Spätestens, wenn die Reichweite nicht mehr gesteigert werden kann, gilt es, das Maximale aus der vorhandenen herauszuholen. Konsumentensegmentierungen werden deshalb auch für E-Mail-Marketer zunehmend interessant. Die digitalen Medien bieten dabei Möglichkeiten, die weit über Geschlecht, Alter und Wohnort hinausgehen. Während sich Newsletterempfänger A auf der verlinkten Zielwebsite beispielsweise eher für technische Produkte interessiert, blättert Empfänger B durch die Baby-Ausstattungskataloge und Empfänger C kauft nur Waren, die im Video vorgestellt werden: Das Surfverhalten auf der via E-Mail beworbenen Website sagt viel über die Interessen der Nutzer aus und kann eine interessante Ergänzung zu den klassischen Konsumentensegmentierungen sein. Doch genutzt wird es in Deutschland bisher kaum.
„Der ROI von E-Mail-Kampagnen ist immer noch so gut, dass viele Kunden sich über mögliche Segmentierungen ihrer Zielgruppe nur selten Gedanken machen“, sagt Anselm Müller, Senior Consultant bei fabio tripicchio e-mail-marketing. So erreichen durchschnittlich mehr als 70 Prozent der verschickten B2C-Werbebotschaften ihre Empfänger nicht, weil die E-Mails ungeöffnet gelöscht werden. Meistens genügen die verbleibenden 30 Prozent Öffnungsrate vielen Unternehmen völlig, um gute Geschäfte zu machen. Selbst Nachfass-E-Mails sind daher hierzulande noch nicht die Regel.
Dabei sind die technischen Voraussetzungen längst vorhanden. Um individuelle Newsletter zu versenden, bieten die meisten E-Mail-Lösungen – so auch die von fabio tripicchio – die Möglichkeit, einen allumfassenden Newsletter aufzusetzen. Die Versandlösung filtert dann die Inhalte derart, dass dem Empfänger nur die für ihn relevanten Inhalte angezeigt werden. Alternativ können auch von vornherein segmentspezifische Newsletter kreiert werden.
Klickt der Nutzer einen Link in der erhaltenen E-Mail an, wird diese Information den Nutzer auf seiner virtuellen Einkaufsreise mitgegeben. Auf der Website angekommen, kann ein entsprechender Cookie gesetzt werden und seine Aktionen lassen sich via Webtracking-Software oder dem hauseigenen Tracking der E-Mail-Lösung nachvollziehen. Diese Informationen können dann mit den vorhandenen Kundeninformationen aus dem CRM-System verknüpft werden – vorausgesetzt, der Nutzer hat dazu sein Einverständnis gegeben. Das Surfverhalten auf der Zielwebsite mit persönlichen Daten in Verbindung zu bringen, ist nur bei einem expliziten Einverständnis des Nutzers möglich.
Technologie ist der Nutzung voraus
„In Deutschland steht der Einsatz von Konsumentensegmentierungen für E-Mail-Kampagnen erst am Anfang. Hierzulande steht es für Shop-Betreiber naturgemäß im Fokus, die Datenschutzrichtlinien zu beachten. Das ist in anderen Ländern anders“, sagt Axel R. Paesike als Country Manager von Emailvision. Der Marketing-Software-as-a-Service-Spezialist ist global aufgestellt, muss mit seiner E-Mail-Versand-Lösung also die Bedürfnisse vieler Länder abdecken und bietet daher weitreichende technologische Möglichkeiten. „Das Ziel ist immer die Umsetzung einer qualitativen und erfolgreichen Kampagne, zu der wir die Technologie und der jeweilige Kunde die Daten beisteuern“, sagt Paesike. Sein Unternehmen gibt länderspezifische Empfehlungen an die Kunden, welche Funktionen genutzt und welche Daten verarbeitet werden sollten. So sind in Deutschland andere Datenschutzaspekte zu beachten als in China oder den USA. „Aus den vorhandenen Software-Funktionalitäten nutzen unsere Kunden daher immer die für sie relevanten Features – und das können bei deutschen Kunden ganz andere sein als bei Unternehmen in Asien oder Amerika“, so Paesike. Für den Deutschlandchef von Emailvision steht fest, dass auch im E-Mail-Sektor der Trend hin zu relevanterem Marketing geht.
„Mit zunehmender Integration professioneller Webanalysesysteme in die E-Mail-Marketing-Lösungen nimmt der Einfluss des Nutzungsverhalten des Empfängers auf der Zielwebsite für die individuelle Kundenansprache zu“, meint auch René Kulka, E-Mail-Marketing-Evangelist bei Optivo. Das Verhalten des Nutzers kann dabei einen automatischen Werbe- und Response-Kreislauf auslösen – ein sogenannter Closed Loop, wobei sich jeder Loop einer Kampagne im CRM-System schließt. Die Optivo-Lösung bietet für Surfverhaltensanalysen neben CRM-Anbindungsmöglichkeiten sowohl Schnittstellen zu Webanalytics-Systemen als auch ein hauseigenes Tracking. Das Website-Tracking der User nach dem Klick in der E-Mail wird auch als Post-Click-Tracking bezeichnet.
