Restplatzvermarktung war früher in den meisten großen Verlagshäusern Deutschlands verpönt. Heute ist das ganz anders. Die Monetarisierung des Random Inventory über Ad Networks und neuerdings auch in der Realtime-Bidding-Variante gehört zum Tagesgeschäft. Besonders die Retargeting-Anbieter gelten als Treiber im Performance Display Advertising. Wir sprachen mit Ralph Frühwald, Managing Director Deutschland vom Retargeting-Anbieter myThings über den Retargeting-Markt in Deutschland.
Von ProSiebenSat1, Tremor Media und Specific Media. Ralph Frühwald, Deutschlandchef von der Telekom-Tochter myThings weiß wie die Verlage und ihre Vermarkter ticken. Seit März leitet er das Deutschlandgeschäft von myThings. Neben T-Venture glauben Accel Partners, Carmel Ventures und seit März 2012 auch der Orange Publicis Fonds an den israelischen Retargeting-Anbieter, der sich selbst als „Conversion Machine“ bezeichnet.
Adzine: Herr Frühwald, myThings einfach ein weiterer internationaler Retargeting-Anbieter, vergleichbar mit Criteo?
Ralph Frühwald: Keinesfalls. Criteo ist eine Art Mini-Google und das meine ich nicht negativ. Criteo verkauft nur auf CPC- (Cost per Click) Basis, d. h., der Advertiser bucht und zahlt die Klicks. Das Reporting kommt allein von Criteo. Die gesamte myThings-Architektur ist hingegen auf CPA (Cost per Acquisition) ausgerichtet.
Adzine: Mit welchen Auswirkungen für den Kunden?
Frühwald: Das macht für uns technischen zwar vieles komplexer, aber die Vorteile für den Kunden liegen auf der Hand: Die Ziel-CPA wird zu Beginn mit dem Kunden vereinbart. Der Kunde bezahlt am Ende des Monats nach dem „Last Cookie Wins“-Prinzip nur die Conversions. Für den Advertiser ist das die flexibelste und risikofreieste Retargeting-Variante, die er sich vorstellen kann.
Adzine: Wie würden Sie den deutschen Retargeting-Markt umschreiben, welche Anbieter sind aus ihrer Sicht besonders aktiv und wo haben sie ihre Unterschiede?
Frühwald: Es kommen immer mehr Retargeting-Anbieter auf den Markt, darunter sind auch Agenturen und Post-View-Player wie KUPONA oder abilicom.. Das macht die Wahl für den Advertiser nicht unbedingt einfacher. Ich denke, nur solche Retargeting-Anbieter, die über eine eigene Technologie verfügen, können den Kunden eine wirklich gute Performance liefern. Am Ende zählt immer die beste Performance. Der Kunde soll es testen.
Adzine: Welche Retargeting-Unternehmen verfügen überhaupt über eine eigene Technologie?
Frühwald: Neben myThings sind Criteo, Next Performance und Sociomantic die wichtisgten Anbieter mit einer eigenen Technologie.
Adzine: Welcher Advertiser setzt bereits myThings in Deutschland ein?
Frühwald: Angefangen haben wir in Deutschland als Partner der großen Affiliate-Netzwerke, die uns in ihre Container-Tags integriert haben. Wir arbeiten mit allen großen Affiliate Netzwerken wie affilinet, belboon, zanox und vielen anderen zusammen. Diese Netzwerke haben oft Performance-Agenturen dazwischengeschaltet, die zum Teil auch direkt auf uns zukommen. Das wird dann meistens über das Affiliate-Netzwerk abgewickelt. Es geht aber auch ohne Affiliate-Netzwerk. Wir arbeiten aber auch sehr stark direkt mit den Advertisern zusammen, da man hier die Wünsche der Kunden am Besten berücksichtigen kann. Das ist der Bereich der zurzeit am stärksten wächst.
Adzine: Diese direkten Advertiser; darunter sind auch große E-Commerce-Häuser?
Frühwald: Ja, die Zalandos dieser Welt, aber auch andere Retailer, nicht nur aus dem Fashionsegment, auch Reiseunternehmen, Banken und Versicherungen.
Adzine: Und klassische Mediaagenturen, kommen die auch auf myThings zu?
Frühwald: Ja, wir arbeiten bereits mit klassischen Mediaagenturen wobei diese oft CPM oder CPC Buchungen präferieren, was wir natürlich auch anbieten können, auch wenn unser Standard Ansatz immer CPA ist. Selbst bei CPM oder CPC Buchungen planen und optimieren unsere Engines immer auf CPA. Generell sehen wir uns sowieso eher als Technologieanbieter für personalisiertes Retargeting und nicht als Vermarkter.
Adzine: Was meinen Sie damit?
Frühwald: Personalisiertes Retargeting - das ist auch ein Kampf der Daten. Der Großteil der Investorengelder geht in unsere Technologie. Wir haben circa 130 Mitarbeiter, die unsere Technologie fortwährend weiterentwickeln, und betreiben zudem eine eigene Unit, die die Werbemittel jedes einzelnen Kunden individuell kreiert. Das unterscheidet uns auch vom Wettbewerb.
Adzine: Auf welche Daten greift myThings für sein personalisiertes Retargeting denn zurück?
