Private Market Place: Endlich auf Augenhöhe mit Print und TV!
Torben Heimann, 8. April 2013Online-Buchungsmöglichkeiten gehören heute in fast allen Branchen zum Standard. Eigentlich keine Geheimwissenschaft und auch nicht weiter erstaunlich in einer Zeit, in der wir unsere Flüge und Urlaube wie selbstverständlich über das Web buchen und bei Versandhäusern wie Amazon mit nur einem Klick vom Autoradio bis zum Zimmerbrunnen so ziemlich alles bestellen können. Und auch die Medienbranche ist da keine Ausnahme.
So löste die ARD gerade ihr bisheriges Buchungssystem Adonis, das seit zwanzig Jahren seine Dienste tat, durch das Online-Buchungssystem Class ab. Agentureinkäufer können seitdem noch schneller und unkomplizierter TV-Spots disponieren, verschieben oder stornieren. Sie können checken, ob der gewünschte Werbeplatz verfügbar ist und den gesamten Prozess effizient über das Internet abwickeln: also den Auftrag erteilen, die Auftrags- und Sendebestätigungen erhalten.
Buchung und Abwicklung per Mausklick – viel einfacher geht es nicht. Dabei ist die ARD kein Einzelfall. Nahezu die gesamte TV-Werbung lässt sich inzwischen völlig problemlos über Online-Zugänge buchen. Und die Printbranche steht dem nicht nach. Sie hat schon vor Längerem das Buchungssystem OBS entwickelt und damit einen direkten Draht zwischen Agenturen und Zeitschriften- und Zeitungsverlagen installiert. Auch hier ging es darum, den komplexen Buchungsprozess zu vereinfachen und per Mausklick über das Internet abzuwickeln. Für Agenturen ist es inzwischen eine Selbstverständlichkeit, Anzeigen und Beilagen per Online-Übermittlung zu buchen, zu bestätigten, zu ändern oder zu stornieren. Die Verlage wiederum können am Bildschirm bequem und schnell die Aufträge entgegennehmen, bestätigen und weiterverarbeiten.
Erstaunlich ist nur, dass ausgerechnet die Online-Werbung hier nicht mithalten kann und bisher etwas hinterherhinkt. Online-Werbung zu buchen ist tatsächlich in vielerlei Hinsicht der komplizierteste Buchungsprozess unter allen Medienarten. Keine andere Werbeform muss derart viele Steps absolvieren, bei keiner anderen Werbeform spielen antiquierte Übermittlungsmethoden wie beispielsweise die Auftragsbestätigung per Fax noch eine so dominante Rolle. Der Technologieanbieter Nextmark zählte gar über 40 Einzelschritte, bis ein Banner endlich online gehen kann.
Etwa ein Dutzend Stationen muss die Buchung von Online-Werbung tatsächlich durchlaufen, bis das Inventar ausgeliefert ist und endlich auf den Seiten des Publishers erscheint. Der Workflow für Display-Kampagnen ist ein analoger Prozess, bei dem häufig auch noch wegen technischer Probleme hin und her telefoniert werden muss. Und das, obwohl heute nahezu kein Unternehmen mehr bei seinen Marketingmaßnahmen auf Online-Werbung verzichtet. Mit hochgerechnet knapp 6,5 Milliarden Euro erreichten die Online-Werbeinvestitionen in Deutschland im vergangenen Jahr laut OVK einen neuen Höchststand.
Doch eine Lösung scheint in Sicht, in Form der sogenannten Private Market Places. Hierbei handelt es sich um individuell angepasste Plattformen, über die Agenturen für Anzeigenkunden direkten Zugriff auf die Websites der Publisher erhalten und somit ohne Umwege Kampagnen planen, buchen und messen können. Die Private Market Places sind dabei geschlossene Ökosysteme: Ausgewählte Agenturen haben Zugriff auf ausgewählte Publisher-Sites. Bestimmte Voraussetzungen, beispielsweise rechtlicher Art, werden bereits im Vorfeld geklärt, sie spielen im weiteren Verlauf des Buchungsprozesses keine Rolle mehr. Die Agentur kann sich auf den Einkauf konzentrieren, alles andere ausklammern. Die Etablierung der Private Market Places verbindet somit die Vorteile des Real-Time Advertisings mit den Vorteilen der bei den klassischen Medien üblichen Online-Buchung: eine historische Chance gerade für Premiuminventar. Denn durch Private Market Places wird nicht nur die Buchungskette extrem verkürzt, Publisher müssen auch keinen Preisverfall befürchten, sie behalten die Hoheit über ihr Inventar. Display-Advertising befindet sich damit auf Augenhöhe mit TV und Print.
Die ersten Premiumpublisher bieten ihr Inventar Werbungtreibenden und Agenturen bereits automatisiert in solch geschlossenen Systemen an. Die Mechanik des Real-Time Advertisings (RTA) wird dabei als wichtiger Bestandteil einer ganzheitlichen und qualitativen Vermarktungsstrategie verstanden. RTA realisiert einen komplementären Zugang zu Qualitätsinventaren und ergänzt die Premiumvermarktung nachhaltig. Das ist ein bemerkenswerter Trend. Insbesondere in Deutschland ist zu beobachten, dass Premiumpublisher ihr Inventar zunehmend automatisiert Werbungtreibenden und Agenturen anbieten.
Improve Digital hat dieses Modell in den Niederlanden mehrfach erfolgreich implementiert. Sanoma Media, der reichweitenstärkste Publisher, hat – basierend auf der Improve-Digital-Technologie – seinen eigenen Private Ad Exchange konzipiert. Die neue, automatisierte Handelsplattform für die über 100 Sanoma Media Portfoliowebsites heißt ADAPT und bietet den Werbungtreibenden neben Standardbuchungen auch datengetriebene Retargetingmodelle für Performance- und Premiumkampagnen. Diese Exchange-Plattform könnte mit ihrer technischen Ausgereiftheit auch Vorbild für den deutschen Markt sein. Denn mit Programmatic Buying werden auch hierzulande schnell die Vorteile des automatisierten Zugangs zu qualitativ hochwertigem Premiuminventar genutzt.
Damit schon bald auch Online-Brandingkampagnen nach den Regeln des Programmatic Buying gebucht werden, arbeitet die Branche bereits an allgemeingültigen Standards. Hier ist bereits einiges in Bewegung. Die AGOF beschäftigt sich mit dem Thema Standards und standardisierter Datenaustausch. Im BVDW arbeitet man an einer trennscharfen Definition der Begriffe Real-Time Bidding, Real-Time Advertising, Programmatic Buying und Programmmatic Selling. Improve Digital gehört dabei zu den Initiatoren des Real-Time Advertising Labs, in dem alle relevanten Marktakteure zu diesen Themen an einem Tisch sitzen: Agenturen, Publisher, Spezialdienstleister, Technologieanbieter und Vermarkter. Es geht neben Standards um Rahmenbedingungen, Richtlinien und Markttransparenz. Das ist wichtig, denn klar ist: Die Zukunft erfolgreicher Online-Werbung, gerade im Wettbewerb mit TV und Print, ist eng mit Real-Time Advertising und den Privat Market Places verbunden.
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