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Quo vadis Word-of-Mouth-Marketing in Zeiten von Facebook & Co.?

David Eicher, 27. August 2012

Die enormen Stärken von Facebook sind uns dieser Tage wieder umfangreich vor Augen geführt worden. Es steht außer Frage: Facebook verfügt als soziales Netzwerk mit über 900 Mio. Nutzern weltweit über eine für Marketingverantwortliche geradezu atemberaubende und höchst verlockende Reichweite. Und als solches erweist es sich für die überwiegende Zahl aktueller WoM-Projekte als unverzichtbarer Kanal. Insbesondere ist es ein exzellentes Vehikel für die Internationalisierung von Kampagnen.

Keinesfalls aber lässt sich sagen, dass Facebook das etablierte vielschichtige WoM-Marketing obsolet macht. Denn dafür ist der Wirkungskreis der Facebook-Tools zu klein, ein schlichtes Sharen, kein Empfehlen! Das greift in der Regel zu kurz und bietet insbesondere kein Rückkopplungselement, wie es für gelungene WoM-Projekte unverzichtbar ist. Um dies näher zu erläutern, empfiehlt sich eine genauere Betrachtung der Struktur eines WoM-Projektes. Ein solches Projekt besteht heutzutage aus vielen Facetten:

Das Herz ist der Projektblog

WoM-Projekte verfügen üblicherweise über einen Projektblog mit eigener Webadresse, der als „Home“, als Zuhause der Empfehlungsmarktingmaßnahmen zu betrachten ist. Die Zweckbestimmung dieser Plattform ist es, den „Experten“ Raum für Diskussion, zum Beispiel von Produkterfahrungen, zu geben.

Wenn man dies direkt auf Facebook moderiert, läuft man Gefahr, dass sich dort auch User einmischen, die nur „mitplaudern“ wollen. Da im Blog nur die ausgewählten Multiplikatoren Mitspracherecht haben, ist das Ergebnis somit substanziell hochwertiger.

Um das Projekt und somit auch den Blog zunächst bekannt zu machen, werden im Vorhinein Mediaeinbuchungen in den zielgruppenaffinen Umfeldern vorgenommen. Auch via Facebook können Fans angesprochen und für das WoM-Projekt gewonnen werden. Ebenso finden sich die Ankündigungen auf den Online-Präsenzen des Kunden. Integrierte Kampagnen nutzen darüber hinaus alle weiteren verfügbaren Kanäle wie etwa den Rundfunk für regional konzipierte Produkte oder das Fernsehen im Fall von nationalen Maßnahmen: Wie sich beispielsweise an der integrierten Kampagne rund um die funny-frisch Chips-Wahl 2012 nachvollziehen lässt, wo neben den üblichen Online-Elementen auch ein TV-Spot mit prominentem Protagonisten genutzt wurde, um die Entscheidung für die neue Chips-Sorte in den Fokus des Interesses zu rücken, Teilnehmer zu akquirieren und Vorschläge zu generieren.

Ein typischer Blog-Name ist beispielsweise www.beiunszuhause.de (für den einer Produktneueinführung vorausgegangenen Test einer Tassimo T55 sowie neuer Tab-Sorten von Jacobs Krönung). Er ist die Basis und Ausgangspunkt für jegliche Aktivitäten. Hier wird das Projekt umrissen, Bewerber rekrutiert und unter Umständen auch gecastet. Vom Blog aus erfolgt die Auswahl der Teilnehmer und beginnt – zumeist eingeleitet durch einen Produktversand und Test desselben – die eigentliche WoM-Arbeit, die zunächst einmal seitens der Moderatoren im Aufbau eines kontinuierlichen Dialoges besteht.

Das darin gewonnene authentische Feedback der Tester ist nicht nur ein wesentlicher Rückkoppelungskanal für die Produktentwicklung. Es ist das eigentliche Vehikel, um weitreichend Word-of-Mouth oder auch schlicht Buzz zu erhalten. Hierin liegt auch ein wesentliches Argument für den Blog: Denn Blogartikel werden anders konsumiert als Facebook-Posts. Ein Blogartikel darf ausführlich sein, in die Tiefe gehen. Ein Facebook-Post dagegen ist eher ein kurzes Statement, schon deswegen, da es sonst niemand liest.

Während das klassische WoM-Projekt via eigenständigen Blog ein Produkt oder einen Service auf Herz und Nieren prüft, sind WoM-Projekte auf Facebook schon aufgrund der Usability eindimensionaler: Dort geht es meist nur um eine oder zwei Erlebnisdimensionen. Ein komplexes WoM-Projekt via Facebook-Pinnwand zu moderieren macht wenig Sinn, weil dann die Übersichtlichkeit und Usability verloren gehen. Im Projektblog gibt es daher auch Kategorien, die genau das sicherstellen und damit auch ausschließen, dass sich Posts gegebenenfalls mit den nicht projektbezogenen Posts (zum Beispiel normale Produktfragen der User) vermengen, was ebenfalls zu Irritationen führen könnte.

Authentisches Feedback braucht Raum

Die Ansprüche an einen WoM-Projektblog sind in ästhetischer und funktionaler Hinsicht sehr hoch. Denn eine möglichst lebendige Kommunikation lässt sich nur über regen, animierten Austausch erreichen. Die Tester erhalten meistens zur Dokumentation ihrer Erfahrungsberichte mobile Endgeräte, mit denen sie nicht nur Fotos und Videos aufnehmen und unmittelbar ins Web hochladen können. Sie erlauben dem in der Regel sehr kommunikationsstarken Tester (bei der Auswahl der Multiplikatoren ist das Betreiben eigener Blogs ein wichtiges Kriterium) via WordPress eigene Blogeinträge mit entsprechendem Bildmaterial einzustellen. 

Um das sich in den User-Videos widerspiegelnde Feedback multimedial erlebbar zu machen, bedarf es daher auch einer Bildschirmbreite, die gerade die aktuelle Facebook-Maske nicht zulässt. Dies bedeutet nicht, dass sich Facebook grundsätzlich nicht für WoM-Marketing dieser Machart eignet. Es sind aber eher bewusst schmal gehaltene WoM-Projekte, die ausschließlich bei Facebook betrieben werden, so etwa ein Launch-Projekt rund um die PiCK UP!-Saisonvariante Cocoloco.

Das von Leibniz geäußerte Kampagnenziel bestand hier primär in der Generierung von Trials: Es sollte eine möglichst hohe Stückzahl der neuen Variante des Schokoladenkeksriegels von der Fangemeinde getestet werden. Dies lässt sich durch die direkte Einbindung eines eher promotionhaft gestalteten Projektes im sozialen Netzwerk gut erreichen. Denn der Vorteil von Facebook ist nun zweifellos, dass innerhalb der Markencommunity unverzüglich die gesamte Breite der Fans den Launch einer neuen Variante mitbekommt. So konnten im Fall von PiCK UP! unmittelbar über 400 Tausend Fans erreicht werden.

Moderation

Ob die Moderation von der betreuenden Agentur oder dem Unternehmen selbst durchgeführt wird, hängt zum einen vom Budget ab, zum anderen aber auch von den jeweiligen Kapazitäten des Kommunikationsteams im Unternehmen. Es liegt in den Händen der Moderatoren, die Tester in ansprechender Form an den Projekten teilhaben zu lassen, sie einzubinden und zu motivieren. Wie „werthaltig“ das Feedback der Tester ist, hängt also nicht nur von den Testern, sondern auch im Wesentlichen von der Qualität der Moderation ab. Sie wird in Abstimmung mit dem Kunden in entsprechenden Moderationsplänen im Vorhinein festgelegt, bleibt dabei jedoch offen für die Gestaltung der Moderatoren, die täglich mehrmals schreiben, kommentieren, auffordern und Nachlese halten. Ein umfangreiches WoM-Projekt kann bereits deswegen nicht über Facebook moderiert werden, denn hier käme es zu einer Kollision mit der „klassischen“ Moderation des Facebook-Marken-Accounts. Daher empfehlen sich WoM-Projekte nur dann als exklusive Facebook-Projekte, wenn sie überwiegend promotionalen Charakter haben, also Push-Elemente aufweisen.

Incentivierungen sind unverzichtbar

Um die Teilnahme zu intensivieren, die User anzuregen ihre Netzwerke weiter zu nutzen und Inhalte zu streuen, bedarf es so genannter Trigger. Diese sind kleinere Anreize oder auch Incentivierungen, die den Tester belohnen, wenn er aktiver ist. Sie dienen also dazu, die Teilnahme insgesamt anzuregen und erfolgen zum Beispiel in Form kleinerer Gewinnspiele oder Verlosungen, die sich unkompliziert im Projektblog einbinden lassen. Bei Facebook sind solcherlei Incentivierungen nicht gestattet. Sie dürfen dort nur via Apps erfolgen, also durch begleitende Tools. Ein weiterer Aspekt, der die alleinige Steuerung eines großen WoM-Projektes über Facebook ausschließt.

Kostbar ist die Mundpropaganda in der realen Welt

Das substanzielle Gespräch in der realen Welt ist im Grunde das Kernstück eines jeden WoM-Projektes. Darauf soll eine jede Moderation auf dem Projektblog hinführen: Der Projektteilnehmer ist so involviert und incentiviert, dass er mit Freunden, Nachbarn, mit der Familie, mit Kollegen am Arbeitsplatz, kurz mit seinem sozialen Umfeld über Produkt und Marke spricht. Denn diese Erkenntnis wurde bereits durch diverse Studien belegt: Das 1on1-Gespräch ist der triftigste Grund, eine neue Marke oder ein neues Produkt zu probieren.

