Einige Performance Netzwerke erreichen bereits 90 Prozent der deutschen Nutzer. Zunehmend setzen dabei vor allem Ad Networks auf Realtime Bidding – jüngstes Beispiel ist Value Click. Im amerikanischen Markt werden laut Schätzungen von App Nexus in diesem Jahr rund 20 Prozent der Display-Werbung über Echtzeitauktionen gehandelt. Auch hierzulande ist Realtime Bidding auf dem Vormarsch. Man erreiche über diesen automatisierten Handel bereits 90 Prozent der deutschen Internetnutzer – heißt es häufig. Doch lassen sich Reichweiten im Echtzeitgeschäft tatsächlich messen? Was ist sinnvoll, was nicht? Allgemeine RTB-Reichweite, theoretische RTB-Reichweite in einer Zielgruppe und konkrete Netto-RTB-Reichweite einer Kampagne sind verschiedene Paar Schuhe.
Dass allgemein rund 90 Prozent aller deutschen Internetnutzer auch über Realtime Bidding mit Online-Werbung erreichbar sind, wundert nicht. Dazu muss nur jeder entsprechend markierte Nicht-Cookie-Löscher innerhalb eines Monats eine Seite ansurfen, die auch über eine Supply Side Platform (SSP) vermarktet wird oder direkt an eine Demand Side Platform (DSP) angeschlossen ist. Bis zu einem Mindest-TKP lässt sich auch die Nettoreichweite einer einzelnen Kampagne vergleichsweise einfach ermitteln: Das Frequency Cap wird auf 1 gesetzt, ein TKP festgelegt, der über dem üblichen Floorpreis-Niveau liegt, und die Kampagne via RTB-Technologie ausgeliefert. Das ergibt zwar nicht die komplette Reichweite, aber zumindest jene bis zu dem definierten TKP. Mit einem Mond-TKP-Gebot ließe sich so auch die komplette RTB-Reichweite einer DSP abschätzen.
Eine Sinnfrage
Während sich für klassische Umfeldbuchungen die Reichweiten in Unique User verhältnismäßig simpel messen lassen, ist das im Echtzeithandel nicht so einfach. Denn einem Ad sieht man nicht an, ob es über RTB oder klassisch verkauft wurde. Theoretisch können auch Marktforscher wie comScore die RTB-Reichweite ermitteln. Schon heute weist comScore die Reichweiten von Ad Networks aus. Anhand der URL des ausgelieferten Banners wird das jeweilige Werbenetzwerk erkannt. „Wenn Ad Networks es wünschen und sich RTB-Kampagnen anhand der Ad-URL identifizieren lassen, könnten wir für das jeweilige Netzwerk auch klassische und RTB-Reichweiten getrennt ausweisen. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit das sinnvoll ist“, sagt Peter Bernschneider, Senior Account Manager comScore Deutschland. Bisher hat noch kein deutscher Anbieter danach gefragt.
Für Werbungtreibende offensichtlich interessanter ist hingegen, schon vor Kampagnenstart zu wissen, ob und wie schnell via RTB eine gewünschte Nettoreichweite in einer bestimmten Zielgruppe aufgebaut werden kann. „Darüber Aussagen zu treffen, ist schwierig“, erläutert Sacha Berlik, CEO von mexad. Denn die profilbasierte Reichweite ist durch die Datenbasis limitiert. Ein Dienstleister müsste dafür über ein mit demografischen Daten angereichertes Cookie-Portfolio verfügen, das dieser Zielgruppe entspricht. Das ist hierzulande nur selten der Fall. Auch die Cookie-Löscher sind ein Unsicherheitsfaktor.
