BVDW kritisiert Berichtsentwurf zur EU-Datenschutzverordnung
11. Januar 2013Das europäische Parlament hat seine Berichte zur EU-Datenschutzverordnung vorgelegt. Verfasst wurde ein Bericht durch den Grünen-Abgeordneten Jan Philipp Albrecht. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) kritisierte nun in einer Pressemitteilung diesen aktuellen Entwurf Albrechts. Aus Sicht des BVDW gehen die Vorschläge an der Realität der Informationsgesellschaft vorbei. Zudem ließe der Entwurf die notwendigen Differenzierungen und Risikoabstufungen vermissen.
Ein Bericht ist die Reaktion des europäischen Parlaments auf einen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zu einer EU-Datenschutzverordnung und steht am Anfang des gesetzgebenden Prozesses. Erst nach zweiründiger Verhandlung mit den Innenministern der europäischen Länder würde die Verordnung als geltendes Recht erlassen werden.
Eine grafische Darstellung des europäischen Gesetzgebungsverfahren finden Sie hier:
Flußdiagramm "Ordentliches Gesetzgebungsverfahren"(Infochart: Peter Diehl, München)
Jan Philipp Albrecht äußerte sich zu seinem Berichtsentwurf in einem auf Zeit Online Interview: „Es liegt ein großes Potenzial darin, Daten in großen Mengen zu analysieren und daraus neue Angebote zu schaffen und zu erfinden. Die Frage ist nur, ob Big Data verknüpft sein muss mit der Analyse personenbezogener Daten. Kann man das ökonomische Potenzial nicht auch mit anonymen Daten und historischen Statistiken heben? Mit Informationen, die viel aussagen über unser Verhalten und Leben, ohne dass man jeden Einzelnen konkret analysieren und profilieren muss. […] Für die meisten Big-Data-Anwendungen braucht man die extreme Individualisierung überhaupt nicht. Viele Geschäftsmodelle können genauso gut mit anonymen Daten funktionieren.“
Soweit keine Anonymisierung der Nutzerdaten stattfindet fordert Albrecht: "Wenn jemand meine Daten verarbeiten will, um mir personalisierte Werbung zu schicken, braucht es dafür entweder einen Vertrag, aus dem sich das explizit ergibt, oder aber meine vorherige Einwilligung."
Auch der digitalen Werbewirtschaft geht es nicht um die Nutzung personenbezogener Daten. Allerdings lehnt sie es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ab, eine vorherige Einverständnis zur Pflicht zu machen und präferiert die Verwendung pseudonymisierter Daten. Hierbei werden Identifikationsmerkmale verfremdet, sodass ein Personenbezug eigentlich nicht möglich ist. Daher ist eine einheitliche (vorherige) Einwilligung des Nutzers- beispielsweise für das Setzen eines Cookies im Browser - auch nicht zwingend notwendig.
Viele deutsche Unternehmen haben ihr aktuelles Geschäftsmodell genau darauf eingestellt, Werbekontakte mit Hilfe von Cookie basierten Profilen zu verkaufen, die zwar mit gewisser Wahrscheinlichkeit Aussagen über Präferenzen und Verhalten eines Users treffen, jedoch keinen direkten Bezug zur Person herstellen. Die Forderung diese Methoden durch rein anonymisierte Varianten zu ersetzen hält der BVDW für nicht durchführbar.
Der Datenschutzbeauftragte des BVDW Thomas Schauf äußerte gegenüber ADZINE die Bedenken, dass ein solcher Gesetzesentwurf Modelle fördere, bei denen der Nutzer über den einmaligen Login großen Netzwerken ermöglicht seine personenbezogenen Daten auszuwerten. So würden abgeschlossene Systeme entstehen, die von einigen großen Unternehmen beherrscht würden. Kleinere Wettbewerber hätten es so enorm schwer einen Zugang zum Markt zu finden. Nutznießer wären damit einige wenige Konzerne, die ihre Firmenzentrale wohlmöglich auch noch außerhalb des europäischen Rechtsgebiets haben.
Matthias Ehrlich, Vizepräsident des BVDW, kritisiert daher Albrechts Entwurf scharf: „Der Berichterstatter will den Datenschutz mit einen ‘one-size fits all‘- Ansatz regeln, der nur noch die Einwilligung kennt. Sinnvolle Risikodifferenzierungen, wie sie das deutsche Datenschutzecht schon heute vorsieht, werden nivelliert. Stattdessen werden massive Hürden für entgeltfreie, werbefinanzierte Dienste errichtet, und ihnen damit faktisch die wirtschaftliche Grundlage entzogen. [...] Dieser Ansatz wird das Ende offener und spezialisierter Dienste ohne Registrierungspflichten im Netz einläuten. Die jetzt zwangsläufig geforderte Einwilligung kann rechtssicher und dauerhaft nur von registrierten Nutzern eingeholt werden.“
Der vorliegende Bericht Albrechts ist wahrscheinlich die ungünstigste Variante für die digitale Werbewirtschaft im gesamten Gesetzgebungsprozess, da die nächsten Schritte in einer Kompromissbildung mit den eher wirtschaftsnahen Innenministern Europas bestehen. Schlimmstenfalls, bei Uneinigkeit zwischen Ministerrat und Parlament, wird der Gesetzentwurf abgelehnt und die Thematik auf die kommende Legislaturperiode ab 2014 verschoben.