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SOCIAL MEDIA

Doppeltes Spiel mit den Stadtportalen

Jens von Rauchhaupt, 16. Mai 2012

Es geschah ohne jede Vorwarnung. Gnadenlos ließ Facebook im Februar diesen Jahres die Fan-Page von muenchen.de abschalten. Damit verlor das drittgrößte Städteportal Deutschlands auf einen Schlag den direkten Kontakt zu seinen knapp 400.000 Facebook-Fans. Bis heute ist unklar, warum es nur die Münchner erwischt hat und was wirklich hinter dieser Aktion des Internetkonzerns steckt. In der bayrischen Landeshauptstadt bleibt neben einem faden Beigeschmack nach schlechtem Labskaus, die sichere Erkenntnis, sich zukünftig nicht allzu sehr von Facebook abhängig zu machen.

Bloße Ignoranz, eiskaltes Kalkül oder einfach Willkür einer Internet-Supermacht? Für Dr. Lajos Csery, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft  des offiziellen Stadtportals muenchen.de, kam die Abschaltung der eigenen Facebook-Dependance unter der Adresse facebook.com/muenchen aus heiterem Himmel. Nicht nur dass Csery und sein Redaktionsteam nicht wussten, was der Grund für die Abschaltung war, sie fanden auch niemanden, der es ihnen hätte sagen können. „Wir mussten uns lange durchhangeln, bis wir einen Facebook-Ansprechpartner in Deutschland gefunden hatten, der uns erst einmal erklären konnte, warum unsere Fan-Page abgeschaltet wurde“, beschreibt Csery die damalige Situation. Heute kennt er die Antwort, die über den Umweg  der Deutschlandzentrale Hamburg aus dem Silicon Valley an der Isar eintraf: „Unsere Seite wurde mit der Begründung abgeschaltet, dass Städtenamen wie etwa München als generischer Begriff nach den Facebook-Regularien nicht mehr zugelassen seien.“

Florian Schleicher

Was Facebook ganz konkret mit den Ortsbezeichnungen in Zukunft vorhat, darüber schweigt sich der Internetkonzern trotz beharrlicher Nachfragen aus.  Bekannt ist nur, dass Facebook künftig neben "Personen", "Veranstaltungen", "Gruppen" und "Seiten" auch Profile von Orten einführen will. Da stehen die Fan-Pages der Stadtportale den Kaliforniern im Wege.  Es geht also um das milliardenschwere Zukunftsgeschäft der lokalen Dienste und hierfür will sich Facebook alle Möglichkeiten offenhalten. Der Social-Media-Experte Florian Schleicher, Digital Consultant bei vi knallgrau, Tochter der Virtual Identity AG, mutmaßt: „Wir wissen, dass für Facebook das Thema Lokalität von zunehmender Bedeutung ist. Das zeigen beispielsweise die Akquisition von Gowalla, der erste (jedoch gescheiterte) Versuch der Facebook Offers letztes Jahr, oder ganz aktuell die Integration von Foursquare in die Timeline. Aus diesen Beobachtungen lässt sich die These ableiten, dass Facebook auch künftig hier Akzente setzen möchte und sich deshalb viele Optionen freihalten möchte."

Muenchen.de ist neben Hamburg.de, Berlin.de und Koeln.de eines der größten Internet-Stadtportale, die als sogenannte Public Private Partnerships aufgestellt sind. Bei diesen PPPs betreiben und finanzieren Unternehmen wie etwa Stadtwerke, Banken oder Verlage mit starken lokalem Bezug zur Metropole gemeinsam mit den Kommunen ein städtisches Ratgeber- und Serviceportal, das sich mit seinen Informationen an die Bürger der Stadt, aber auch Touristen und Zuzugswillige richtet.

Und das mit riesigem Erfolg. Die Mischung aus behördlichen Informationen, E-Government und Veranstaltungen kommt bei den Leuten sehr gut an. So hat Hamburg.de beispielsweise 1,4 Mio. Unique User im Monat und über 180.000 Hanseaten sind aktive Nutzer der dazugehörigen iPhone App. In den anderen Metropolen sieht es kaum anders aus. Muenchen.de kommuniziert gar zwei Millionen Uniques auf der Portalseite und die eigene mobile App verzeichnet seit dem Start im Januar 40.000 Downloads.

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg der Stadtportale ist inzwischen die Einbindung von Social Media und dabei insbesondere die Nutzung einer eigenen Facebook-Fan-Page. Axel Konjack, der Geschäftsführer von Hamburg.de, beschrieb uns die Nutzungsszenarien am Beispiel von facebook.com/hamburg einmal so: „Auf der Hamburg-Fanpage informiert unsere Online-Redaktion mehrfach täglich über aktuelle Trends und Themen in der Stadt, gibt Freizeit- und Kulturtipps, beantwortet Fragen der Community rund um Jobs, Wohnen und Verkehr und freut sich mit unseren Fans auch mal über einen grandiosen Sonnenuntergang in der schönsten Stadt der Welt. Kurzum: Wir fühlen den Puls der Stadt, verstärken diesen und verweisen von Facebook aus gezielt auf hamburg.de und umgekehrt. Authentisch, ehrlich und auf Augenhöhe mit unseren Nutzerinnen und Nutzern.“

