„Brand Advertiser wollen programmatisch, aber nicht unbedingt über Real-Time Bidding einkaufen“
Jens von Rauchhaupt, 15. April 2013Der Hamburger Bewegtbildvermarkter smartclip macht mit der neu angekündigten SmartX-Plattform die Bewegtbildwerbung fit fürs Real-Time Advertising. Advertiser erhalten mit dem von smartclip selbst entwickelten Marktplatz einen automatisierten Zugriff auf das Videoinventar der smartclip Partner. Smartclip versteht die SmartX-Plattform als eine Video Ad Exchange, womit die Publisher Private Exchanges für InStream-Videowerbung aufbauen sollen. Im ADZINE Interview erläutert Roland Schaber, Mitbegründer und COO von smartclip, warum Brand Advertiser programmatisch, nicht aber unbedingt auktionsbasiert einkaufen wollen.
Adzine: Herr Schaber, kurz vorweg: Sie befinden sich gerade in Gütersloh, wieso jetzt Gütersloh? Smartclip hat doch seine Zentrale in Hamburg?
Roland Schaber: Ich besuche hier unser Gütersloher Office. Als wir seinerzeit mit smartclip international expandierten, war uns schnell klar, dass wir die Bereiche Ad Operations und Trafficking zentral für ganz Europa von einem Ort aussteuern wollen. Da zur selben Zeit Lycos gerade in Gütersloh seinen Betrieb einstellte, konnten wir hier viele gute Leute übernehmen. Inzwischen ist Gütersloh mit 30 Mitarbeitern ein bedeutender Standort für uns. Es ist auch ein Produkt- und Entwicklungsstandort für neue Ad-Technologien wie zum Beispiel unsere SmartX-Plattform.
Adzine: Die neue smartclip Exchange für Videowerbung. Ist denn in Deutschland der Markt für den automatisierten Einkauf von Videowerbung schon so weit?
Schaber: Die Nachfrage der Agenturen und Direktkunden steigt. Noch ist der Umsatz, der bei Video über Programmatic Buying läuft, sehr überschaubar. Das Meiste wird noch bei uns über unser Direct Sales Team eingebucht, bei dem der Kunde für eine spezifische Kampagne garantierte Impressions haben will. Aber bei den Trading Desks der Agenturen und den Direktkunden gibt es vermehrt den Wunsch nach dem programmatischen Einkauf.
Adzine: Wo sehen Sie die Gründe?
Schaber: Die Einkäufer wollen die Buchungsprozesse vereinfachen und nicht mehr Auftragsbestätigungen hin- und herschicken. Und sie wollen gezielt einzelne Nutzer auf Basis ihrer eigenen Daten ansprechen.
Adzine: Was bringt das gerade für die Bewegtbildwerbung an Vorteile?
Schaber: Die Werbetreibenden können ja mit Online-Videowerbung die Reichweite bei den typischen „Wenigsehern“ erhöhen oder die Personen erreichen, die man im klassischen Fernsehen noch nicht in ausreichender Kontaktzahl ansprechen konnte. Das ist oft das Ziel einer Multi-Screen-Videokampagne, die über uns kommt. Der Kunde verfügt bereits über User-Profile und Cookies. Mit der neuen Exchange ermöglichen wir über eine programmatische Schnittstelle einen weiteren Zugang zu unserem Inventar. Bisher war Premiumvideoinventar so nicht für den Mediaeinkauf verfügbar.
Adzine: Warum jetzt eine „Private“ Exchange und keine Exchange?
Schaber: Es soll weiter im Ermessen der Publisher liegen, welche Einkaufsformen sie für ihr Inventar zulassen und welches Inventar sie in der Exchange freigeben wollen. Videocontent ist teuer, ein hohes Gut. Im Unterschied zu Display ist Video-Content nicht quasi unlimitiert vorhanden. Es geht also um die höchste Auslastung und wie der Publisher seine TKPs schützen kann. Im Grunde genommen wollen wir den Yield für den Publisher optimieren. Das ist Sinn der Plattform. Die Plattform ermöglicht die volle Kontrolle darüber, wer auf welches Inventar bieten darf und welche Mindestpreise und Business-Rules gelten.
Adzine: Welche Auswirkungen hat das auf die Preise bei smartclip?
Schaber: Man kann sagen, dass unser eigenes Vertriebsteam, das wir in vielen Ländern auf der Straße haben, den Floor-Preis festlegt. Damit ein Einkäufer Videoinventar bei uns bekommt, muss er schon höher bieten als das, was das Vertriebsteam direkt verkauft.
Adzine: Werden denn die Publisher, die smartclip als Videozweitvermarkter einsetzen, über die neue Exchange wirklich höhere Preise für ihren Content erzielen können?
