Rechtliche Grauzonen in Social Media - Texte, Fotos und Videos auf der Facebook-Pinnwand
Martin Schirmbacher, 6. November 2012Es versteht sich an sich von selbst: Auch in sozialen Netzwerken sind rechtliche Vorgaben zu beachten. In jedweder Hinsicht: Natürlich darf auch ein Tweet nicht beleidigend sein. Erste Gerichtsentscheidungen zeigen, dass auch ein Facebook-Post über den Chef zur fristlosen Kündigung führen kann – selbst ein schlecht platziertes Like kann solche Folgen haben.
Die rechtlichen Fragen sind vielfältig: Von der Vanity-URL über die Impressumspflicht zur Durchführung von Gewinnspielen; von dem Umgang mit Kommentaren über Haftungsfragen zum Datenschutz; vom Schleichwerbeverbot zu Social Media Guidelines und schließlich der Zusammenarbeit mit Agenturen.
Urheberrecht gilt auch in sozialen Netzwerken
Auch urheberrechtliche Fragen zu Social Media haben inzwischen die Gerichte erreicht. Der Grundsatz ist klar: Jede Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Werke, gleich ob Texte, Fotos, Videos o. Ä., bedarf einer Einwilligung des Urhebers. Es ist also auch auf Facebook nicht ohne Weiteres zulässig, Bilder zu kopieren und auf die Pinnwand zu stellen. Gleiches gilt für den Hintergrund eines Twitter-Profils oder die Selbstdarstellung auf Google+.
Auch Texte sind urheberrechtlich geschützt, wenn sie einen gewissen schöpferischen Eigengehalt aufweisen, grob gesprochen also dann, wenn sie nicht so verfasst sind, wie dies jedermann mit der entsprechenden Aufgabenstellung gemacht hätte. Auch Texte dürfen daher – außerhalb des eng umgrenzten Zitatrechts – nicht einfach übernommen werden.
Online-Rechte einräumen lassen
Empfehlenswert ist daher stets, mit den Urhebern Vereinbarungen über die Verwendung der Inhalte zu treffen. Werden die Inhalte (zum Bespiel Fotografien) von einem Dienstleister für die Website des Kunden erstellt, sollte zusätzlich darauf hingewiesen werden, dass die Inhalte auch in den Social-Media-Kanälen verwendet werden können. Noch wichtiger ist ein solcher Hinweis, wenn die Inhalte ursprünglich zur Offline-Nutzung hergestellt wurden. Ist nichts anderes vereinbart, gilt im Urheberrecht der Zweckübertragungsgrundsatz. Danach werden im Zweifel nur die Rechte eingeräumt, die für den vom Vertrag vorgesehenen Zweck benötigt werden. Ist also eine Printpublikation vereinbart, werden nicht ohne Weiteres auch Online-Rechte eingeräumt. Der Urheber kann seine Zustimmung auch von der Zahlung einer weitergehenden Vergütung abhängig machen.
Spezialproblem: Bildagenturen
Auch wenn Fotografien aus Bilddatenbanken (z. B. Getty Images; iStockphoto oder Fotolia) „gekauft“ werden, ist Vorsicht geboten. Es kommt auf den Umfang der Lizenzeinräumung an, ob eine Verwendung auch auf Social-Media-Seiten gestattet ist. Hier lohnt es sich, in die Nutzungsbedingungen der Anbieter zu schauen.
Häufig wird zwar nicht die Verwendung der lizenzierten Bilder in sozialen Netzwerken, sondern lediglich eine Unterlizenzierung verboten. Hintergrund ist, dass die Anbieter eine Weiterveräußerung der Bilder an Dritte schon urheberrechtlich verhindern wollen. Man bekommt also lediglich eine einfache Lizenz, die sich nicht auf Dritte übertragen lässt. Genau eine solche Unterlizenz lassen sich aber die meisten sozialen Netzwerke einräumen.
Facebook formuliert in seinen Terms zum Beispiel: „Du gibst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz für die Nutzung jeglicher IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest (‚IP-Lizenz‘). Diese IP-Lizenz endet, wenn du deine IP-Inhalte oder dein Konto löschst, außer deine Inhalte wurden mit anderen Nutzern geteilt und diese haben die Inhalte nicht gelöscht.“
Diese Lizenzeinräumung gilt auch für Bilder aus Fotodatenbanken, die auf Facebook hochgeladen werden. Insofern räumt das Unternehmen Facebook eine Unterlizenz ein, obgleich es dazu nach dem Vertrag mit dem Anbieter der Bilddatenbank nicht berechtigt ist. Dies kann als Vertragsverstoß gewertet werden. Zwar mag man sich mit dem Landgericht Berlin (Urteil vom 6.3.2012, Az. 16 O 551/10) auf den Standpunkt stellen, dass diese Klausel nach deutschem Recht unwirksam ist. Doch ist dies im Verhältnis zu den Anbietern der Bilder ein vergleichsweise schwacher Standpunkt.
Wenn sich das vermeiden lässt, sollten Fotografien aus Bilddatenbanken, die eine Verwendung in sozialen Netzwerken nicht zulassen, daher dort eher nicht verwendet werden.
Haftung für fremde Inhalte?
Während die Unternehmen die selbst hochgeladenen Inhalte immerhin unter Kontrolle haben, können Sie nicht beeinflussen, was Nutzer in Kommentaren oder eigenen Beiträgen auf der Pinnwand posten.
Auch hier gilt natürlich für Facebook oder Corporate Blogs nichts anderes als sonst im Internet. Grundsätzlich haftet jeder für seine eigenen Inhalte. Dies schließt aber nicht aus, dass der Betreiber der Facebook-Seite für fremde Inhalte verantwortlich gemacht wird. Eine Haftung kommt dabei auf zwei Weisen in Betracht: Zum einen kann der Betreiber der Seite sich die Inhalte „zu eigen machen“. Dann muss er sich behandeln lassen, als habe er die Inhalte selbst ins Netz gestellt. Daraus ergibt sich eine volle Verantwortlichkeit.
Auch wenn es an einem solchen „zu eigen machen“ fehlt, kann sich eine Haftung ergeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haftet nämlich jeder auf Unterlassung, der in irgendeiner Weise kausal an der Rechtsverletzung mitwirkt und trotz Kenntnis zumutbare Handlungen unterlässt, um die Störung zu beseitigen. Das ist die sogenannte Störerhaftung. Voraussetzung ist also, dass das betreffende Unternehmen von den rechtsverletzenden Inhalten Kenntnis hat und dass man es in der Hand hat, die Störung zu verhindern (hier also die betreffenden Postings zu löschen). Der Verletzte muss also im Zweifel nachweisen, dass der Betreiber der Facebook-Präsenz die Postings kennt. Eine Überwachungspflicht besteht grundsätzlich nicht. Vor einer kostenpflichtigen Abmahnung muss das Unternehmen also zunächst über die Rechtsverletzung informiert werden.
LG Stuttgart: Haftung für fremde Inhalte auf der Pinnwand
Schon vor einigen Monaten machten einzelne Meldungen über „Facebook-Abmahnungen“ die Runde, die von einem gehörigen medialen Echo begleitet wurden. Etwas Bahnbrechendes hat sich bis heute nicht ergeben. Allerdings ist ein Urteil des Landgerichts Stuttgart veröffentlicht worden, das sich mit Urheberrechtsverletzungen auf Facebook befasst (Landgericht Stuttgart vom 20.7.2012, Az. 17 O 303/12).
In dem dortigen Verfahren hatte ein Facebook-Nutzer eine urheberrechtlich geschützte Fotografie „geteilt“. Der Facebook-Seiten-Inhaber, auf dessen Seite die Fotografie nunmehr im Rahmen des Postings zu sehen war, wurde von dem Inhaber der Nutzungsrechte an der Fotografie über die Urheberrechtsverletzung per E-Mail in Kenntnis gesetzt und nach ausbleibender Reaktion von diesem schließlich abgemahnt.
Weil auch darauf keine Reaktion erfolgte, verklagte der Urheber den Seitenbetreiber und bekam vor Gericht Recht. Allerdings hatte sich der Seitenbetreiber auch dort nicht verteidigt, sodass „nur“ ein sogenanntes Versäumnisurteil erging.
Die Besonderheit in diesem Fall bestand darin, dass der Facebook-Seiten-Inhaber das Posting mit der streitgegenständlichen Fotografie „geliked“ und zudem auch kommentiert hatte. Hier liegt natürlich nahe, dass auch ein Zu-eigen-machen, jedenfalls aber Kenntnis des Seitenbetreibers vorliegt.
Fazit
Bei der Gestaltung von Social Media Sites ist selbstverständlich das Urheberrecht zu beachten. Geschützte Werke – gleich ob Fotos, Videos oder Texte – dürfen nur eingebunden werden, wenn der Urheber dies gestattet. Mit Dienstleistern sollten entsprechnde Vereinbarungen getroffen werden. Fotos aus Bilddatenbanken sind jedenfalls bei Facebook problematisch, weil eine Unterlizenzierung in der Regel ausdrücklich untersagt wird, nach den Terms von Facebook jedoch eine solche Unterlizenz gerade eingeräumt wird.
Für User-Postings haftet der Seitenbetreiber erst ab Kenntnis. Wem eine entsprechende Nachricht zugeht, sollte jedoch schnell handeln und entscheiden, ob die betreffenden Postings gelöscht werden sollten oder nicht.
Terminhinweis
Unter anderem unterstützt vom Bundesverband des deutschen Versandhandels (bvh) und Trusted Shops veranstalten HÄRTING Rechtsanwälte und Bühlmann Rechtsanwälte AG am 19.11. in der Hamburger Speicherstadt den Event „E-Commerce Cross Border und Social Media für E-Commerce-Unternehmen“.
Neben den rechtlichen Vorträgen wird es auch eine Auseinandersetzung mit Social Media aus Marketingsicht geben. Markus Meyer-Westphal von Satzmedia wird zu Erfolgsfaktoren in Social Media für E-Commerce-Unternehmen vortragen. Rene Otto von ROCKnSHOP wird zeigen, wie mit dem richtigen Konzept relevante Umsätze auch mit Social Media erzielt werden können.
Weitere Informationen und Anmeldung finden Sie hier oder unter ADZINE Termine.
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