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Big Data im Online-Marketing: zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Christina Rose, 13. Dezember 2012

Mithilfe von Big Data lassen sich die Relevanz von Online-Marketingmaßnahmen erhöhen und Werbebudgets effizienter einsetzen. Doch welche Daten lassen sich beispielsweise allein dazu aus der Webanalyse gewinnen? Mit welchem Mehrwert fürs Online-Marketing?

„Jeden Tag produzieren wir 2,5 Trillionen Bytes an Daten. Nutzen Sie die Chancen von Big Data“, wirbt IBM derzeit mit einer Banner-Kampagne für sein Webanalyseprodukt. Diese Chancen beziehen sich inzwischen vor allem aufs Online-Marketing. „Betraf Data Warehousing, wie Big Data vor nicht allzu langer Zeit noch hieß, in den 80er- und 90er-Jahren Bereiche wie das Vertriebscontrolling und die Warenwirtschaft, ist es nun im Online-Marketing angekommen, weil die Maßnahmen inzwischen deutlich besser messbar sind“, rekapituliert Roland Markowski, Geschäftsführer der Onlinemarketing-Planungs- und Steuerungsplattform Advertzoom. Die Folge: Es fallen massenhaft Daten an, die zudem meist nicht konsolidiert vorliegen. Es gleicht der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen: Wie gewinnt man als Werbungtreibender daraus die gewünschten Erkenntnisse zur Budgetallokation?

Matthias Postel

Nutzerprofile gewinnt man derzeit vor allem über zwei Wege: am einfachsten über Log-ins mit personalisierten Daten, was ein Opt-in des Nutzers voraussetzt. Oder eben über Cookies, deren anonymisierte Informationen ausgewertet werden. Nutzer mit Cookie-Blocker kann man noch per digitalem Fingerprint identifizieren, der verschiedene Nutzerparameter wie Teile der IP-Adresse, Browser-Einstellungen und regionale Merkmale heranzieht. Aus anonymisierten Daten kann man per Webanalyse Informationen über das Nutzungsverhalten der Kunden mobil und auf der Website, deren Kaufverhalten, die Kundeninteressen und die Wege, über die Kunden den Weg zum Shop finden, extrahieren: „Kaufen auf der Webseite eher junge Frauen, die z. B. über eine frauenspezifische Website kamen, oder ältere Männer ein? Interessieren sie sich mehr für Sportartikel oder Businessbekleidung? Welche Kampagne funktioniert, welche erreicht unsere Zielgruppe, welche nicht? Und stimmt die erwartete Zielgruppe mit der tatsächlichen überein? Wo kam der Kunde mit Werbung in Berührung, wie oft und wann konvertierte er – d. h., entschloss sich zum Kauf oder z. B. zur Newsletter-Registrierung? Für welche Artikel des Sortiments entschieden sich Kunden, die von bestimmten Webseiten kamen, auf denen Banner geschaltet waren?“, zählt Matthias Postel auf, CEO des Webcontrolling- und Onlinemarketing-Dienstleisters iCompetence GmbH.

Christian Sauer

Eigene Zielgruppen erkennen

Um Alter oder Geschlecht der Seitenbesucher zu erkennen ,könne man zu den nicht-personenbezogenen Bewegungsmustern aus der Webanalyse noch weitere Daten von Drittanbietern, wie z. B. Nugg.ad, hinzuziehen, erklärt Christian Sauer, Gründer der Webtrekk GmbH. Unter dem Stichwort „Audience Insights“ werden dazu Soziodemografie und Produktinteresse beobachtet. Daraus erkennt der Seitenbetreiber, welche Zielgruppen er auf seiner Seite hat. Diese Daten werden zwar nicht direkt für die Onlinewerbung verknüpft, es kristallisieren sich aber die eigenen Zielgruppen heraus.
 
Daten aus der Webanalyse sollen weitere Aufschlüsse geben: „Neue Anordnungen und Einblendungen von Seitenelementen können auch mittels A/B-Tests zur Optimierung der Usability validiert werden“, berichtet Sauer Auch die interne Suche auf der Website sollte analysiert werden, um herauszufinden, welche eingegebenen Begriffe zu welchen Zielen führen. „Werden vermehrt bestimmte Begriffe gesucht, die es nicht auf der Website gibt, sollte eventuell das Sortiment erweitert oder passender Content bereitgestellt werden“, rät Sauer.

„Werbung da schalten, wo sie den größten Erfolg verspricht, und dort vermeiden, wo sie niemanden erreicht. Das senkt die unnütz ausgegebenen Kosten und steigert den ROI“, lautet Postels Credo, der in diesem Zusammenhang auch von den Möglichkeiten des personalisierten Retargetings auf Cookie-Basis als „Erfolg versprechende Methode, sich wieder in Erinnerung zu bringen“, schwärmt. „Und wenn der Kunde zwar immer wieder auf die Werbebanner klickt, dann aber, sobald er auf die Webseite geleitet wird, wieder abspringt, ist vielleicht mit der Landing Page etwas falsch“, skizziert er.

Oder sie sollte in gestalterischer Hinsicht mal überarbeitet werden. „Wessen Kunden an bestimmten Stellen des Shoppingprozesses immer wieder abbrechen, wessen Subdomains nicht besucht werden, hat vielleicht kein Sortiments-, sondern ein Usability-Problem. Postel: „Vielleicht entspricht das Angebot des Bezahlprozesses nicht den Kundenerwartungen, vielleicht ist aber nur der Button für den Warenkorb und den Gang zur Kasse an der falschen Stelle oder in der falschen Farbe.“ Verändere man nur kleine Varianten, könne man eine große Wirkung erzielen und den Umsatz laut Postels Erfahrung um „bis zu 80 Prozent“ steigern.