Mit weniger E-Mails mehr verkaufen
Die wenigen E-Mail-Werbungtreibenden, die Konsumenten bereits segmentieren, haben in der Regel kleinere Verteiler, höhere Conversions und mehr Umsatz. „Wir haben für einen Kunden kürzlich mithilfe der Customer Intelligence eine Segmentierung basierend auf Kauf-, Klick- und Öffnungsverhalten durchgeführt. Als Folge wurde für die E-Mail-Kampagne nur ein Drittel der ursprünglichen Empfängerliste angeschrieben und dabei der Umsatz gegenüber dem herkömmlichen Newsletter um 14 Prozent gesteigert“, erläutert Paesike. Das heißt: In diesem Fall wurde mit weniger E-Mails mehr Umsatz generiert, da sehr fein segmentiert wurde. So wurden beispielswiese nur jene Nutzer angemailt, die bisher einen bestimmten durchschnittlichen Umsatz pro Einkauf generiert und in den letzten drei Monaten mindestens ein Produkt dieses Anbieters gekauft hatten. Das Kaufverhalten gilt als sehr gute Basis für Konsumentensegmentierungen. Wer hat wie viel Geld im vergangenen Jahr im beworbenen Shop ausgegeben, wann war der letzte Kaufzeitpunkt, wie hoch ist der durchschnittliche Warenkorb? Entsprechend lässt sich die E-Mail-Ansprache individualisieren.
Abbrecher umwandeln
Insbesondere bei Warenkorbabbrechern ist diese Analyse sinnvoll. So hat eine Untersuchung von Experian Marketing Services ergeben, dass eine E-Mail, die sich direkt auf den stehen gelassenen Einkaufswagen bezieht, 20 Mal öfter zu einem konkreten Kaufvorgang führt als eine Standard-Massen-E-mail.
Wurden früher Warenkorbabbrecher mit Incentives zum Kauf überredet, reicht heutzutage in der Regel eine einfache Erinnerungs-E-mail aus. In Zeiten des Tab-Browsing mit erfahrungsgemäß vielen parallel geöffneten Websites, vergessen viele Nutzer schlicht, Käufe abzuschließen. Laut Jörn Grunert, Geschäftsführer von Experian Marketing Services in Deutschland, sollten aber nicht nur Kaufabbrecher im Fokus solcher Remarketing-Aktivitäten stehen. „Auch Surfer, die sich durch die virtuellen Auslagen eines Online-Shops klicken, bieten interessante Potenziale“, so Grunert. So sei es mit der Kombination von Webanalyse und E-Mail-Marketing-System so gar möglich, besonders attraktive potenzielle Kunden zu identifizieren und gezielt anzusprechen.
Für die USA hat Experian herausgefunden, dass 15 Prozent aller Konsumenten im Internet nach Produkten recherchieren – und dass knapp die Hälfte dieser Gruppe letzten Endes auch online kauft. „Wird analysiert, wer wann nach welchem Produkt gesucht hat, so kann in der darauf folgenden E-Mail eine Empfehlung zu diesem oder ähnlichen Produkten gegeben werden“, so Grunert. Sind konkrete Angebote in den entsprechenden E-Mails enthalten, steigert dies laut einer Experian-Analyse die Erfolgschancen im Vergleich zu Massen-E-Mails noch einmal um etwa die Hälfte.
„Die Technologie ist vorhanden, auch das Surfverhalten auf der Website im E-Mail-Marketing in Konsumentensegmentierung und Kundenansprache einfließen zu lassen“, erläutert Grunert. Doch genutzt werde es noch selten. So setzen viele E-Mail-Marketer lieber auf Reichweite. Und das funktioniert für die meisten Anbieter noch sehr gut. Ist in Sachen Reichweite die Sättigungsgrenze erreicht, werden auch Segmentierungen interessant. Aber Grunert ist sicher, dass der Trend hin zu einer individuelleren Ansprache geht, die auch das Surfverhalten der Nutzer im Online-Shop berücksichtigt. „Viele verhaltensbasierte Segmentierungen orientieren sich in einem ersten Schritt am Öffnungs- und Klickverhalten. Im zweiten Schritt liegt der Fokus auf dem konkreten Kaufverhalten. Die ‚Kür‘ bildet dann die granulare Segmentierung durch die Analyse des allgemeinen Verhaltens des Kunden auf der Website – womit auch die klassischen Warenkorbabbrecher erfasst werden“, so Grunert.
