Verlage entwickeln individuelle Konzepte für die Social Media Integration
Matthias Lotzin, 2. April 2013Die Verlage haben keine Wahl, sie können Social Media nur als Chance begreifen. Als Chance, sich selbst im Netz zu positionieren, mehr Traffic und Besucher auf die Webseiten der verlagseigenen Titel zu bringen, die Leser-Blatt-Bindung zu vertiefen, Käufer für die an Auflage verlierenden Printprodukte und den digitalen Content zu gewinnen: Wer nicht mitmacht und das nicht versucht, hat verloren. Also machen alle mit.
Wie aber sind Verlagshäuser, die eine Vielzahl von Titeln publizieren, beim Thema Social Media organisatorisch aufgestellt? Sind für die Social-Media-Aktivitäten – und auch für SEO – zentrale, eigens dafür geschaffene Units zuständig? Oder kocht da jeder Titel sein eigenes Süppchen? Machen alle in der Redaktion ein bisschen Facebook und Twitter oder gibt es dafür spezielle „Sozialarbeiter“?
Social Media bei Gruner + Jahr: Auf die Größe kommt es an
Bei Gruner + Jahr, so Unternehmenssprecherin Suntka von Halen, liege „die Verantwortung für Social-Media-Maßnahmen für einzelne Titel sowohl in den Verlagsgruppen, zumeist dort in den Redaktionen, als auch im Product Management der neugegründeten G+J Digital GmbH“ des Hamburger Verlagshauses. Gleiches gelte für die SEO-Aktivitäten. Je nach Größe der Titel seien es dann innerhalb der Redaktionen und der neuen Digital-Unit „einzelne Professionals oder auch Teams, die die Markenauftritte innerhalb von Social-Media-Netzwerken verantworten.“
Inga Leister ist als Redaktionsleiterin Brigitte Digital für alle Internetangebote der Frauenzeitschrift verantwortlich. Dazu zählen die Webseiten Brigitte.de, Brigitte-woman.de, Bym.de und das Mode- und Beauty-Blog StyleNotes.de. Die Hauptmarke Brigitte.de ist auch bei Facebook, Twitter, Google+ und Pinterest vertreten. „Die Betreuung unserer Accounts“, so Inga Leister, „übernimmt weitestgehend unsere Social-Media-Redakteurin.“ Die übrigen Redakteure würden „punktuell eingebunden.“ Die Social-Media-Redakteurin sei seit April 2012 dabei, eine SEO-Redakteurin gebe es bei Brigitte Digital seit Februar 2011.
Was die Facebook-Auftritte von Brigitte auszeichne, sei nicht „unbedingt nur ihre Größe.“ Die Seiten haben laut Leister „sehr aktive Nutzerinnen – Interaktivität spielt hier eine sehr große Rolle. Wir kriegen super viel Feedback, das sind keine Karteileichen.“ Besonders viel Feedback bescherte Brigitte im November 2012 ein launiger Artikel mit dem Titel: „Erwachsene Männer, die Skateboard fahren: Steig ab, Mann!“ In der kurzen Glosse lästerte eine Autorin über skatende Männer jenseits der 25 – und entfesselte einen 1A-Shitstorm.
Inga Leister bekennt: „Wir hatten schon Erfahrungen mit dem Thema ,Shitstorm‘ gemacht, aber das Ausmaß hat uns dann doch überwältigt.“ Es habe sich dabei „als absolut notwendig erwiesen, dass wir eine Social-Media-Redakteurin haben.“ Zudem habe das Ganze „uns in großem Ausmaß gezeigt, dass wir unsere Social-Media-Aktivitäten sehr gut organisieren müssen, um auf so etwas konkret vorbereitet zu sein.“ Man habe daraufhin „eine noch stärkere Vernetzung zu Social-Media-Verantwortlichen im gesamten Verlag aufgebaut, und zum anderen eine Art Krisenfahrplan für den Umgang mit solchen Vorfällen erstellt.“
Social Media bei Falkemedia: Die Redakteure sind am Content-Ball
Das Kieler Verlagshaus Falkemedia ist vor allem für Apple-Zeitschriften wie Mac Life bekannt, publiziert zudem Magazine zu den Themen Fotografieren (DigitalPhoto) und Kochen (LandGenuss, So is(s)t Italien). Markus Wenzel leitet die Abteilung Business Development Digital in der Falkemedia Digital GmbH. Social Media ist für Wenzel ein „Must-have“, insbesondere auch hinsichtlich „der Traffic-Zufuhr auf unsere Websites“. Gerade jüngeren Leuten seien nämlich „oft die Facebook-Auftritte unserer Titel bekannt, aber nicht die Webseiten“.
„Wir haben derzeit 15 Facebook-Auftritte von Printtiteln“, erzählt Wenzel. Nicht alle Titel würden auch über einen eigenen Twitter-Account verfügen, das sei in der „allgemeinen Relevanz noch nicht so wichtig und daher kein Key-Kanal, den wir regelmäßig bespielen“. In der Digital-Unit gebe es eine Online-Marketing-Abteilung – aber „niemanden, der sich in Vollzeit um Social Media“ kümmere. Für SEO sei die Technikabteilung des Verlags zuständig, die auch die Webseiten programmiere.
„Wir haben sehr viele Redakteure“, so Wenzel weiter, „die autark arbeiten und unsere Social-Media-Auftritte mit Content bestücken“. Die Chefredaktionen der einzelnen Titel würden die jeweiligen Social-Media-Maßnahmen planen und auch organisieren, wie diese umgesetzt werden. Etwas anders sehe es bei Marketingsonderaktionen aus, dann sei die Marketingabteilung federführend.
Wie das Zusammenspiel von Redaktion und Online-Marketing in der Praxis aussieht, berichtet Julia Stary. „Wir haben mehrmals täglich Redaktionsübergreifende Brainstorming-Runden“, so die Volontärin in der Marketing-Unit. Daran könne „jeder teilnehmen und Vorschläge und Ideen einbringen, der mit dem Thema Social Media befasst ist“. Der Großteil „des Inputs kommt aus den Redaktionen“, so Stary, aber auch ihre Abteilung habe „alle Social-Media-Auftritte im Blick“. Wenn dann beispielsweise jemanden aus ihrem Team auffalle, dass die „letzten fünf Postings bei LandGenuss Rezepte waren, schlagen wir vor, mal was anderes zu machen“.
Social Media bei Hubert Burda Media: Zentrale Unit, aber nicht für alle Marken
Im Medienkonzern Hubert Burda Media gibt es seit März 2012 eine Tochterfirma namens Burda Intermedia Publishing GmbH, die sich um zahlreiche Websites von Burda-Titeln und die dazugehörigen Social-Media-Aktivitäten kümmert. Die Abteilung entwickelt zudem unter anderem auch Apps und produziert Fernsehformate wie die Bambi-Preisverleihung. Verena Schoy, Senior Manager Social Media & Commerce, erklärt: „Die Burda Intermedia Publishing hat sowohl eine eigene Social-Media-Unit als auch ein Team, das sich um zentrale SEO-Maßnahmen der von uns betreuten Marken kümmert.“ Beide Teams würden aus je drei Mitarbeitern bestehen und sind unter anderem für die Titel Elle, InStyle, Freundin, Bunte, Cover und SUPERillu sowie einige „online-only Angebote“ zuständig. Da es beim Thema Social Media „zahlreiche Berührungspunkte mit anderen Einheiten“ gibt, arbeitet man „hier eng mit der Redaktion, der Technik sowie der Vermarktungsabteilung zusammen“.
Unter einer anderen Flagge in der Burda-Unternehmensstruktur, die Wikipedia als „komplex“ bezeichnet, segelt Burdas Technik-Marke Chip. Die Zeitschriften der Chip-Familie erscheinen in der Chip Communications GmbH, den digitalen Auftritt verantwortet die Chip Xonio Online GmbH. Katrin Lutz ist Produktmanagerin Community bei Chip Xonio Online. Dort gibt es seit 2006 eine eigenständige Abteilung „Social und Community“, wie Lutz erzählt. „Unsere Abteilung kümmert sich schon seit Jahren um unsere Community auf Chip.de mit 2,5 Millionen Nutzern.“ Für ihre Unit sei es daher natürlich gewesen, „auch unsere Social-Media-Auftritte in unsere Abteilung aufzunehmen und uns neben den bestehenden Community-Managern mit Social-Media-Managern aufzustocken.“ Derzeit bestehe die Abteilung aus sechs Vollzeitangestellten, eine „starre Trennung zwischen Social-Media- und Community-Managern“ gebe es nicht. „Jeder von uns“, so Lutz, „kann prinzipiell mit allen Plattformen umgehen“. Nur für Suchmaschinenoptimierung sei ihre Unit nicht zuständig, dafür gäbe es eigens einen SEO-Experten.
