Mobile ist keine Werbeform, sondern ein Nutzungskanal. Und die Nutzung dieses Kanals steigt zusehends. Dazu reicht ein Blick auf die Menschen an den Bushaltestellen, in den Zügen oder auf einen selbst, etwa beim Fernsehgucken im eigenen Wohnzimmer mit dem Tablet auf dem Schoß. Können die Werbungtreibenden eigentlich mit dieser hyperdynamischen Entwicklung Schritt halten? Inwieweit ist Mobile Advertising überhaupt schon Teil des Mediamix?
Die BVDW Unit Mobile Advertising (kurz: MAC) weist seit letztem Jahr die realen Bruttowerbeumsätze im Mobile Advertising für Deutschland aus. Demnach seien die Bruttowerbeausgaben, die in Form von Mobile Display Ads und in Mobile Apps investiert wurden, im Jahr 2011 auf knapp 35,9 Mio. Euro gestiegen, ein geschätztes Plus von 100 Prozent gegenüber 2010.
Und immer dynamischer soll es nun weitergehen. Laut MAC-Prognose zeigt das Jahr 2012 im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr bereits eine Zunahme der Bruttoumsätze um über 70 Prozent. 60 Millionen Umsatz könnten es Ende des Jahres werden. Freilich sind das immer noch geringe Ausgaben im Vergleich zum klassischen Displaygeschäft, für das die Branche laut dem OVK-Report dieses Jahr Mediaausgaben von insgesamt 3,68 Mrd. Euro prognostiziert hat.
Endlich etabliert
Noch besteht ein deutliches Missverhältnis zwischen aufgerufenen und verkauften Page Impressions (PIs) wie uns Florian Gmeinwieser, Head of Mobile der Plan.Net Gruppe, bestätigt: „Wir haben mehr PIs als verkauft werden. Das ist exakt die gleiche Entwicklung wie beim Beginn des klassischen Display Advertisings.“ Dass dies sich also sehr bald ändern wird, davon zeigt sich Gmeinwieser insgesamt überzeugt.
Romain Job, Strategie New Business beim Publisher Adserver Anbieter SmartAdserver, bestätigt jedoch die besondere Dynamik, die sich derzeit in den Auslieferungsvolumina mobiler Werbemittel niederschlägt: „Für das laufende Quartal sollten wir 10 Milliarden Ad Impression in Deutschland erreichen. Das ist circa dreimal mehr als letztes Jahr. Wir haben inzwischen viele neue Publisherkunden. Die zusätzlich gute Nachricht ist, dass die Fillrate heute viel höher ist. Es gibt dreimal mehr gebuchte Impressionen als 2011“, sagt Job. Bei 25 Prozent der über Smartadserver ausgelieferten Werbung handle es sich um Rich-Media- bzw. Videoformate. „Wir liefern deutlich mehr Rich-Media-Werbung auf dem mobilen Kanal aus, als wir das im klassischen Display Advertising für Desktops tun, wo der Anteil bei etwa 10 Prozent liegt“, berichtet Job.
Es scheint also, die werbungtreibenden Unternehmen haben die Nutzer an den Smartphones und Tablets für sich entdeckt. Endlich. „Wir haben lange darauf gewartet und inzwischen wird Mobile Advertising von den meisten unserer Kunden überhaupt nicht mehr infrage gestellt. Das ist Commodity. Insbesondere die großen Branchenführer wie Deutsche Telekom und Volkswagen steigen in das Thema Mobile Advertising ein. Das ist für sie selbstverständlich, da brauchen wir als Agentur keine Überzeugungsarbeit mehr leisten“, bestätigt Bernd Hoffmann, Chief Digital Officer von MediaCom.
Hoffmann belegt diese "Commodity" im einem Exklusivinterview mit eigenem Zahlenmaterial: „Wir nähern uns dem zweistelligen Millionenbereich, was Mobile Advertising bei unseren Kunden angeht. Von den klassischen Online-Mediaplänen nimmt die Disziplin inzwischen einen Anteil zwischen 6 und 7 Prozent ein. Die Online-Planung selbst macht bei den Kunden zwischen 16 und 20 Prozent der gesamten Budgets aus.“ Für MediaCom ist Mobile also ein fester Bestandteil im Online-Mediamix. Dort wird bei etwa 70 Prozent der digitalen Kampagnen der mobile Kanal in die Planung mit einbezogen, gleichwohl die Preise für mobile Werbung zwischen 30 und 50 Prozent höher liegen.
Insbesondere Telekommunikations- und Automotive-Kunden nehmen dabei gern den mobilen Kanal für Branding-Maßnahmen auch unter Aufpreis für Rich-Media-Werbeformen mit. „Da sind fast alle großen Automobilhersteller sehr aktiv“, sagt Gmeinwieser. Bei den Performancekunden seien es hingegen eher E-Commerce-Anbieter sowie App-Publisher, die ihre Apps bewerben wollen. „Das ist alles relativ erwachsen geworden und planerisch sehr vergleichbar mit dem Display-Advertising“, sagt Gmeinwieser.
