Retargeting - Auf der Suche nach Daten und gleichberechtigten Partnern
Steffen Kai, 14. Februar 2013Nahezu alle Online-Händler wissen, wie effizient das gezielte Wiederbewerben potenzieller Kunden sein kann. Nach zögerlichem Start kam es zunächst zu einem übertriebenen Einsatz von Retargeting Maßnahmen. Vielen Nutzern war diese Art der Werbung zu aufdringlich. Inzwischen beherrschen gut beratene Advertiser die richtige Dosierung. Im Zusammenspiel mit anderen Online-Marketing-Maßnahmen, neuen Datenzugängen und dynamischem Mediaeinkauf hat Retargeting einen festen Platz im Online-Mediamix eingenommen.
Nicht nur die Einsatzfelder haben sich verändert, sondern auch die Werbeformen und die Retargeting-Ansätze. So wird Retargeting auch innerhalb von Display-Kampagnen für die Kontaktauffüllung eingesetzt, um eine optimale OTS (Opportunity To See) für eine Kampagne zu gewährleisten. Im Unterschied zum klassischen Retargeting, bei dem der Seitenbesucher ein Retargeting-Cookie erhielt, wird der User in diesem Fall hier erstmalig mit dem Werbemittelkontakt markiert und dann im Verlauf mit personalisierten Werbemitteln erneut angesprochen. Nicht nur Standardformate transportieren personalisierte Inhalte, in nahezu allen Werbeformen – auch in kombinierten Video Ads – sind personalisierte Inhalte integrierbar. Retargeting hat zudem die Social-Media-Portale wie Facebook erreicht. Mit der Facebook Exchange (FBX) bietet Facebook den Advertisern die Möglichkeit, Retargeting Ads in Echtzeit, mittels Real-Time Bidding als Facebook Ad zu platzieren.
Aber Retargeting ist eben nicht gleich Retargeting: Durchdacht eingesetzt, gewährleistet personalisierte Online-Werbung zuverlässig hohe Klick- und Konversions-Raten – durchschnittlich zehnmal höhere als im Vergleich zu nicht personalisierter Werbung. Retargeting ohne Konzept und nach dem Prinzip „Viel bringt viel“ ist kontraproduktiv und führt eher dazu, dass das Userinteresse stark abnimmt. Im schlimmsten Fall hat das negative Auswirkungen auf das Image des Advertisers. Zwar ist ein Opt-out mittlerweile selbstverständlich und der User hat die Möglichkeit, sich von nervender Werbung auszuschließen, dennoch sollte es der Anspruch jedes Advertisers sein, dass die Nutzer diesen letzten Schritt nicht gehen müssen, um sich vor einem Zuviel zu schützen. Für die Verantwortlichen nicht nur eine große Herausforderung, sondern vor allem eine große Chance.
Qualität statt Quantität: Daten machen den Unterschied
Kernaufgabe eines guten Retargeting-Anbieters ist eine tief greifende Analyse des Online-Shops oder der Kundenwebsite. Erst dann lassen sich im engen Dialog mit dem Werbetreibenden geeignete und usergerechte Cross- und Upselling-Kampagnen entwickeln, was wiederum eine Verlängerung der Costumer Lifetime Value zur Folge hat. Was dabei usergerecht ist, zeigt die Analyse generierten Userdaten. Das Wissen um Useraktivitäten und ihre Affinitäten auf dem Portal ermöglicht zielgruppenoptimierte, personalisierte Werbeeinblendungen. Zusätzliche Kenntnisse über das Mediaumfeld ermöglichen, diese Werbungen zeitoptimal und in richtiger Kontaktdosis zu platzieren oder Umfelder mit bestimmten Inhalten von der Auslieferung auszuschließen.
Das optimale Zusammenspiel zwischen den beiden Säulen potenziert die Performance und wirkt negativen Imagewirkungen und Streuverlusten entgegen. Grundsätzlich gilt, je mehr Informationen zum Nutzerverhalten vorliegen, desto größer sind die Einsatzmöglichkeiten des Retargetings. Um größtmögliche Effekte zu erreichen, können zuvor definierte Maßnahmen mit weiteren eigenen Daten aus dem CRM-Bereich angereichert werden. Für einen Anbieter aus dem Mobilfunkbereich besteht unter Berücksichtigung der CRM-Informationen beispielsweise die Möglichkeit, seine Kunden termingerecht zum Geräte- und Tarifwechsel zu motivieren und ihm genau die Werbung zu zeigen, die aktuell für ihn von Relevanz ist, oder aber diesen von der Bewerbung ganz oder teilweise auszuschließen.
Wenn der User den Nutzen im Werbebanner sofort erkennt, bewertet er die Information auch positiv. Eine ganz einfache Maßnahme zu mehr Qualität ist zum Beispiel der Ausschluss von bereits erworbenen Produkten. Während dieser sehr logische Ansatz von nahezu allen Retargeting-Anbietern inzwischen beherzigt wird, geschieht es hingegen noch immer häufig, dass nicht verfügbare Artikel wochenlang beworben werden.
Nachdem zu Beginn des Retargetings die eingesetzten Werbemittel lange nichts mit dem eigentlichen Markenimage des Advertisers zu tun hatten, hat sich hier ein deutlicher Wandel vollzogen. Die Werbemittel sind nicht mehr nur einfache Transportmittel dynamischer Produktempfehlungen, sondern berücksichtigen das Corporate Design des Advertisers. Dass abwechselnde Motive den Werbeerfolg erhöhen, gilt als nachgewiesen. Doch nur wenn das Werbemittel das Interesse des Nutzers über das im Shop angeschaute Produkt hinaus widerspiegelt, zeigt sich eine deutliche Performancesteigerung. Ein klarer Vorteil ist es, sich das Expertenwissen der Mediaagenturen zunutze zu machen.
