Die Möglichkeiten unverkauftes Inventar ohne großen Vermarktungsaufwand anzubieten und auf der anderen Seite einzukaufen, sind in den letzten Jahren zusehends gestiegen. Dieser Online Mediahandel wird von der technologischen Entwicklungen wie steigende Speicher- und Prozessorleistungen und der Cloud-Technologie getrieben. Verlieren die Marktteilnehmer durch den Einsatz dieser Systeme langsam die Kontrolle oder sind sie – mehr denn je – Herr der Lage?
Die Zahl der vermarktbaren Ad Impressions steigt stetig, damit der Druck auf die Vermarkter, das Inventar der Publisher zu vergolden, auch über Low-TKP für Performance-Kampagnen. Die dazugehörige Vermarktung wird weniger über das eigene Sales-Team als über Maschinen und ihre Algorithmen bewerkstelligt. Das Ziel dabei: das Maximum an Ertrag herausholen. Was dabei das Maximum ist, hängt nicht nur von der Art des eingesetzten Handelssystems ab, sondern auch davon, wer darüber Zugang zum Inventar erhält.
Angst vor Kannibalen
Doch ein Gebrauch von diesen Handelsplätzen würde ohne Kontrollmechanismen alle Teilnehmer dieses Handels gefährden. Besonders bangen die Vermarkter und ihre Publisher beim dynamischen Online-Handel um Ihre Pfründe aus dem Premium-Sales-Geschäft. „Vermarkter und ihre Publisher befürchten eine Kannibalisierung ihres Premium-Sales-Geschäfts über Handelsplattformen. Um dies zu verhindern benötigen sie volle Transparenz und eine Qualitätssicherung“, berichtet Henning Lange, Gründer und Geschäftsführer vom Technologie- und Markplatzanbieter Adcloud. Einige Publisher seien laut Lange da sehr sensibel. Während bei einem Marktplatz die Verkaufsseite durch Festlegen von Inventarkategorien zu Festpreisen die Kontrolle behält, verhält sich das bei den dynamischen Systemen mit seinen flüchtigen Ad Impressions und kurzen Reaktionszeit zwischen Angebot und Annahme anders.
Im Bereich der Ad Exchanges hat man mehrere Möglichkeiten gefunden, die Gefahr dieser Kannibalisierung zu bannen wie Thomas Hinrichs, Head of Display and AdX Partnerships Google Deutschland, erläutert: „Auf der Doubleclick Ad Exchange kann das Inventar zum einen anonym verkauft werden. Außerdem gibt es umfangreiche Filtermöglichketen für Publisher – zum Beispiel können einkaufende Netzwerke oder Agenturen, einzelne Kategorien oder auch einzelne Domains geblockt werden. Seit der Admeld-Akquisition sind diese Filtermöglichkeiten noch einmal deutlich erweitert worden.“
Die Kontrollmöglichkeiten und die Beherrschung des eigenen Inventars scheinen sich also zu verbessern. Klimkeit, CEO von der Supply-Side-Plattfrom (SSP) Yieldlab bestätigt das. Neben Whitelists zu Unternehmen und Agenturen können die Publisher den Floorpreis (Mindestpreis) für jeden Advertiser einzeln frei definieren. Damit können die Vermarkter und Publisher über ihr SSP Premium-Advertiser ausschließen oder gegebenenfalls die Impression des Inventars nur zu definierten Sockelpreisen zur Verfügung stellen. „Eine dritte Möglichkeit ist der dynamische Erwerb von Impressions über einen vordefinierten Festpreis. Das ist aber dann eher Realtime-Advertising und hat nicht mehr viel mit RTB zu tun.“ berichtet Klimkeit. Als Kontrollpult stellen die SSPs ihren Publisherkunden eigene Dashboards mit einer Vielzahl von Analysefunktionen zur Verfügung, darunter beispielsweise aktuelle Reportings zu den freigebenden Ad Impressions, den verkauften Ad Impressions und den überschrittenen Mindestpreisen.
Advertiser ausschließen
Keine Premium-Medienmarke will es sich leisten, Banner mit zwielichtigen Werbebotschaften oder Malware auf seine Umfelder zu lassen. Die Anbieter von Handelsplattformen wissen das und betreiben daher einen hohen Aufwand in puncto Qualitätssicherung. „Alle Kampagnen werden von unserem Operationsteam selbst in unserem System angelegt oder freigeschaltet. Das heißt, wir prüfen alle Werbemittel manuell. Außerdem hat der Publisher jederzeit Einblick auf die Werbekampagne und den Preis", sagt Henning Lange.
