So selbstverständlich, wie das Internet unsere Kommunikationskanäle um E-Mail, Social Networks, Online-Foren oder Internettelefonie erweitert hat, wird es in naher Zukunft auch das klassische Fernsehen verändern. Genau genommen sind wir schon mittendrin in der Entwicklung, denn Video-on-Demand, Stream-TV, Over-the-Top-Angebote, IPTV (Internet Protocol Television) sind als Vorboten des Fernsehens der Zukunft längst real.
Die selbstbestimmte und zeitsouveräne Zusammenstellung des persönlichen TV-Programms ist vor allem ein Phänomen der jugendlichen, internetaffinen Zielgruppe. Aber die Zahl derer, die sich Videoclips, Filme oder TV-Ausschnitte im Netz anschauen, wächst ständig. Für werbetreibende Unternehmen sind das gute Nachrichten. Denn die neuen Bewegtbildinhalte eröffnen ihnen neue Kanäle, um ihre Kunden zu erreichen. Wie Forschungsergebnisse zeigen, wird Werbung dabei keinesfalls als störend empfunden. Video Ads, die gut gemacht sind und unterhalten, kommen bei den Nutzern an. Und für kostenlose Inhalte ist man auch gerne bereit, Werbung zu sehen, wie die wachsende Zahl regelmäßiger Nutzer von werbefinanzierten OTT-Angeboten belegt.
Marktanteile von IPTV
Mit über zehn Millionen IPTV-Kunden (das entspricht einem Marktanteil von 16 Prozent) verfügt Frankreich über den weltweit größten Markt für internetbasiertes Fernsehen. Die Marktbedingungen für IPTV in Frankreich waren und sind durch das geringe und qualitativ nicht mit Deutschland vergleichbare Free-TV-Angebot sowie die eingeschränkte regionale 2/4-Verfügbarkeit von Kabelanschlüssen sehr günstig – dennoch gleicht sich das Nutzungsverhalten in Deutschland getrieben durch das Internet an.
In Deutschland bewegt sich der Marktanteil von IPTV noch im einstelligen Prozentbereich des deutschen TV-Markts. Eine Nutzerzahl, die derzeit zwar noch keine Massenansprache gewährleistet, aber ein zweiter Blick lohnt sich. Denn die Anzahl der Kunden ist nicht die allein relevante Messgröße. Das Marktpotenzial ist deutlich größer, das zeigt der Boom der Breitbandzugänge: Fast 80 Prozent aller deutschen Haushalte (31 Millionen Anschlüsse) nutzen inzwischen einen schnellen Internetanschluss (beispielsweise DSL oder VDSL). Damit liegt Deutschland klar über dem europäischen Schnitt – und die Grundlagen für die Verbreitung von IPTV und somit vom Fernsehen übers Internet sind geschaffen. Bis zum Jahr 2016 wird es weltweit 155 Millionen Haushalte mit IPTV-Nutzung geben – und damit der nicht lineare TV-Konsum ebenso deutlich steigen.
Internetfähige TV-Geräte verändern den Markt …
Wir werden in den nächsten Jahren erleben, dass Fernsehen und Internet immer mehr zusammenwachsen. Viele Anwendungen, die heute noch „nur“ über den PC genutzt werden können, werden dann auch am heimischen TV-Bildschirm und über andere internetfähige Geräte abrufbar sein. Schon heute verfügen zwölf Prozent der deutschen Haushalte über einen Hybridfernseher, 46 Prozent hätten gerne einen. Damit einher geht die rasant steigende Verwendung von Tablet-PCs (auch für Bewegtbildinhalte), deren Verkaufszahlen sich innerhalb der kommenden vier Jahre vervierfachen wird, prognostiziert die Studie TMT Predictions 2012 von Deloitte.
In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf das Projekt Apple TV. Obwohl derzeit noch ein reines (und kostenpflichtiges) Video-on-Demand-Angebot, lassen sich mit AirPlay bereits Inhalte von iTunes via iPhone, iPad und iPod touch streamen – und folgen damit den mobilen Usern. Das für Mitte 2012 erwartete neue Apple-TV-Gerät geht noch einen Schritt weiter. Es soll die derzeitige Set-Top-Box in das Fernsehgerät integrieren und damit den Zugriff auf das Livefernsehen ermöglichen, der bisher am Widerstand der TV-Sender gescheitert war. Denn kein amerikanischer TV-Sender wollte sich seine Werbeeinnahmen von Apple oder Google TV streitig machen lassen.
