In jüngster Vergangenheit ist die Lebensdauer des Medienagenturgeschäftsmodells von allen denkbaren Seiten untersucht worden und war das Thema endloser Diskussionen. Wird das Agenturgeschäftsmodell die Medienrevolution überleben? Wird es sich weiterentwickeln, um zu überleben? Wenn ja: Wie wird es aussehen und was wird sich ändern?
Diese Debatte wurde – nicht ganz unerwartet – durch den üblichen Anteil an Übertreibung, persönlichen Interessen und gelegentlichen Untergangsprophezeiungen angereichert und in ihrer Glaubwürdigkeit geschmälert. Als Technologieunternehmen mit Agenturen und Werbetreibenden als Zielgruppe konnten wir bei Facilitate Digital all dies verfolgen. Auf fünf Kontinenten und in mehr als zwanzig Ländern haben wir genug von all diesen Thesen, Behauptungen und Gegenbehauptungen gehört, um Folgendes feststellen zu können:
- Digitale Medien sind und bleiben der treibende Faktor hinter der Debatte.
- Die Debatte als solche und ihre Tiefe sind weitgehend auf die Agenturen selbst zurückzuführen.
Die erste Feststellung ist keine revolutionäre Erkenntnis. Die digitalen Medien treiben den Wandel auf allen Ebenen der Branche an und werden zwangsläufig auch weiterhin neue Fragen aufwerfen – zur Rolle der Agenturen, zu deren letztlichem Wert und dazu, wie dieser quantifiziert werden kann, um eine angemessene Entlohnung der Agenturen zu ermitteln.
Die zweite Feststellung ist etwas interessanter. Als mithilfe der digitalen Medien endlich die lang versprochene Echtzeitbewertung und -akquise von Werbeflächen und Zielgruppen – die Börse für auktionierbares Werbeflächeninventar (Realtime-Bidding-Modelle) – möglich wurde, folgte sofort der Aufschrei über den Verlust der Vermittlungsposition der Agenturen. Es ist erwähnenswert, dass all diese Aufregung mehr das Nebenprodukt einer Nabelschau der Agenturen war und es nicht etwa die Werbekunden waren, die eine Menge schwieriger Fragen stellten. Die wesentliche Erkenntnis ist nicht, dass die Agenturen wie wild die Zukunft des Vermittlergeschäftsmodells diskutierten, sondern dass die große Mehrheit ihrer Kunden genau das nicht tut.
Komplexität gleich Risiko
Die heutigen Medienagenturen sind mit einer nie dagewesenen Aufgabenkomplexität konfrontiert, wobei die komplexesten Medien die digitalen sind. In der digitalen Welt gilt es, Kombinationen aus beinahe grenzenlosen Möglichkeiten zu verstehen und Beurteilungen zu treffen, in die Medienverkäufer, Zielgruppensegmente, Beschaffungsmodelle, Anzeigenformate, Targeting-Fähigkeiten, Technologien usw. einbezogen werden müssen. Hinzu kommt, dass viele dieser Kriterien voneinander abhängen.
Dann muss die Kampagne durchgeführt werden (Trafficking). Das erzeugt wiederum noch mehr Komplexität, weil das Trafficking per Definition eine Zusammenarbeit zwischen der Medienagentur, der Werbeagentur, dem Publisher und dem Werbekunden erfordert und der Ablauf dieser weitgehend undankbaren Arbeit fließbandartig und hochgradig wiederholend ist.
All diese Komplexität fällt an, noch bevor überhaupt die erste Werbebotschaft veröffentlicht wird, gefolgt von weiteren Komplexitätsebenen in den Bereichen Reporting, Datenmodellierung, Optimierung, Re-Trafficking und Datenmanagement. Und natürlich fallen die Daten in Echtzeit an, sodass auch die diesbezüglichen Fähigkeiten der Agentur sichergestellt sein müssen.
Die Auswirkungen dieser Durchführungskomplexität sind aus geschäftlicher Sicht fast ausschließlich negativ. Komplexität führt zu Kosten, Kosten führen zu Gewinnschrumpfung, Gewinnschrumpfung führt zu unsäglichem Leid.
Wo liegt die Wachstumschance?
Wie sieht es also mit dem Vermittlergeschäftsmodell aus? Ist es in der heutigen Medienlandschaft noch relevant, und wie zukunftsfähig ist es? Um die Antwort einzugrenzen, lassen Sie uns zunächst festhalten, dass Medienagenturen durch die folgenden Aspekte Werte schaffen und liefern:
- Erkenntnisse und Strategie (Daten, Analysen, gesammeltes Wissen)
- Investitionskraft (Verhandlungsposition, Kaufgeschick)
- Werkzeuge und Prozesse (zweckoptimierte Technologien und Methoden, Effizienz)
- Erfolgsmethoden (unerreichte Erfahrung und Urteilsvermögen durch Größenordnung)
Nun betrachten wir die digitale Situation vor dem Hintergrund dieser Wertfaktoren.
Erkenntnisse und Strategie – diese beziehen sich auf Daten, und mit den digitalen Medien kommen Daten in rauen Mengen. Hier gibt es also genügend Munition für die Medienagentur.
Investitionskraft – hier ist vielleicht eher Finesse als „Kraft“ gefragt, aber angesichts der Vielzahl verfügbarer Beschaffungsmethoden war die Gelegenheit, sein Kaufgeschick unter Beweis zu stellen, niemals besser.
Werkzeuge und Prozesse – Werkzeuge gibt es jede Menge. Jedes wird für einen anderen Teil des Kampagnenprozesses eingesetzt und einige wurden von den Agenturen selbst entwickelt.
