unstabiler, weil ein einziger Artikel über Verlinkungen in Suchmaschinen und im Social Web plötzlich völlig andere Zielgruppen anziehen kann usw. Hinzu kommt, dass jeder Publisher seine Channels anders definiert. Für unseren Marketingmanager ist es also extrem schwierig, seine Zielgruppe nach einem einheitlichen Standard über viele Websites hinweg anzusprechen.

Sie werden jetzt vielleicht vermuten, das oben geschilderte Beispiel sei konstruiert um Data Driven Advertising zu verteidigen. Tatsächlich ist es so, dass der bei Weitem größte Teil der Gesamtwerbeausgaben noch immer nach zwei Dimensionen geplant und ausgegeben wird: Reach und Frequency. Wobei Reach üblicherweise meint: „in einer definierten Zielgruppe“. Die dazu passende Metrik ist der GRP. Wir reden also über große Advertising-Budgets und große Chancen für das Internet – allerdings nur dann, wenn es genauso planbar gemacht wird wie TV. Wir müssen also Scale liefern, hohe Kontaktdosen in der richtigen Zielgruppe. Und das natürlich in einer standardisierten, einfach buchbaren Form.

Derzeit ist das Internet dazu noch nicht in der Lage. Und interessanterweise müssen wir hier von einem Mangel an Supply sprechen – wenngleich Over-Supply üblicherweise als Problem von Internetwerbung angesehen wird ... Aber wir stehen kurz vor einem Durchbruch, denn es gibt inzwischen Technologien die alle genannten Probleme lösen und das Internet zu einem faszinierenden Medium für unseren Marketingmanager machen können.

Diese Technologien beruhen auf Tracking-Daten, realisiert mithilfe von Cookies. Mit diesen Daten können Zielgruppenmodelle gefüttert und standardisiert über viele Publisher hinweg verfügbar gemacht werden. Tracking hilft auch dabei, die nötigen Kontaktdosen zu erreichen, indem User auf verschiedenen Websites identifiziert und mit der gleichen Werbebotschaft angesprochen werden (es hilft übrigens auch die Werbung nach x Kontakten nicht mehr anzuzeigen). Tracking ist nicht zuletzt auch erforderlich, um zu messen, wo und an wen die Werbung ausgeliefert wurde – häufig ergeben sich daraus zusätzliche Erkenntnisse über die Zielgruppe, die für den Advertiser interessant sind und seine Online-Spendings doppelt rechtfertigen.

Derartige Audience-Layer gibt es schon seit einigen Jahren und immer mehr Advertising-Dollars werden so ausgegeben – übrigens auch sehr zum Vorteil der Publisher, die plötzlich an großen Budgets teilnehmen können und höhere Durchschnitts-CPMs erzielen. Viele Zeitungen könnten ihre Online-Investments schon heute ohne Targeted Advertising nicht refinanzieren. Aber es kommt noch besser – die neuesten technologischen Entwicklungen rund um das Thema RTB werden helfen, Reach und Frequency noch viel einfacher zu erzielen und mit wenigen Klicks ähnliche Kontaktdosen aufzubauen, wie es bisher nur TV konnte. Und diverse Initiativen der großen Marktforscher werden helfen, Zielgruppenmodelle unabhängig zu überprüfen. Damit wird auch das Quality-Problem adressiert.

Anstatt alten Zeiten nachzutrauern, sollten Publisher an Programmatic-Premium-Initiativen teilnehmen und ihre zweifellos vorhandenen Assets endgültig in die digitale Zeit überführen.

Und ja – für all das brauchen wir Cookies oder vergleichbare Möglichkeiten, User über Websites hinweg zu identifizieren und zu tracken. Dabei sei noch deutlich gesagt: Moderne Tracking-Systeme spähen den Nutzer weder aus, noch kennen sie ihn persönlich. Stattdessen setzen sie auf Anonymisierung und zeichnen nur werblich relevante Daten auf, die User lediglich in grobe Segmente einteilen und per Counter zählen, wie oft ein Banner gesehen wurde. Das ist logisch, denn unser Marketingmanager sucht eine Zielgruppe, die Millionen umfasst und nicht einzelne Personen.

Wenn Mozilla dabei bleibt, solche Technologien in Zukunft zu unterbinden, wird das Internet eine zentrale Möglichkeit verlieren, intelligente und gut bezahlte Werbung auszuliefern – ich bin mir nicht sicher, ob die Publisher das rückblickend gutheißen würden.

Bild Stephan Noller Über den Autor/die Autorin:

Stephan Noller, Jahrgang 1970, ist Gründer und CEO der nugg.ad AG, Anbieter für digitales Zielgruppenmarketing. Als Chief Executive Officer verantwortet er die konstante Entwicklung und strategische Ausrichtung der nugg.ad Lösung am Markt. Seit 2010 ist nugg.ad eine Tochter von Deutsche Post DHL.Neben seiner Tätigkeit bei nugg.ad bekleidet Noller seit 2009 den Posten als Chairman des Policy Committee beim IAB Europe, dem europäischen Internet-Dachverband in Brüssel. In dieser Funktion vertritt er die Interessen der Industrie vor politischen Gremien auf europäischer Ebene.

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