16,95 Millionen deutschsprachige Personen ab 14 Jahre nutzen laut dem kommenden MAC-Report das mobile Internet. Die Werte stammen von der AGOF, die neben den internet facts im jährlichen Turnus auch die Mobile Facts als Planungsinstrument für die werbungtreibendene Industrie veröffentlicht. Für diesen Veröffentlichungsrhythmus erntet die AGOF – trotz der immensen Bedeutung der Daten– Kritik von der Planungsseite. „Ein guter Indikator“, seien die Mobile Facts, meint Gmeinwieser. „Aber derzeit kein ausreichendes Planungsinstrument. Die Mobile Facts sind ausbaufähig. Bei einem Markt, der sich alle drei Monate mehr oder weniger neu erfindet, muss das einfach schneller gehen.“
Darum hat Plan.Net inzwischen sogar eine eigene Datenbank für die mobilen Werbeträger aufgebaut, die alle vier Wochen aktualisiert wird und die wichtigsten Kennziffern wie Page Impressions, Unique User, Zielgruppenbeschreibung beinhaltetet, aber auch Informationen zu den akzeptierten Werbemittelformaten, Preisen, Rabattmöglichkeiten und Erfahrungen aus bisherigen Kampagnen und Platzierungen habe man integriert. „Mobile macht derzeit doch ein bisschen mehr Arbeit in der Planung, weil die Tools eben noch nicht perfekt sind“, resümiert Gmeinwieser.
Mobile Videowerbung noch ein Zukunftsthema
„Wir haben smartclip nicht gegründet, um Videos auf den Desktop zu bringen, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass die klassische TV-Nutzung sich fundamental ändern wird“, schallte es vorangegangene Woche von der Bühne auf dem dmexco Nighttalk in Hamburg. Jean-Pierre Fumagalli, CEO vom Muliti-Screen Videovermarkter smartclip, hatte gerade seine Keynote beendet und saß bei Moderator Martin Meyer-Gossner auf dem „heißen Stuhl“ als er das sagte.
Fumagalli berichtete zuvor von einem deutlichen Anstieg der mobilen Videonutzung, die in den USA laut der comScore Video Metrix um 70 Prozent zugelegt haben soll. Zudem habe man festgestellt, dass in Deutschland bereits 56 Prozent der deutschen TV-Zuschauer parallel dazu mobil surfen würden. (In den USA seien es sogar satte 86 Prozent der TV-Nutzer) Gerade die Entertainmentangebote passten zum mobilen Nutzungsszenario. Für deren Monetarisierung eigneten sich deshalb besonders eine Werbefinanzierung durch Pre-, Mid- und Postrolls. Im krassen Gegensatz dazu stehen aber die tatsächlichen Ad Spendings für Mobile Videowerbung. Diese schätzte Fumagalli auf etwa 1 bis 2 Prozent der Spendings. Ein Wert, über den man in einigen Jahren „nur noch lachen wird“, glaubt jedenfalls Dirk Kraus, Vorstandsvorsitzender der YOC AG in der anschließenden Paneldiskussion.
Fast alles richtig sollte meinen, wenn Fumagalli und Kraus noch die Rechnung mit dem Wirt gemacht hätten, der an diesem Abend in Person von MediaComs Bernd Hoffmann zugegen war und den Beteiligten ein wenig den Wind aus den Segel nehmen musste. Denn anders als beim Mobile Display Advertising will der Werbungtreibende noch nicht auf Video setzen: „Mobile Video Advertising hat bisher noch nicht funktioniert“, so Hoffmann. Er glaubt, dass dies eher ein Zukunftsthema sei und hier mehr Aufklärungsarbeit nötig ist. Aber in der Nachlese des Nighttalks wird Hoffmann gegenüber Adzine deutlicher: „Die Zurückhaltung mag auch an den Fantasie-TKPs von 80,- Euro netto, netto liegen – so kann das nicht funktionieren. Dann enden wir genauso wie vor vier, fünf Jahren als Mobile Advertising schon das Thema war und wir mit absurd hohen TKPs einsteigen sollten. Da es genug Alternativen zu Mobile Video gibt, können wir das als Mediaagentur vor unserem Kunden gar nicht verantworten. Dann warten wir lieber.“
Erfolg versprechender erscheinen zunächst also erst einmal auffällige Branding-Kampagnen mit Interaktionsmöglichkeiten für den Nutzer, denn die Klickraten sind am mobilen Geräten deutlich höher, ohne dass es gleich mit versehentlichen Klicks auf den kleinen Bildschirmen zu tun hätte. „Die User nutzen mobile Webseiten zumeist in einer Wartesituation, um Zeit zu überbrücken. In dieser Situation sind sie empfänglicher für Werbung. Außerdem geben sich die Unternehmen bei mobiler Werbung noch immer mehr Mühe, um den Nutzern einen Mehrwert zu bieten“, erläutert Florian Gmeinwieser.
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