Aber der Weg dorthin kann sehr lang sein, insbesondere dann, wenn man vor der Aufgabe steht ein Produkt in anderen Märkten einzuführen. Ist dieses Produkt in puncto Innovation und Qualität leading edge, so ist die Penetration in neue Märkte durch das Gespräch, durch Empfehlung, also Word-of-Mouth ein sehr gutes Mittel. Die gewachsene Facebook-Community einer globalen Marke kann dafür wie geschaffen sein. So hat das WoM-Projekt für die Grohe Rainshower-Duschköpfe die Produktinnovation von Europas führendem Hersteller von Badarmaturen und Brausen bereits mit Einbindung in die Facebook-Moderation spürbar in den amerikanischen und asiatischen Markt getragen.

Reichweite durch Verlängerung via Media und Social Media

Ein WoM-Projekt funktioniert nicht aus sich heraus durch seine bloße Existenz. Es muss zunächst innerhalb der Zielgruppe verbreitet und Relevanz geschaffen werden. Da die webguerillas bewusst nicht auf bestehende Testerpools zurückgreifen, sondern für jedes Projekt eigene, der Zielgruppe entsprechende Multiplikatoren rekrutieren, bedeutet dies zwar einen größeren Aufwand. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass nur die projekt- und markenspezifische Suche erlaubt, die richtigen Multiplikatoren, das heißt, für Marke und Projekt begeisterungsfähige Kommunikatoren zu finden. Denn ein Tester für Zahncreme muss nicht zugleich entsprechende Kompetenz und Kommunikationsleidenschaft für einen speziellen Telefontarif haben.

Die für die Rekrutierung geeigneter Multiplikatoren erforderliche Reichweite lässt sich hervorragend über Facebook erzielen. 23,5 Mio. Facebook-Accounts alleine in Deutschland schaffen eine Grundgesamtheit, die kein anderer Kanal bieten kann. Und die dort relevanten und interessanten Gruppen lassen sich einfach und schnell erreichen. Aber auch andere soziale Netzwerke und – je nach Zielgruppe – Blogs, klassische Bannerwerbung sowie unter Umständen auch Print, TV oder Funk dienen als Mittel, um ein WoM-Projekte zu verlängern. Die Entscheidung darüber fällt wie bei jeder anderen Mediaplanung nach einer eingehenden Analyse und in der Diskussion mit dem Kunden.

Verortung im Netz ist wichtig

Um dem WoM-Projekt die nötige Tiefe zu geben, bedarf es einer thematischen Verfestigung im Web, um die Auffindbarkeit und damit Bedeutung für die User zu erhöhen. Facebook ist in dieser Hinsicht kein schlechtes Vehikel. In puncto Auffindbarkeit (Indizierung) wäre aber ein über Google+ gespieltes WoM-Projekt wesentlich besser. Google+ hat jedoch bisher mangels entsprechender Fanzahlen und damit Reichweite noch keine große Relevanz für WoM-Projekte.

Die gezielte Verschlagwortung im Netz lässt sich ohnehin bei Blogs wesentlich besser gewährleisten. Denn hier können alle Mittel der Suchmaschinenoptimierung durch entsprechende Hervorhebung von userrelevanten Schlüsselbegriffen, durch Tags, durch URL und Subtitel genutzt werden. Die Projektblogs werden gerne auch der Markenhomepage angeschlossen, um den so erzielten Traffic und die damit erzielte Suchmaschinenoptimierung doppelt zu nutzen.

Allen Kunden ist gemein, dass sie Ressourcen und Geld mit der Absicht investieren, dass der Produktzyklus nachhaltig und wirkungsvoll in einer konstruktiven Feedback- und Vermarktungsmethode begleitet wird. Daher verstehen wir WoM auch grundsätzlich als Teil eines Gesamtmarketingkonzeptes: Das Ziel jeglicher Aktivitäten im Web sollte sein, die User in einer einmal etablierten Community zu halten. Das ermöglicht die gezielte Überführung des Projektblogs in den bereits bestehenden Facebook-Account am Ende des erfolgreichen Projektes.

Bild David Eicher Über den Autor/die Autorin:

David Eicher ist Geschäftsführer der webguerillas – die Agentur für Alternative Werbeformen. Parallel ist er als Dozent für Alternatives Marketing an der FH Erding und der Akademie des deutschen Buchhandels tätig. Gemeinsam mit Jörg Lackner und Gunther Weis gründete er 1997 die Werbeagentur „Robert & Horst“, 2000 den ersten Spin-off, die webguerillas.

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