Google TV hat dies bereits vorgemacht: Die Set-Top-Box ist kompatibel mit jedem herkömmlichen TV-Gerät, empfängt und zeichnet das normale TV-Signal auf. Zusätzlich bietet Google TV Streams von zahlreichen On-Demand-Angeboten, Foto-Web-Alben, Musikdiensten sowie einen Webbrowser, der eine zeitgleiche Nutzung von Bewegtbild und z. B. Social Networks erlaubt. Direktes Feedback wird damit auch für TV-Inhalte – Sendungen, aber auch Werbung – immer relevanter.
… und die Werbung
Aus Sicht des Online-Vermarkters ist es besonders spannend zu sehen, wie sich die Nachfrage nach IPTV entwickelt. Denn über diese Form des Fernsehempfangs kann der Wunsch nach echter Interaktivität mit dem TV-Zuschauer am schnellsten verwirklicht werden. IPTV bringt den Zuschauern nicht nur mehr Flexibilität durch zeitversetztes Fernsehen (Anhalten des laufenden Programms, Aufzeichnung von Sendungen) und Mehrwertdienste wie Video-on-Demand, TV-Archiv und Elektronischer Programmführer (EPG). Interessant für werbungtreibende Unternehmen wird IPTV vor allem durch den Rückkanal, den das Unicast-Verfahren – also die direkte Verbindung zwischen Sender und Empfänger via Internet – eröffnet.
Der Zuschauer kann mit seiner Fernbedienung selbst steuern, ob, wann und in welchem Umfang er sich über Produkte informieren möchte. Wie das aussieht und wie es funktioniert, können Zuschauer von Entertain, dem IPTV-Angebot der Deutschen Telekom erleben. Die Abonnenten von LIGA total!, dem Bundesliga-Kanal von Entertain, bekamen erstmals eine interaktive Werbeapplikation des Exklusivpartners Samsung eingeblendet. Über die Fernbedienung sind Produktinformationen und Videos abrufbar, auch die Teilnahme an einem Gewinnspiel ist möglich. Um nichts zu verpassen, kann die Werbeanwendung in einem Splitscreen angezeigt werden.
Zurzeit arbeitet die Deutschen Telekom gemeinsam mit InteractiveMedia daran, die interaktiven Werbeformate auf Entertain weiter auszubauen. Mit VW wurde bereits ein weiterer hochkarätiger Kunde für IPTV Advertising gewonnen. Im nächsten Schritt ist geplant, Entertain auf alle Endgeräte zu erweitern. Ob dann zukünftig in den Mediaagenturen TV- oder Online-Spezialisten für die Kampagnensteuerung im Bereich IPTV zuständig sein werden, wissen die Agenturen wohl selbst noch nicht. Das zeigt die wechselnde Besetzung mit TV- und Online-Mediaplanern. Das Medium bleibt TV – aber die technischen Möglichkeiten entsprechen denen des Mediums Online.
Ein Traum wird wahr
Die Zuschauer werden in Zukunft noch mehr Zeit mit TV- und Videoanwendungen verbringen. Allerdings wird der nicht lineare Konsum auf Kosten des klassischen TV-Konsums zunehmen. Zugleich kommen deutlich mehr Endgeräte ins Spiel: PC und Smartphone bzw. Tablet werden ganz selbstverständlich und häufiger als heute für Bewegtbildinhalte genutzt. So nähern wir uns dem eigentlichen Trend: Nicht nur die Anschlüsse, sondern vor allem das Nutzerverhalten ändert sich dank der Möglichkeiten des Internets entscheidend.
Das Potenzial für Werbekunden ist gewaltig. IPTV eröffnet völlig neue Möglichkeiten für Werbung treibende Unternehmen und damit auch für die Online-Vermarkter. Nie war es möglich, Kampagnen so zielgenau auf die Vorlieben und Wünsche der Zuschauer abzustimmen. Denn durch Targeting wird der Traum von der exakt auszusteuernden Zielgruppe zukünftig wahr: Die Zuschauer werden individuell erreichbar.
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