Effizienz steigern mit dynamischen Mediaeinkauf per RTB
Da nicht jeder Kontakt mit dem User zielführend ist, hat die Berücksichtigung der Nutzerinteressen erhebliche Auswirkungen auf die Mediaausgaben. Um mehr Effizienz zu erreichen, ist der Mediaeinkauf über Real-Time Bidding (RTB) eine wichtige Säule im Retargeting geworden. RTB bietet die Möglichkeit, die Kontakte mit dem Nutzer gezielt einzukaufen. Dies ist eine Abkehr von der bisherigen Umfeld-Mediaplanung, Dabei wird jede einzelne Ad Impression eines Nutzers separat bewertet und der Bieter mit dem höchsten Gebot erhält in Echtzeit den Zuschlag für die Ad Impression. Userprofilen, die besser zum Angebot des Advertisers passen und eine höhere Kaufaffinität haben, kann dabei mehr Budget zugewiesen werden als den weniger passenden Nutzern. Das gilt insbesondere für die Platzierung der Werbemittel auf hoch gebotenem Premiuminventar, denn hochwertiges Media-Inventar trägt auch im Retargeting zu einem großen Teil zum Erfolg bei. Optimal sollte die Produktempfehlung im Banner genauso zum User passen wie das Umfeld, in dem das Banner ausgeliefert wird.
Die Möglichkeiten der Analyse und Segmentierung für die optimale Platzierung der Werbemittel scheinen unerschöpflich. Die Berücksichtigung der Region, des verwendeten Internetproviders oder des Endgeräts sind dabei nicht neu im Online-Marketing. Retargeting sollte auf die guten Erfahrungswerte aufsetzen, die sich aus dem Sociodemographic-, Geo-, Behavorial-, und Contextual-Targeting ableiten und bewährt haben.
Damit die Werbung nicht auf unangemessenen Websites erscheint, sollten Filter zur Klassifizierung von Inhalten zur Basisausstattung des Retargeting-Anbieters gehören. Auch wenn mit dem Anbieter meist leistungsbasierte Abrechnungsformen auf CPX-Basis vereinbart werden, ist eine Auslieferung im sichtbaren Bereich notwendig, um eine optimale Bewertung der Kampagnen vorzunehmen. Eine Kampagne ist nicht effektiv, wenn die Werbemittel vom User nicht wahrgenommen und dementsprechend nicht geklickt werden.
Zum einen liegen die Herausforderungen im Retargeting in der Erhebung und Zusammenführung der Daten über die beschriebenen Bereiche hinweg. Zum anderen in der Verarbeitung und Analyse der Daten für das automatischen Ableiten von Empfehlungen mit echtem Mehrwert für User und Advertiser.
Retargeting sollte immer ein fester Bestandteil der Gesamtstrategie sein
Retargeting entfaltet nur im Online-Mediamix sein ganzes Potenzial. Der 360-Grad-Blick ist immer notwendig, um alle Maßnahmen wie bspw. Brand, Display, Search, Affiliate und Retargeting in Einklang zu bringen und eine optimale, sich ergänzende Kontaktkette mit dem User entstehen zu lassen. Cross-Channel-Tracking-Analysen der Customer Journey schaffen hier Transparenz und Klarheit. Nicht selten ist der Performancetreiber Retargeting dafür verantwortlich, dass bei Betrachtung nach dem statischen Last-Cookie-Wins-Ansatz – bei dem nur der letzte Kontakt mit dem Nutzer für den eingetretenen Werbeerfolg gewertet wird – Budgetallokationen nicht optimal durchgeführt werden.
Eine optimale Budgetallokation lässt sich ohnehin nur im ganzheitlichen Mediaplanungsansatz, also einschließlich der Berücksichtigung von Offline-Medien, wie TV und Print, erzielen. Die Verlängerung und das Nachhalten von Offline-Kampagnen auf den vergleichsweise „günstigen“ Online-Kanal ist ein sich fortführender Trend, der die Online-Branche vor neue Herausforderungen stellt. Idealerweise findet man einen Anbieter, der alle Disziplinen aus einer Hand anbietet. Einer objektiven Zuweisung des Einflusses der unterschiedlichen Online-Werbemaßnahmen auf die Conversion und damit dem effektiven Einsatz des Werbebudgets stehen so die geringsten Barrieren gegenüber.
Betrachtet man die Trends im Online-Marketing für das Jahr 2013, stehen Retargeting, Targeting und Path-To-Conversion-Analysen ganz oben auf der Trendliste. Die gezielte Ansprache der User rückt noch mehr in den Fokus. Dem User sollen echte Mehrwerte in den richtigen Umfeldern geboten werden. Der nicht unstrittige Weg, auch CRM-Systeme der Werbetreibenden mit intelligenter Retargeting-Technologie zu verknüpfen, um usergerecht und ohne Streuverluste über verschiedenste Kanäle zu werben, wird wohl vorerst nicht zum Tagesgeschäft gehören. Sicher ist jedoch: In Abstimmung mit anderen Mediakanälen ist intelligentes Data Based Retargeting ein sinnvolles Instrument im Online-Mediamix, mit dem das gesamte Mediamixbudget effizient gefördert wird. Die verantwortungsvolle Nutzung von Daten durch Experten bietet darüber hinaus immer mehr Mehrwerte für den User und der Wunsch desselben, sich von unbeliebter Werbung auszuschließen, wird zwangsläufig immer geringer.