„Gegen RTB anzukämpfen, käme dem Kampf gegen HTML gleich“
Dirk Freytag, 29. Oktober 2012Auf den diesjährigen Medientagen wurde die „4-Quality“-Publisher-Allianz (4Q) vorgestellt. Eine deutsche Allianz gegen den automatisierten Handel mit Online-Inventar. Doch reflektiert die Argumentation wirklich den derzeitigen Stand des Online-Werbemarktes und insbesondere des Real-Time-Biddings? Ich fürchte nein. Dies sind meine Argumente:
Premium-Publisher und Brands begrüßen RTB, Agenturen treiben es voran
RTB ist kein ungewolltes System, das den Publishern weltweit von den „Advertising-Riesen“ aus den USA aufgezwungen wurde. Im Gegenteil: Einige der anerkanntesten Medienmarken begrüßen RTB sogar.
Vom Wall Street Journal über News Digital Australia, den Daily Telegraph, den Guardian, Disney, Figaro, die L’Equipe bis hin zu Fairfax Media und hunderten anderen: Die größten Premium-Publisher in jedem großen Markt erkennen RTB als das an, was es ist: Ein bloßer Handelsmechanismus, der höhere Effizienz und größere Gewinne erlaubt.
Sogar Interactive Media (eines der Mitglieder der 4Q) deutete letzten Monat auf dem Ad Trading Summit in London an, dass sie selber in den Real-Time-Bidding-Markt eintreten würden.
Nachteile, denen sich 4Q annehmen will (Markenschutz, Qualität der Ads, Präzisions-Targeting und Kontrolle des Retargeting), sind durch neue Technologien längst behoben. Auch Rubicon hat in seine Echtzeit-Handelsplattform mehrere Jahre und Millionen investiert, um RTB für Premium-Publisher attraktiv zu machen.
Wir sollten außerdem nicht vergessen, dass das Wachstum des Real-Time-Biddings von Agenturen angetrieben wurde, die selber erhebliche Investitionen tätigten, um Trading Desks zu etablieren.
Das Wichtigste: Aus unserem Marketplace Report für das dritte Quartal geht hervor, dass die Top 10 der RTB-Werbungtreibenden aus jedem Ländermarkt dort auch die Premiummarken sind – in Deutschland waren O2, Vodafone, Bosch und British Airways alle dabei, um nur ein paar zu nennen. Die Nachfrage der Unternehmen mit den attraktivsten Werbebudgets ist also da.
What’s Next: Der Private Marketplace
Die nächste Etappe der RTB-Entwicklung ist der „Private Marketplace“, der Premium-Werbungtreibende und Publisher noch enger zusammenbringt. „Private Marketplaces“ definieren im automatischen Handel die gleichen Businessregeln, die man dem „manuell“ verkaufenden Sales-Team auferlegt. Publisher erkennen hier eindeutig die effizienzbezogenen Vorteile. Und vor allem erkennen sie, dass eine durchschnittliche Verdreifachung der Einkünfte mit RTB möglich ist.
Kein Wunder also, dass eine Reihe von Premium-Publishern - von der New York Times bis hin zu Sky - dies bereits umsetzen.
Die französische „La Place Media“ lenkt ein
Als letztes noch ein Blick nach Frankreich. Denn die 4Q-Allianz weist einige Gemeinsamkeiten mit der Publisher-Allianz „La Place Media“ aus Frankreich auf. Auch hier bündelten Premium-Publisher ihre Kräfte gegen Webgiganten wie Google und Facebook. „La Place Media“ hat jedoch anerkannt, dass Real-Time-Bidding lediglich ein Mechanismus ist. Dagegen anzukämpfen käme dem Kampf gegen HTML gleich, dem Code, der hinter dem Web steht und es antreibt. Heute nutzen die „La Place Media“-Verbündeten eine Echtzeit-Technologie, die ihre Qualitätsansprüche erfüllt.
Was kann die deutsche Publisher- und Agenturszene demnach von Frankreich, Australien oder den USA lernen? RTB wird kommen, weil es die Advertiser fordern. Aber die Beteiligten können die Regeln bestimmen und neue Technologien vorantreiben, die die primären Defizite hinsichtlich Qualität und Targeting ausmerzen werden. Insbesondere Publisher haben hier die Chance, sich frühzeitig zu öffnen, statt den Internetgiganten auch den nächsten Schritt der digitalen Vermarktungs-Revolution zu überlassen.
Ein Kommentar von:
Dirk Freytag, Deutschlandchef von Rubicon Project
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