Ein Unternehmen, das sich insbesondere die Verknüpfung von Webanalytics und E-Mail-Marketing auf seine Fahnen geschrieben hat, ist der englische Technologieanbieter RedEye. Der E-Mail-Marketing-Dienstleister speichert das Verhalten eines Nutzers auf der Website und im Newsletter sowie bei Bedarf sein Kaufverhalten. Was schaut sich ein User auf der Website an? Worauf klickt er? Was kauft er? Wie oft und für wie viel kauft er? „Diese und andere Informationen werden erfasst und fließen in eine Datenbank, die sowohl die E-Mail-Adresse als auch die Daten aus der Webanalyse speichert. Auf diese Weise sind wir in der Lage, präzise nach Engagement zu segmentieren“, sagt Jakob S. Gomersall, General Manager von RedEye Deutschland. Modevielkäufer erhalten beispielsweise viele Angebote per E-Mail – natürlich ohne Incentives, denn die Kaufbereitschaft ist hier bereits hoch. Wenig engagierte Modemuffel bekommen laut Gomersall hingegen kurze E-Mails mit gezielten Anreizen. Diese nahtlose Integration von E-Mail-Marketing und Webanalyse nennt der Dienstleister „Behavioural-E-Mail“.
RedEye bietet dafür standardisierte Programme an, insbesondere für Versandhändler, Versicherungen und Reiseanbieter. Auf Basis des auf einer Website erfassten Userverhaltens werden E-Mails mit individuellen Botschaften generiert und versendet. Neben Warenkorbabbrechern können auch Nutzer automatisiert angesprochen werden, die sich zwar mit Details registriert, aber nicht gekauft oder die Angebote abgespeichert oder auf Wunschlisten gesetzt haben. Auch Willkommensprogramme oder E-Mails, welche Wiederholungskäufe initiieren, können aufgrund des Website-User-Verhaltens automatisch versendet werden.
Öffnungsraten jenseits 50 Prozent
Was eine geschickte Verknüpfung von Webanalyse und E-Mail-Marketing bringen kann, zeigt das Beispiel Monarch. Um zusätzliche Buchungen zu generieren, suchte die britische Fluggesellschaft nach neuen Wegen. Es sollten dazu diejenigen User identifiziert werden, die sich nah an einer Conversion befanden. Dieses Konsumentensegment sollte dann mit inhaltlich sehr relevanten Reiseinformationen überzeugt werden.
Auf der Monarch-Website können User nach Flügen, Reisen oder Hotels suchen. Mithilfe der Single-Customer-View-Datenbank von RedEye erfasste Monarch alle Informationen über die Reiseziele, nach denen die User auf der Website recherchierten. Diese Daten wurden gespeichert und nach den gesuchten Destinationen segmentiert. Es wurden insgesamt 18 Flughafenziele (in Suchen identifiziert) und 23 Reiseziele qualifiziert (aus Suchen nach Reisen beziehungsweise Hotels). Für jedes der gewählten Ziele wurden drei Templates entworfen. Diese Vorlagen integrierten dynamisch spezifischen Content, der sich aus dem gesuchten Ziel ergab. Die auf diese Weise individualisierten E-Mails wurden automatisch erstellt und versendet.
Das erste Template wurde am Morgen nach einer Suche gesendet. Mit dieser E-Mail dankte man für den Besuch und die Recherche auf der Monarch-Website und lud den Empfänger ein, zur Website zurückzukehren und die Buchung abzuschließen. Das Reiseziel wurde dynamisch eingefügt. Blieb diese E-Mail erfolglos, wurde drei Tage später eine zweite E-Mail mit weiterführenden Infos über die Vorteile einer Monarch-Buchung versendet. Auch in dieser Mail wurde das Reiseziel in Text und Bild sowie das aktuellste Reiseangebot zur gesuchten Destination eingefügt. Wer auch darauf nicht reagierte, dem wurde sieben Tage nach der ursprünglichen Suche eine dritte E-Mail zugestellt. Über den bereits eingesetzten dynamischen Content hinaus beinhaltete diese E-Mail alternative Empfehlungen zu vergleichbaren Reisezielen.
In allen Templates wurden auch die Links zur Website dynamisch gestaltet. Dadurch gelangten Interessenten nach dem Klick genau auf die Seite, auf der sie ihre Wunschreise direkt buchen konnten. Das Ergebnis: In den ersten Monaten lag dem Anbieter zufolge die durchschnittliche Öffnungsrate bei knapp 57 Prozent. Die durchschnittliche Klickrate betrug demnach rund 34 Prozent und die Click-to-Sale-Conversionrate lag bei mehr als 6 Prozent.