Frühwald: Einerseits sind das die Kampagnendaten, die wir über die verpixelten Seiten der Advertiser generieren, das sind eine Vielzahl an Parametern. Hinzukommen Publisherdaten. Damit meine ich nur die von uns selbst für diesen Kunden gewonnenen Publisherdaten, also wie ein Advertiser innerhalb einer Kampagne auf den Seiten eines Publishers performt…
Adzine: … und wie sieht es mit Kundendaten, also First-Party-Daten zu den Usern aus?
Frühwald: Wenn der Kunde das möchte, können wir diese Daten in unsere Datenbank integrieren, um sie für seine Kampagne einzusetzen. Das ist relativ aufwendig und setzt auch ein Vertrauensverhältnis des Advertisers zu uns voraus, weil es seine Daten sind. So etwas kommt nur über eine längerfristige Direktkundenbeziehung zustande, die aber dann auch sehr Erfolg versprechend sein kann. Die Shop Direct Group, einer der größten E-Commerce Anbieter aus UK, setzt zum Beispiel bei unseren Retargeting-Kampagnen auch auf First-Party-Daten. Die Performancesteigerung beträgt hier gut das Dreieinhalbfache gegenüber Retargeting-Kampagnen ohne First-Party-Daten.
Adzine: Alle reden von der Customer Journey, gibt es denn aus Sicht von myThings eine Alternative zum Last-Cookie-Modell?
Frühwald: Es gibt einzelne Kunden die alternative Erfolgsmessungen der Customer Journey wie First Cookie wins etc. in Betracht ziehen. Ein Großteil der Advertiser im CPA Retargeting arbeitet jedoch nach wie vor mit dem bewährten Last Cookie Prinzip.
Adzine: Auf welchen Umfeldern können myThings-Retargeting-Kampagnen zum Einsatz kommen?
Frühwald: Wir haben mit sieben von zehn AGOF Top 10 Vermarktern Vereinbarungen getroffen, darunter etwa die OMS und Interactive Media inklusive t-online.de. Bei t-online.de kommt myThings exklusiv als Retargeting-Anbieter zum Zug.
Adzine: Ist es für den Advertiser nicht eigentlich irrelevant wo seine Anzeige läuft, soweit es sich um ein markensicheres, also brandsafe Umfeld handelt?
Frühwald: Eigentlich schon, da ja nur die Conversion zählt. Doch hierzulande wollen die Marketing-Entscheider der Unternehmen ganz genau wissen, ob sie bspw. bei Axel Springer, UIM, InteractiveMedia oder Tomorrow Focus laufen. Das ist ein typisch deutsches Phänomen.
Adzine: Machen denn solche exklusiven Partnerschaften wie das von t-online.de mit myThings für den Vermarkter/Publisher überhaupt Sinn?
Frühwald: Das ist immer eine Entscheidung des jeweiligen Medienhauses. Es gibt eigentlich zwei Modelle: Einige Publisher splitten ihren Random Inventory in die Bereiche Post-Click-Retargeting und Post-View auf und suchen für diese Bereiche exklusive Partner. Die meisten Publisher verzichten aber auf diese Exklusivität und verkaufen eigentlich an jeden das Restinventar. Wir kaufen Media jedenfalls über die oben genannten AGOF-Publisher und über die Realtime-Bidding-Anbieter ein.
Adzine: Criteo soll in Deutschland bereits gut 30 Prozent der Medialeistung über Realtime Bidding (RTB) einkaufen. Welche Bedeutung hat der dynamische Mediaeinkauf über RTB für myThings?
Frühwald: International sind wir der größte CPA-Realtime-Bidding-Einkäufer überhaupt. In Deutschland sind es etwa 50 Prozent des Mediavolumens, den wir über RTB einkaufen. Wir arbeiten mit allen großen Supply-Side-Plattformen und Ad Exchanges in Deutschland zusammen. Auf Einkaufsseite kommt unsere eigene Technologie zum Einsatz.
Adzine: Nutzt myThings auch Datensätze des Advertisers, die aus der Webanalyse des Kunden stammen, also beispielsweise für eine Empfehlung anderer Produktgruppen aus dem Shop?
Frühwald: Wenn der Kunde dies möchte, berücksichtigt die myThings Engine die First-Party Nutzerdaten der Advertisers für ein Cross- und Upselling. Wenn aber ein Nutzer z. B. ein Hotel des Advertisers bereits gebucht hat, dann wird er demarkiert. Der User soll sich nicht verfolgt fühlen. Das Thema Branding und User-Care ist uns sehr wichtig.
Adzine: Gibt es eigentlich auch aufseiten der Advertiser Exklusivität in der Wahl des Retargeting-Anbieters?
Frühwald: Viele große Unternehmen wie Zalando haben mit Criteo angefangen, dann haben sie fünf bis sechs Anbieter parallel eingesetzt. Jetzt geht die Tendenz dahin, dass die Kunden maximal die zwei bis drei performantesten Retargeting Anbieter einsetzen, darunter immer einen CPO-Anbieter wie beispielsweise myThings.
Adzine: Warum sind beim Retargeting die Affiliate-Netzwerke für die Advertiser eigentlich so interessant?
Frühwald: Ganz einfach. Weil die Affiliate-Netzwerke ein eigenes Reporting und Tracking haben und die Advertiser über die Container-Tags dann auf ein vom Retargeting-Anbieter unabhängiges Reporting zugreifen können.. Viele Advertiser wollen also zur besseren Kontrolle das Tracking der Affiliate-Netzwerke zuschalten.
Adzine: Herr Frühwald, vielen Dank für das Gespräch.