Schaber: Es wird sich zeigen, wie sich das entwickelt. Ich glaube daran. Wenn der Werbekunde auf individuelle Nutzer bzw. individuelle Impressions bieten kann, ist hier für den Publisher auf jeden Fall ein Uplift möglich.
Adzine: Wie schätzen Sie den Wettbewerb ein?
Schaber: Unternehmen wie adap.tv oder spotexchange mögen international erfolgreich sein, allerdings verfügen diese Anbieter nicht über deutsches bzw. europäisches Videoinventar. Wir sind in Europa groß geworden und arbeiten hier mit über 700 Publishern exklusiv oder als Zweitvermarkter exklusiv zusammen.
Adzine: Welche Einkaufsplattformen haben bereits auf die SmartX-Plattform Zugang?
Schaber: Wir sprechen gerade mit allen vier, fünf großen DSPs sowie den Agenturen mit eigenen Trading Desks. Dazu werden wir in Kürze mehr sagen können.
Adzine: Für welche Formate kann denn nun über die SmartX-Plattform programmatisch eingekauft werden?
Für die InStream-Formate Pre-, Mid- und PostRolls. Mobile Video und Connected TV werden dann folgen. InPage-Formate gehören nicht dazu. Es ist nicht unser Ziel, mit Display SSPs wie zum Beispiel einer Rubicon zu konkurrieren.
Adzine: Ist Real-Time Bidding für Videowerbung technisch komplexer als für normale Displaywerbung?
Schaber: Nein, das ganze Handling der unterschiedlichen Video-Creatives und der unterschiedlichen Codecs ist unabhängig von der Ad Response im RTB-Prozess. Der Bidding-Prozess wird dadurch überhaupt nicht beeinflusst, weil wir zunächst den Bid Request zur Impression weitergeben. Erst nach der Bid-Entscheidung stellen wir sicher, dass das passende Creative in dem Player des Publishers korrekt ausgeliefert wird.
Adzine: Können Advertiser mithilfe der SmartX-Plattform über die Werbeträger hinweg aufeinander abgestimmte Werbemittel ausliefern, Stichwort Storytelling?
Schaber: Ja, wir finden den User überall in unserem Netzwerk wieder und können dann zum Beispiel einen Follow-up auf den ersten Spot ausliefern. Das ist möglich. Über alle Plattformen hinweg, also geräteübergreifend von Desktop auf Mobile und Smart-TV ist das bisher nur begrenzt möglich, aber wir arbeiten daran.
Adzine: Würden Sie sagen, Real-Time Bidding ist für Branding-Kampagnen einsetzbar?
Schaber: Ja das ist es. Aber wenn man mit der Einkaufsseite spricht, stellt man fest, dass viele gar kein richtiges Real-Time Bidding wollen. Brand Advertiser wollen programmatisch, aber nicht unbedingt über Real-Time Bidding einkaufen.
Adzine: Was bedeutet das genau?
Schaber: Im Branding wollen zwar alle mit den Inventarquellen über das OpenRTB-Protokoll verbunden sein, um dynamisch antworten zu können. Richtiges „Real-Time Bidding“ wie im Performance-Marketing wollen sie aber noch nicht. Die meisten wünschen sich garantierte Impressions und fixe TKPs. Im Branding werden wir daher verschiedene Modelle wie zum Beispiel Deal-IDs anbieten.
Eine Deal ID – auch Direct Deal genannt – wird zwischen einem Publisher oder Vermarkter auf der Verkäuferseite und einem Buyer (Agentur, Trading Desk oder direkter Advertiser) auf der Einkäuferseite geschlossen. Sie ist sozusagen das automatisierte Äquivalent der herkömmlichen Direktbuchung.
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Adzine: Was sind Deal-IDs?
Schaber: Für Branding ist es unglaublich wichtig, dass die Zeiten eingehalten werden. Wenn zum Beispiel Procter & Gamble parallel zum TV-Flight eine dreiwöchige Bewegtbild-Kampagne startet, dann wollen sie sichergehen, dass in diesem Zeitraum eine gewisse Anzahl an garantierten Impressions erreicht wird. Im Performance Advertising kann man die Werbekontakte beliebig nachholen, im Branding nicht. Bei der Deal-ID übergeben wir eine ID im Bid Request, sodass nur ein bestimmter Advertiser „privat“ auf diese Impression bieten kann. Das ermöglicht es uns für, Brandingkunden Impressions zu festen Konditionen zu garantieren.
Adzine: Herr Schaber, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.
Veranstaltungstipp: Über die Besonderheiten beim Programmatic Buying im Video Advertising wird Patrick McClellen, Chief Technology Officer von smartclip, auf der Adtrader Conference am 18. April einen Überblick geben.
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