„Beim Doubleclick Ad Exchange werden zunächst die Werbemittel technischen Überprüfungen auf Malware und Spyware unterzogen. Die Auslieferung solcher schädlicher Werbemittel soll dadurch von vornherein verhindert werden. Auch was die Schaltung von Werbung mit unpassenden Inhalten oder Websites betrifft, gibt es laut Thomas Hinrichs umfangreiche Prüfungsmethoden, ohne dabei allzu konkret zu werden: „Jede einzelne Anzeige durchläuft einen umfangreichen Prüfungsprozess. Und nicht zuletzt muss sich jeder Third-Party-Einkäufer einer Zertifizierung unterziehen, bevor er überhaupt mit seiner Technologie bei uns einkaufen kann.“
Auch die Entwickler kleiner SSPs lassen sich einiges einfallen, um ihre Kunden vor schädlichen Kampagnen zu schützen. Bei der RTBmarkt.de, einer deutschen SSP, die sich auf den Long Tail des Internets konzentriert und derzeit etwa 20 Millionen Ad Impressions verarbeitet, wird zunächst jede DSP explizit jeder Webseite zugeordnet. Geschäftsführer Oliver Daniel Sopalla dazu: „Dem Publisher steht dann frei, DSPs freizuschalten bzw. abzulehnen. Ein weiteres Feature für Publisher sind Ausschlüsse zu jeder Werbefläche, z. B. kein Postview. Beim Bidresponse werden Advertiser und Kampagnen analysiert, sodass eine Liste von unique Kampagnen vorliegt, die aktuell über das System gehandelt werden. Für die Auslieferung einer Kampagne kommt diese auf eine Whitelist. Arndt Henkel, Chefentwickler und Mitgesellschafter, arbeitet gerade daran, dass zukünftig die Publisher selber das Whitelisting übernehmen können – wenn sie möchten.“ Auch Yieldlab empfiehlt Whitelisting. Gerade Vermarkter, die mit RTB beginnen, sollten eher auf das sichere Whitelisting setzen. „Das bietet natürlich die höchste Sicherheit, weil so noch völlig unbekannte Unternehmen erst einmal nicht auf die Seiten des Vermarkters kommen können.“
Schutz der Advertiser vor falsche Umfelder
Für die Praxis noch wichtiger ist der Themenbereich der Brandsafety. „Das ist wirklich ein Riesenproblem in der ganzen Branche“, meint Sopalla von RTBmarkt.de. „Wir versuchen zunächst, dass bei unseren Geschäftspartnern unsere AGBs greifen, damit die Werbebanner und das Umfeld des Werbeträgers zusammenpassen.“ Letzteres reicht im Fall der Brandsafety freilich nicht, da es hier ja darum geht, dass die Werbebanner der Advertiser nicht in einem für sie markenschädlichen Online-Umfeld gelangen dürfen. Aus diesem Grund unterstellen einige konservative Stimmen der Werbebranche dem RTB-Verfahren einen Mangel an Kontrollmöglichkeiten für die Brands.
Tatsächlich ist beim genauen Hinsehen das Gegenteil der Fall, jedenfalls dann, wenn das Angebotsportfolio, das eine SSP bündelt, wie im Falle Yieldlab überschaubar ist. „Das ist nur deutsches Premiuminventar. Es gibt kein ‚blind‘ Inventar bei uns. Der Name des Vermarkters steht als Absender hinter jeder Ad Impression, zudem wird die URL des Werbeträgers direkt zur DSP durchgereicht. Bevor die Werbung ausgeliefert wird, kennt die Einkaufsseite über unsere API die entsprechende Webseite und kann gegebenenfalls selbst Analysen zur Website anstellen.“
Klimkeit zeigt sich aber wenig überrascht, dass es in der Branche immer wieder vorkommt, dass Werbemittel in schädigenden Umfeldern ausgeliefert werden: „Das hat weder was mit Ad Exchanges, SSPs oder DSPs oder dem RTB zu tun. Seit es eigentlich Displaywerbung gibt, hat die Branche das Problem, dass ein Ad Tag an falscher Stelle für Fehlauslieferungen sorgen kann.“
Ähnlich sieht das Thomas Hinrichs von Google, der nicht daran glaubt, dass die Zeiten für eine Brand im Online-Marketing schon einmal sicherer waren: „Früher haben Publisher ihr komplettes unverkauftes Inventar an einen Restplatzvermarkter weitergegeben und hatten dann keinerlei Kontrolle mehr. Automatisierte Plattformen wie die Doubleclick Ad Exchange ermöglichen es hingegen, dass das Inventar beim Vermarkter bleibt, und erhöhen Transparenz und Kontrolle. Von daher ist genau das Gegenteil der Fall: Ad Exchanges erhöhen die Transparenz.“
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