Online mit Offline verknüpfen

Je mehr Aspekte ins Spiel kommen, desto schwieriger aber wird es, einzelne eindeutig als Erfolgsfaktoren oder Barrieren zu klassifizieren. Noch komplizierter wird es, wenn man kanalübergreifend – inklusive Offline – analysieren will. Die Wechselwirkung zwischen klassischen und digitalen Kanälen ist bislang nur messbar, wenn es digitalen Rückkanal gibt, beispielsweise per QR-Code. Die Messung der Customer Journey gerät ebenfalls ins Stocken, wenn der Nutzer das Endgerät wechselt oder wenn sich mehrere Nutzer ein Endgerät teilen („Second-Screen-Nutzung“).

Roland Markowski

Hinzu kommt noch ein weiteres Problem: Die unterschiedlichen Werbekanäle, die man heute bespielt, sind als eigene Profitcenter quasi „historisch gewachsen“ und setzen unterschiedlichste Technologien ein, erklärt Roland Markowski: „Es haben sich eigene Eco-Systeme rund um einen Kanal entwickelt. Innerhalb eines Kanals trifft man sehr häufig auf Spezialisten – im Hinblick auf Tools und Dienstleister.“ Bei dem Versuch, das Werbebudget gemäß der Customer Journey zu verteilen, muss ich als Werbungtreibender die Ergebnisse aus den verschiedenen Silos zusammenbringen. Aber wie bekomme ich eine kanalübergreifende Analyse?

 „Diese Kernherausforderung ist den Marketern sehr wohl bewusst. Sie in den Griff zu bekommen, ist aber noch sehr komplex“, schildert der Webanalysespezialist. Entsprechend fällt sein Resümee aus: „Eine exakte Wissenschaft wird die Nachzeichnung der Customer Journey nie. Man bekommt nur Tendenzen und Schwerpunkte.“ Exakte Werte würden auch keinen Sinn ergeben, weil man laut Markowski in diesem Analysegeschäft immer „mit Tendenzen und Schwerpunkten“ arbeite. Das Gleiche gelte für die Webanalyse: Auch die sei „hinreichend genau“.

„Eine exakte Wissenschaft wird das nie“

Um aus den exponentiell steigenden Datenmengen die jeweils relevanten Erkenntnisse extrahieren zu können, plädiert Christian Sauer für „voll- oder halbautomatisierte“ Lösungen. Dafür könnten u. a. Szenario- oder Assoziationsanalysen, wie sie beispielsweise Webtrekk mit seinem „Ticker“ liefert, eingesetzt werden. Dieser Ticker schlägt Alarm, informiert in Echtzeit automatisch über Veränderungen an den Webanalysedaten, beispielsweise wenn die Bounce Rate steigt oder sich der Traffic signifikant verändert.

Doch viele Unternehmen haben noch gar nicht die technischen Voraussetzungen, die Werbemittelnutzung ihrer Kunden zu verfolgen, weil die genutzten Web-Analytics-Systeme dazu nicht geeignet sind. „Bei den Customer-Journey-Tools stehen wir erst am Anfang“, winkt Markowski ab. Außerdem habe jedes Unternehmen ein eigenes Profil. Da könne man keine Standardlösungen anbieten.

Rein technisch gesehen sind die Systeme da. Man muss sie aber einführen; die Stochastik muss sich pro Unternehmen erst einmal einschwingen. Es braucht Zeit, bis man Ergebnisse bekommt. Und dann hat man neben der Customer Journey ja auch noch andere Daten, die einfließen: vom Adserver, aus Social Media, aus Newslettern etc. Auch die muss man mit den Ergebnissen aus dem Tracking verheiraten. „Doch werbungtreibende Unternehmen müssen nur selten die ganzen Daten selber auswerten“,  meint Markowski zur Beruhigung. In der Regel arbeitet man mit einem Dienstleister zusammen, der die Daten auch hostet, d. h., das Datenvolumen liegt beim Anbieter. Der Werbungtreibende bekommt die vorgefilterten Daten auf einer mehr oder weniger aggregierten Ebene.

Bald werde die Webanalyse mit der Business Intelligence verschmelzen und als „Digital Intelligence“ die 360-Grad-Sicht auf den Kunden erlauben, ist Matthias Postel überzeugt. Lange habe der Handel sich mit QR-Codes und Newsletter-Aktionen behelfen müssen, um die Kontaktpunkte auch offline zu messen. Inzwischen böten viele Toolanbieter kanalübergreifende Tools an, die Webanalyse und Data Warehouses verknüpfen und verfügbar machen. Die technischen Möglichkeiten sind laut Postel da: „Digital Intelligence Tools bieten die Möglichkeit, die online durch die Webanalyse erfassten Daten mit den offline auflaufenden Daten der Business Intelligence, z. B. aus Kundenbetreuuung (Callcenter), TV, Datawarehouse, ERP-Systeme etc. zu verbinden.“ Zu diesen Digital Intelligence Tools gehören u. a. Universal Analytics (Google), Anametrix, Pentaho und noch weitere, die gerade anfangen, sich auf dem Markt zu etablieren. Postel: „Die Verknüpfung wird höchste Zeit, denn der Kunde bewegt sich längst auf allen Kanälen – on- wie offline.“

Bild Christina Rose Über den Autor/die Autorin:

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