Erfolgsmethoden – als Branche beginnen die Medienagenturen, gesammeltes Wissen in Form von Methodiken und Daten auf koordinierte Weise innerhalb ihrer Organisationen einzusetzen.
Dennoch ist die Kluft zwischen dem, was wahrscheinlich ist (der Minimalstandard, der angesichts der Komplexitätshürden erreichbar ist), und dem, was möglich ist (die Wertschöpfungschance) nie tiefer gewesen – und die Belohnung für das Schließen dieser Kluft nie größer.
Einfach ausgedrückt stellt das Schließen der Kluft zwischen dem, was wahrscheinlich ist, und dem, was möglich ist, die einzigartige und größte Wachstumschance unserer Branche dar.
Einfache Ideen – gut umgesetzt – sollten sich immer durchsetzen
Führen wir die Erkenntnisse zusammen: Werbungtreibende wissen, dass die Komplexität der Kommunikation mit Verbrauchern und den von diesen konsumierten Medien zunimmt und nicht abnimmt. Und sie haben eine bewährte, skalierbare Methode, um mit Komplexität umzugehen: Outsourcing. Wenn die Medienagentur lernt, die aktuelle und die zukünftige Komplexität zu berücksichtigen und sich daran anzupassen, hat das Vermittlergeschäftsmodell eine blühende Zukunft. Agenturen, die sich beim Umgang mit der Komplexität auf die primären Aspekte (Erkenntnisse, Kaufgeschick, Werkzeuge und Prozesse, Erfolgsmethoden) konzentrieren und diese mit höchster Priorität liefern, werden gewinnen. Und die Verbindung zwischen Werkzeugen, Prozessen, Erfolgsmethoden und unseren primären wertschaffenden Faktoren ist von kritischer Bedeutung:
Erkenntnisse und Strategie: Hier geht es immer um den Zugriff auf nützliche Daten. Einige Agenturen haben ein klares, skalierbares und verlässliches Datenmanagement, viele jedoch nicht. Agenturen raffen zusammen, was sie bekommen können, wie sie können und wann sie können. Dieses Vorgehen ist oft reaktiv, taktisch und immer unskalierbar. Aufgrund dessen ist der Wert der Daten begrenzt, ebenso wie der daraus abgeleitete und geschaffene Wert. Die beiden unerlässlichen Faktoren zum Aufbau eines skalierbaren Datenmanagements sind: (1) eine zweckoptimierte Systematik/Architektur, mit der die Agentur jedes Datenfeld und jede Metrik einheitlich klassifizieren und bezeichnen kann, und (2) eine zweckoptimierte, dedizierte Datenumgebung. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.
Investitionskraft: Die Handelshistorien unserer Kunden müssen den Weg aus mehreren Tausend Excel-Tabellen über die Schreibtische des Planungs- und Einkaufsteams bis in eine Datenbank finden (wie oben beschrieben). Derzeit ist es bei den meisten Agenturen so, dass zwei Planer/Einkäufer nebeneinandersitzen und das gleiche Inventar oder die gleiche Zielgruppe vom selben Medienverkäufer (oft sogar vom selben Vertriebsmitarbeiter) kaufen – zu teils extrem unterschiedlichen Preisen. Eine Hand weiß nicht, was die andere tut. Eine zentralisierte, einheitlich klassifizierte Kaufhistorie ist der große, zentrale Unterschied, mit der eine Agentur ihre Einkaufseffizienz massiv verbessern kann, womit sie einen der wichtigeren primären Wertfaktoren einer Agentur wiederherstellt. Die meisten Kunden gehen davon aus, dass dieses Transparenzniveau bereits existiert.
Werkzeuge und Prozesse: Microsoft Excel ist keine Medienplanungs- und Einkaufsplattform. Warum wird es trotzdem als solche benutzt? Weil es keine speziell entwickelten Werkzeuge für das gibt, was wir mit Excel verwalten – oder? Falsch. In den letzten Jahren sind Produkte erschienen, die den Großteil unserer Probleme bezüglich Arbeitsabläufen, Handelsvorgängen und Datenverwaltung lösen.
Erfolgsmethoden: Einige Agenturen wenden in ihren täglichen Betriebsabläufen definierte Standards und Kontrollmechanismen an – die meisten jedoch nicht. In einem Planungs- und Einkaufsteam von 50 Personen unterstützen die meisten Agenturen 50 verschiedene, voneinander unabhängige und letztlich unsichtbare persönliche Arbeitsmethoden. Wie in jeder Branche spielen einheitlich angewandte Methoden und Protokolle bei verschiedenen Aspekten unseres Arbeitsalltags eine wichtige Rolle und schaffen große Vorteile für das Management bezüglich Performance-Messung, Vorhersagbarkeit und Verantwortlichkeit. Von einigen Agenturen haben wir die Auffassung gehört, dass Methoden und Protokolle die Kreativität ersticken. Das ist ein Denkfehler. Kreativität ist kein Ziel, sondern ein Werkzeug, genauso wie Methoden und Protokolle Werkzeuge sind. Mit der richtigen Zielsetzung bilden Methoden und Protokolle die Basis, auf deren Grundlage die Kreativität zuverlässig im Sinne der Geschäftsziele gelenkt werden kann.
Fazit
Wenn wir akzeptieren, dass der Wandel unvermeidlich ist und dass er Risiken und Chancen mit sich bringt, die wir vorhersehen und auf die wir reagieren müssen, dann müssen wir ebenso die Unvermeidlichkeit einer organisatorischen Veränderung akzeptieren – den Wandel integrieren. Manche Agenturen haben einen Transformationsplan, manche nicht. Diejenigen, die einen guten Plan haben und ihre gesamte Organisation darauf einschwören, werden erfolgreich sein.
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