Auf ähnliche Weise haben es auch die Münchner bis zum Februar 2012 über die Fan-Page facebook.com/muenchen getan. In der Nachbetrachtung erscheint die Entstehung der Münchener Fan-Page jedoch leicht grotesk. Denn es war Facebook selbst, das dem Stadtportal die Fan-Page mit dem Ortsnamen muenchen anbot:  „Facebook ist seinerzeit an uns herangetreten und hat gefragt, ob wir nicht als offizielles Städteportal der Landeshauptstadt München eine Facebook-Fan-Page betreiben wollen.“

Doch damit war dann plötzlich Schluss. Nicht nur, dass man sich an der Isar einen neuen Namen für die Fan-Page suchen musste, man bangte auch um die knapp 400.000 Fans, die ja nach dem Abschalten der alten Fan-Page erst einmal über den neuen Namen und die Hintergründe aufgeklärt werden mussten. Facebook brauchte knapp vier Wochen, bis man alle muenchen.de-Fans mit der neuen Seite facebook.com/stadtportal.muenchen verknüpfen konnte.

Für den Betreiber des Stadtportals ist dadurch ein klarer wirtschaftlicher Schaden entstanden: „Ich denke schon, dass eine Fanseite schon mehr oder weniger die Site desjenigen ist, der sie betreibt. Wir versorgen ja dort die Nutzer mit unseren Informationen. Insofern ist uns ein Schaden entstanden. Definitiv.“ Csery winkt aber ab, wenn es um die rechtliche Durchsetzbarkeit eines solchen Schadensersatzanspruchs geht. „Nein. Die Facebook-Geschäftsbedingungen geben das nicht her. Das wäre völlig unökonomisch für uns und wir hätten kaum Aussicht auf Erfolg.“

Lajos Csery

Die Münchener sind noch immer unzufrieden, auch mit der neuen Adresse facebook.com/stadtportal.muenchen. Der Name sei in der Eile entstanden. Csery: „Facebook hat uns zugesichert, dass wir den Namen noch einmal ändern können. Aber einen passenden zu finden, ist gar nicht so einfach.“ Spricht man mit Csery spürt man noch immer seinen Ärger, aber auch die Ohnmacht, die man in München gegenüber Facebook empfindet. Man sei in Zukunft schon vorsichtiger im Umgang mit Facebook und müsse mit allen Eventualitäten rechnen. Auf Facebook verzichten, können die Münchener dennoch nicht: „Da besteht ganz klar eine Abhängigkeit. Ich bin kein Medienpolitiker und kann nur in den mir vorgegebenen Rahmenbedingungen agieren. Wir kennen doch alle die Bedeutung von Social Media. Und es gibt nur wenig Alternativen zu Facebook.“

Wie es nun mit den Fan-Pages der Stadtportale auf Facebook weitergehen wird, bleibt ein Geheimnis der Kalifornier. Denn merkwürdigerweise durften die anderen Stadtportale aus Hamburg, Berlin und Köln ihre Facebook-Adresse ja bisher behalten. Bei hamburg.de glaubt man auch erst gar nicht, dass der stolzen Freien Hansestadt Hamburg das gleiche Schicksal ereilen wird. Hier hofft man wohl auch ein wenig auf den Facebook-Zentrale-Bonus. Der Hamburg.de Geschäftsführer Axel Konjack teilte uns bereits im Februar mit, dass man einen intensiven und partnerschaftlichen Dialog mit Facebook  pflege und es keinerlei Anzeichen dafür gäbe, dass München ein Präzedenzfall wäre - auch wenn dies nicht gänzlich ausgeschlossen sei. Bei einer wiederholten Anfrage, wollte Konjack nichts mehr zur Diskussion beitragen. Schließlich sei Hamburg der Deutschlandsitz von Facebook und weitere Statements zu dem Thema wären eher kontraproduktiv, teilte uns Konjack in einer E-Mail mit.

Auf Schützenhilfe aus Hamburg kann München also nicht hoffen. Csery glaubt zwar, dass technische Gründe in den USA dafür verantwortlich waren, dass es München eher willkürlich zuerst getroffen hat, er ist sich aber sicher: „Die anderen Stadtportale täuschen sich, wenn sie meinen, dass ihnen nicht das Gleiche widerfahren wird. Ich meine verstanden zu haben, dass die Änderungen zu den Ortsbezeichnungen auf Facebook definitiv kommen werden. Und dann wird Facebook die anderen Stadtportale im Rahmen eines geregelten Prozesses zu einer anderen Webadresse auf Facebook überführen.“ Einen Ratschlag, wie die anderen Stadtportale sich gegenüber Facebook verhalten können, um einen Zwangsumzug zu vermeiden, hat Csery eigentlich nicht, denn: „Mit Facebook ist doch wie vor Gericht oder auf hoher See: Hier ist man in Gottes Hand.“

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin: