Soweit ich die Diskussion über RTB und Programmatic Buying in der Fachpresse verfolge, habe ich – wenn es nicht gerade um das Thema Fundraising ging – fast ausschließlich über den Einfluss technischer Neuerungen lesen müssen und wie diese Technologien RTB und das Programmatic Buying weiter vorantreiben werden. Ich selbst bin begeistert von diesen Neuerungen und begrüße die stattfindende Revolution. Ich bin davon überzeugt, dass diese Technologien für das ganz große Mediageschäft und die Kommunikationsindustrie gemacht sind.
Bevor Sie weiterlesen, sollten Sie sich klarmachen, dass es hier nicht um eine weitere Lobeshymne über steigende oder fallende TKPs, Transaktionserleichterungen, Latenzzeiten, Messbarkeiten oder gar Computerleistung geht – vielmehr geht es um den Versuch einer Eingrenzung hinsichtlich der Frage, was RTB für die Marketingverantwortlichen und die Marken bedeutet.
RTB bedeutet das Ende der Werbung, wie wir sie kennen. Möglicherweise mehr als alle anderen Neuerungen in der Geschichte des Mediageschäfts verändert RTB grundlegend die bestehende Marketingkommunikation. Und zwar nicht weil RTB die Verlagerung von den Offline- zu den Online-Marketing-Spendings aufzeigt, auch nicht weil es die lineare Werbung aufbricht, sondern vielmehr weil mithilfe von RTB die Marken in die Lage versetzt werden, über ein Massenmedium direkt die Verbraucher anzusprechen. RTB hat eine größere Wirkung als die Suchmaschinenwerbung. Die Suche war der Aufbruch eines neuen Kanals oder wie andere sagen, die Neudefinition eines bestehenden Nachfragemediums wie etwa das Telefon- oder Branchenbuch. Aber die Suche ist kein Massenmedium oder ein TV- oder Radiosender – trotz des Erfolgs von Google. Zum Beleg: Laut The Guardian verweilt der Nutzer in den USA im Durchschnitt 1:01 Stunde pro Monat auf Google, während er laut Nielsen 33 Stunden in der Woche fernsieht.
In der Mediaplanung und dem Mediaeinkauf ist die größte Veränderung, die RTB mitbringt, der Bedeutungsverlust der TKP-Währung. Bisher gilt der TKP bei allen gängigen Mediageschäften – also Planung, Einkauf und Verkauf – als prädestinierte Währung für die Schaltung in Massenmedien. Es ist wirklich nichts falsch mit Massenmedien, außer dass es ihre Natur ist, sich über Umfang, Häufigkeit und Reichweite zu definieren. Bis zum Aufkommen von RTB fokussierten sich die Mediaplaner, Einkäufer und Verkäufer in der Regel auf Reichweite und Kontaktzahl als Zielsetzung ihrer Messungen, einfach weil die Massenmedien diese Form der Messung zulassen und sie darin nicht zu übertreffen sind.
In den USA werden junge Mediaplaner und Einkäufer geradezu darauf geschult, dass es kein reichweitenstärkeres Vehikel gäbe als den Super Bowl. Was diese „Lektion“ verkennt: Reichweite für sich genommen ist noch lange kein effektives Mittel, um eine Markenbotschaft beim Verbraucher zu platzieren.
RTB ermöglicht es, jeden Aspekt der Markenkommunikation an die Verbraucher maßgeschneidert anzupassen; RTB macht das Massenmedium zu einem direkten Kommunikationskanal zwischen Marke und Verbraucher. Die Möglichkeit, individuelle Ad Impressions, basierend auf einer großen Menge von Daten zu der Impression – und damit zwangsläufig auch zu dem Verbraucher, der hinter dem Werbekontakt steht – zu nutzen, führt zum Konzept des „Customization at scale“. Dieser Begriff hat nichts mehr mit der Werbung zu tun, wie wir sie kennen, sondern bedeutet eher das Ende der Werbung, weil es die Interaktion und damit die Kommunikation zwischen Marke und Verbraucher verändert. Diese Art der nahen Interaktion führt zu einem ungemein schwierigen Betätigungsfeld für die Marketingverantwortlichen, weil damit jeder einzelne Werbekontakt für die Marke an Wertigkeit gewinnt. Das setzt eine genauere Mediaplanung und einen besseren Mediaeinkauf voraus.
Marketingverantwortliche, die sich lernfähig, anpassungsfähig und dynamisch zeigen, werden belohnt. Interessanterweise verlangt dies von den Publishern und Contentinhabern keinen Paradigmenwechsel – vielmehr werden recht schnell solche Publisher einen Nutzen daraus ziehen, die dank qualitativ hochwertigen Contents und Qualitätsumfelder attraktive Zielgruppen auf sich vereinen.
Für die Advertiser ist es zwingend notwendig zu verstehen, dass der derzeitige Markt für das Programmtic Buying noch unreif ist, mit einem viel zu starken Fokus auf das Bidding und den Preis anstatt auf Marketing- und Kommunikationsergebnisse.
Diese Einschätzung wird umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass die meisten Kommunikationskanäle – soweit noch nicht geschehen – wahrscheinlich schon sehr bald in Echtzeit oder zumindest automatisiert angeboten werden. Ängste, dass die Technologie die Arbeit des traditionellen Marketings ablösen wird, sind aber fehl am Platz. Noch nie hatte gute Kreativitätsarbeit mehr Bedeutung als jetzt. RTB ermöglicht eine individuelle Marketingkommunikation beispiellosen Ausmaßes, die nur weiter wachsen kann, wenn noch mehr Kanäle sich für RTB- und den automatisierten Mediahandel öffnen.
Über den Autor Edward Montes
Als CEO und Mitbegründer von Digilant ist Edward Montes für die Planung und Umsetzung der Unternehmensstrategie, der Überwachung aller internationalen Operationen und der visionären Ausrichtung des Unternehmens verantwortlich. Im Jahr 2010 wurde Montes vom LatinTRENDS Magazin mit dem „Latino Trendsetter Award“ in der Kategorie Technologie ausgezeichnet. Im Jahr 2011 zählte das Boston Business Journal Edward Montes zu den Bostoner Top 40 Managern in der Kategorie unter 40 Jahren. Bevor Montes CEO bei Digilant wurde, war er Manager Director bei Havas Digital, Nordamerika. 2009 hat die MediaWeek Edward Montes mit dem Medien All Star Award ausgezeichnet. Montes hat zudem auch für Yahoo! gearbeitet und war zuvor Staatsanwalt in Massachusetts. Er ist Absolvent der Boston University School of Law und der University of Massachusetts, Amherst.
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