Nach Angabe des Radiosenders NDR Info plant die Auskunftei Schufa in sozialen Netzwerken wie Facebook und aus anderen Quellen im Internet gezielt Daten über Verbraucher zu sammeln. Laut den NDR-Recherchen lässt das Wiesbadener Unternehmen dafür am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam (HPI) entsprechende Projektvorschläge entwickeln.
Dem Sender liegen nach eigener Angabe Dokumente vor, denen zufolge die Schufa unter anderem die Kontakte von Facebook-Mitgliedern heranziehen will, um Beziehungen zwischen Personen zu untersuchen und so Zusammenhänge mit der Kreditwürdigkeit der Verbraucher zu finden. Zudem ist demnach die Analyse von Textdaten als Möglichkeit zur Erstellung eines aktuellen Meinungsbilds zu einer Person denkbar.
Die Wissenschaftler könnten laut NDR Info untersuchen, wie die Schufa über eigene Facebook-Profile oder Zugänge zum Kurznachrichtendienst Twitter verdeckt an Adressen und Adressänderungen anderer Nutzer gelangen kann. Angedacht sei auch eine automatisierte Identifikation von Personen des öffentlichen Interesses, von Verbraucherschützern und Journalisten.
Laut NDR Info geht es in den vorliegenden Papieren darum, Chancen und Bedrohungen für das Unternehmen zu identifizieren und zu bewerten. In den Dokumenten seien auch berufliche Netzwerke wie Xing oder LinkedIn, Personensuchmaschinen wie Yasni, Geodatendienste wie Google Streetview sowie Mitarbeiterverzeichnisse von Unternehmen aufgeführt, aus denen Daten gewonnen werden könnten. Nach Angabe des Senders erwägt die Schufa in den Dokumenten die Informationen dann mit ihren eigenen Verbraucherdaten zu verknüpfen, um sie „aus Business-Sicht zu bewerten.“
Vertreter der Schufa und des HPI bestätigten nach Angabe von NDR Info inzwischen die Recherchen des Senders. Das Institut hat demnach mitgeteilt, zum 1. April 2012 ein Forschungsprojekt mit dem Namen „Schufa-Lab@HPI“ eingerichtet zu haben. Bei der von NDR Info zitierten Sammlung von Projektideen handelt es sich demnach um „Grundlagenforschung“, die nach „höchsten ethischen Maßstäben“ betrieben werde. Schufa-Vorstand Peter Villa habe jedoch betont, dass sein Unternehmen sich durch wissenschaftlich fundierte Ergebnisse langfristig die Qualitätsführerschaft unter den Auskunfteien in Deutschland sichern wolle.
Der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert habe gegenüber NDR Info erklärt: „Hinter einem solchen Forschungsprojekt steckt immer eine Absicht. Sollte die Schufa die gewonnenen Daten tatsächlich einsetzen, wäre das eine völlig neue Dimension.“ Weichert zweifle aber daran, dass eine Umsetzung der Projektideen rechtlich haltbar sei. Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg habe das Schufa-Projekt eine „Grenzüberschreitung“ genannt und erklärt: „Wenn diese sehr privaten und persönlichen Datensammlungen wie Facebook von der Schufa zusammengeführt und ausgenutzt werden, dann wird es hochgefährlich.“
BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf kommentiert das Vorhaben: „Nicht alles, was technisch möglich ist, sollte in die Praxis umgesetzt werden. Das Durchforsten von sozialen Netzwerken nach Informationen, die Rückschlüsse auf die finanzielle Leistungsfähigkeit erlauben, würde viele Internetnutzer zu Recht verunsichern. Wir sollten alles unterlassen, was das Vertrauen in das Internet beschädigt. Es wäre klug, auf manche Gedankenspiele zu verzichten. Die Menschen wollen sich frei und ungezwungen im Web bewegen. Diese Freiheit müssen wir erhalten und gleichzeitig immer wieder darauf hinweisen, dass man mit persönlichen Informationen im Internet sehr bewusst umgehen sollte.“