Social Media ist nach Einschätzung von Katrin Lutz „als langfristiges Gesamtkonzept zu sehen, dass uns Traffic, Monetarisierungsmöglichkeiten und vor allem die Möglichkeit der Userbindung durch Nutzerkommunikation bietet.“ Der Schwerpunkt der Social-Media-Aktivitäten liege zurzeit auf Facebook, wo Chip „zehn thematische Fanpages“ habe, sowie auf YouTube, Google+ und Twitter. Für die Veröffentlichung von Inhalten auf den Social-Media-Plattformen sei – in Absprache mit der Redaktion – ihr Team zuständig. Lediglich die Facebook-Hauptseite wird laut Lutz derzeit von einem Social-Media-Redakteur befüllt, der in der Chip-Redaktion angesiedelt ist.
Social Media bei Motor Presse Stuttgart: Auf Teamwork umgestellt
Der Special-Interest-Verlag Motor Presse Stuttgart, an dem Gruner + Jahr 56,5 Prozent hält, bringt in Deutschland 27 Zeitschriften heraus. Die bekanntesten sind Auto Motor und Sport und Men‘s Health. Tim Ramms, Leiter der Abteilung Digitale Medien im Geschäftsbereich Automobil, skizziert die Verlagsstruktur: „Die Motor Presse Stuttgart ist dezentral organisiert, es gibt mehrere Geschäftsbereiche.“ Etwas anders sehe es in der Digitalsparte aus. Dort „gibt es zwei Bereiche“, so Ramms: „Einen für den Bereich Automobile, also alles, wo Benzin verbrannt wird, und einen für den Bereich Sport und Freizeit, wo Eiweiß verbrannt wird.“ Seine Abteilung existiere seit rund vier Jahren, sie bestehe aus sechs Personen.
Die Digital-Unit für Sport und Freizeit sei „etwas kleiner“, das Team dort werde seit rund einem Jahr aufgebaut. Sein Benzin-Team betreue „derzeit acht Websites und deren mobile Varianten, wir haben zudem sechs Facebook-Auftritte und vier Twitter-Accounts“. Der Fokus liege „auf Auto Motor und Sport, das ist unser größter Traffic- und Umsatzbringer“. Doch Social Media ist für Ramms nicht nur „Traffic-Quelle, sondern auch die Chance, sich auf Augenhöhe mit dem User auszutauschen und ihn zu informieren“. Für die Social-Media-Aktivitäten sei in der Vergangenheit der SEO-Experte im Team zuständig gewesen, der seit rund vier Jahren zur Mannschaft gehöre. Vor rund einem halben Jahr habe sich die Arbeitsweise aber geändert.
„Wir haben wir damit begonnen, unsere Online- und auch die Printredakteure ins Spiel zu bringen“, berichtet Tim Ramms. Die Redakteure hätten angefangen, bei Facebook Artikel zu posten, etwa zu einer Lamborghini-Neuvorstellung in Florida, bei der sie vor Ort waren. „Solche Berichte“, so Ramms, „lösen noch mehr Interaktion aus als beispielsweise Videos, mit denen wir auch schon viele Links und Kommentare kreieren“. Auf den Webseiten würden solche Themen dann weiter ausgeführt. Ebenfalls vor einem halben Jahr sei dann eine Studentin zum Team gestoßen. „Sie übernahm die Konzeption der Social-Media-Maßnahmen und diente den Redakteuren als Ansprechpartnerin. Außerdem hat sie bei uns ihre Bachelorarbeit geschrieben“, erzählt Ramms. Die Frau muss einen Superjob abgeliefert haben, denn sie stößt nun, so Ramms, als Produktmanagerin Social Media fest zum Team.
Social Media – Experimente mit Chance auf Erfolg
Alle machen es, und alle machen es irgendwie etwas anders. „Social Media als unternehmerisches Instrument“, so Agnieszka Zyluk, Referentin bei der Weiterbildungseinrichtung VDZ Akademie des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger, sei eben „ein relativ junges Thema, das betrifft nicht nur Verlage, sondern auch andere Branchen“. Daher habe der Umgang damit „noch einen mehr oder weniger experimentellen Charakter“. Das Bewusstsein für „die Wichtigkeit von Social Media und die Notwendigkeit, adäquate Strukturen aufzubauen“, würde aber stark wachsen. Immer mehr Verlage, so Zyluk, „profitieren bereits stark von den positiven Effekten des Einsatzes von Social Media“.