Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Das Sprichwort hatte in der Onlinewerbung lange Zeit seine Berechtigung. Der letzte Klick, der bei performancebasierter Werbung zur gewünschten Aktion geführt hat – sei es ein Kauf, die Vereinbarung einer Probefahrt oder die Teilnahme an einem Gewinnspiel –, zählte bei den Werbekunden als der letztlich relevante. Als der Klick, der den Anbietern von performanceorientierter Werbung honoriert wurde. Diese Philosophie findet insbesondere im Suchmaschinenmarketing eine breite Lobby. Schließlich fällt genau hier oft genug der letzte Klick. Dass aber das letzte Werbemittel vor der Konversion immer das ist, das den Kick zum Klick herbeigeführt haben soll, ist wenig plausibel.
Die Reise des Nutzers geht nämlich in der Regel über eine ganze Reihe Kanäle, bis er zuschlägt: Ein User hat zwei- bis dreimal auf unterschiedlichsten Seiten Displaywerbung zu einem Produkt gesehen. Er wird neugierig, hat vielleicht gerade keine Zeit, sich damit zu beschäftigen. Die Werbung im Hinterkopf sucht er bei nächster Gelegenheit nach der Marke, klickt auf die Website, informiert sich, geht wieder weg. Retargeting sorgt dafür, dass er erneut ein Banner eingeblendet bekommt. Der User unternimmt vielleicht noch einen Preisvergleich, entscheidet sich endlich für das Produkt. Der schnellste Weg zur URL des Anbieters führt über die Suchmaschine, er gibt den Begriff ein, klickt auf das eingeblendete Sponsored Ad und – konvertiert. Je nach Produkt und Branche kann sich die Reise über mehrere Wochen und eine Vielzahl von geklickter oder wahrgenommener Werbemittel erstrecken.
Ausgefeilte Tracking-Programme sind heutzutage in der Lage, diese Customer Journey aufzuzeichnen. Die unzähligen digitalen Spuren, die ein User im Internet hinterlässt auf seinem Weg zwischen Produktinformation und Kaufentscheidung, werden erfasst und ausgewertet. Welchen Einfluss vorgeschaltete Online-Maßnahmen auf den letzten Klick haben, belegt nicht zuletzt eine aktuelle Studie der Münchner Consulting Agentur Mücke, Sturm & Partner mit dem Marktforschungsinstitut Nurago. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein User zum Schluss auf das „kaufentscheidende Banner“ klickt, drei- bis viermal höher, wenn er vorher eine Displayanzeige gesehen hat. Wenn er auf das Ad geklickt hat, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es am Schluss zur Conversion kommt, am Schluss sogar bei mehr als 10 Prozent. Eine weitere Erkenntnis: Je öfter die Probanden zuvor eine Displayanzeige gesehen oder geklickt hatten, desto geneigter waren sie am Schluss, den „Last Click“ zu tätigen.
Studien wie diese belegen, dass Displaywerbung eine ganz entscheidende Rolle in der Customer Journey spielt. Der oft unterschätzte View trägt maßgeblich zur Conversion bei. Eine Kriegserklärung an die perfomancebasierte Abrechnung stellt dies jedoch nicht da: Denn ganz abgesehen von der nachweisbaren Imagewirkung von Online-Anzeigen ist es für die Erreichung einer bestimmten Conversion höher zu werten, wenn ein Konsument auf eine Anzeige klickt, als wenn er sie nur gesehen hat. Mit dem Klick hat er im AIDA-Prozess den entscheidenden Schritt von Attention zu Interest, möglicherweise zum Desire gezeigt, eine Entwicklung, die sich bei einem reinen Sichtkontakt nicht so ohne Weiteres belegen lässt. Die Analyse des Kundenpfads führt also in jedem Fall dazu, dass Provisionen wesentlich gerechter auf alle Anbieter, die zum Abschluss der gewünschten Aktion beigetragen haben, verteilt werden, und zwar unterschiedlich gewichtet nach Klick oder View.
Customer Jouney sorgt aber nicht nur für eine gerechtere Vergütung, sie gibt Mediaentscheidern auch Aufschluss über ihr Tun: Denn betrachtet man nur den letzten Klick, kommt es zu völlig falschen Schlussfolgerungen. Advertiser streichen dann möglicherweise Werbemittel aus dem Mediaplan, die vordergründig zu keinem direkten Erfolg führen, in Wirklichkeit aber vielleicht ein wichtiger Auslöser waren. Auf diese Weise würde unschätzbares Potenzial bei der Online-Werbung verschenkt. Sei es, dass man für das eingesetzte Budget weniger Conversations erzielt, als man könnte, oder dass man für das Erreichen eines bestimmten Ziels letztendlich zu viel Budget eingesetzt hat, weil man auf die falschen Werbemittel gesetzt hat.
Zahlreiche Spezialanbieter warten inzwischen mit Software und Plattformen auf, um den Path-to-Conversion detailliert abzubilden. Sie messen sämtliche Klicks und Views im Kampagnenverlauf und setzen die Puzzleteile zur digitalen Reise des Kunden zusammen. Mit diesen Daten können Werbungtreibende die Wirkungsweisen und das Zusammenspiel ihrer Online-Marketingkampagnen besser analysieren und aufeinander abstimmen. Eine eingehendere Analyse durch einen Spezialisten ersetzt das aber nicht. Denn diese Erfassung der Customer Journey beschränkt sich weitgehend auf eine technische Messung. Gemessen werden nur digitale Medien, der Abstrahleffekt klassischer Werbeträger wie Print-Anzeigen, Plakat oder Radio kommt zu kurz. Zudem berücksichtigt die Messung nicht den Wechsel zwischen verschiedenen Endgeräten oder die Mehrfachnutzung des Computers durch mehrere Personen.
Customer Jouney bringt Agenturen und Mediaentscheider einen großen Schritt weiter, weg vom „Last Click“ hin zu mehr Erkenntnis über den richtigen Einsatz der Werbespendings. Der Weisheit letzter Schluss ist sie aber immer noch nicht.
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