Reichweite aufbauen
Agenturdienstleister wie mexad können jedoch dafür sorgen, dass RTB-Reichweite in der Zielgruppe des Werbungtreibenden aufgebaut wird. Möchte eine Agentur eine Trading-Kampagne für einen Kunden schalten, verpixelt mexad zunächst die Kundenwebsite und markiert dort Nutzer anonym mit einem Cookie – beispielsweise jene User, die sich für ein bestimmtes Angebot auf der Seite interessieren. Surft der Nutzer anschließend auf Plattformen, die über eine SSP vermarkten oder direkt an eine DSP angeschlossen sind, wird die Ad Impression für diesen User ersteigert und die Werbung ausgeliefert. Mexad arbeitet dazu hierzulande mit allen relevanten SSPs zusammen.
Es wird dabei nur auf jene Ad Impressions gesteigert, von denen man weiß, dass sie Besucher dieser Seite beziehungsweise Interessenten des definierten Angebots waren. „Möchte die Agentur nach Produkt A eine weitere Kampagne für ein Produkt B für den gleichen Werbekunden schalten, ist das kein Problem“, erläutert Berlik. Denn wer konkrete Zielgruppen via Realtime-Handel mit Werbung versorgen möchte, muss entweder die entsprechenden Cookies selbst gesetzt haben oder mit Data-Providern zusammenarbeiten, die über solche Profile verfügen. „Wir sind hierzulande noch weit von amerikanischen Verhältnissen entfernt. Fehlende Reichweiten durch den Zukauf von Profilen aufzufüllen, ist in Deutschland schwierig. Es sind zu wenig Daten vorhanden“, so Berlik. Auch die ungeklärte Datenschutzlage in Europa mache dies schwierig. „Es kommt durchaus vor, dass Agenturen eine RTB-Reichweite für eine bestimmte Zielgruppe wünschen, die nicht auf Anhieb realisierbar ist. In der Regel müssen in diesem Fall Umfelder dazugeschaltet werden“, so Berlik. Auch diese Umfeldplatzierungen werden dann in Echtzeit gehandelt.
Besser bieten
Detaillierte Profilinformationen senken einerseits aber nicht nur die Reichweite im Realtime Bidding, sie machen es andererseits auch wertvoller. „Wer aufgrund eines Datensatzes weiß, dass ein User prinzipiell eine Kaufabsicht für ein bestimmtes Produkt hegt, kann höher bieten, wenn er ein entsprechendes produktspezifisches Banner ausliefern möchte“, sagt Andreas Schwibbe, Geschäftsführer von adnologies. Auf dieser Grundlage kann er in der Regel problemlos alle anderen überbieten, da er weiß, dass die Conversion-Wahrscheinlichkeit für sein Ad bei diesem Nutzer sehr hoch ist. Auch für Brandingkampagnen wird laut Schwibbe die Reichweite wertvoller, „weil es sich bei den demografischen Daten um erhobene Informationen handelt und nicht um Hochrechnungen oder Schätzungen“. Adnologies ist technischer Dienstleister und betreibt unter anderem die Data Exchange Platform euroDX. Gehandelt wird Realtime. Meist sind es E-Commerce-Anbieter, die im Rahmen von Re-Targeting-Maßnahmen Profile auf ihren eigenen Websites erfassen und nicht benötigte Profilmerkmale Dritten auf dem Datenmarktplatz zur Verfügung stellen. Sämtliche Daten sind dabei nicht personenbezogen und auch nicht personenbeziehbar.
Mehrfachnutzungen und Doppelprofilierungen
Anbieter können ihre gesammelten Nutzerprofile aber auch mehrfach zur Weiternutzung freigeben. Für Abverkaufsziele ist es dann sinnvoll, dass der Werbungtreibende den Nutzer möglichst als Erster und nicht als Fünfter oder Sechster anspricht. Daher ist es auch gängige Praxis, bestimmte Profilmerkmale exklusiv anzubieten.
In dieser Gemengelage im Vorfeld Reichweiten für ein profilbasiertes Matching abzuschätzen, ist schwierig. „Wer an Echtzeitauktionen teilnimmt, dabei auf eine bestimmte Zielgruppe targetet und entsprechende Daten von verschiedenen Dateninhabern zukauft, muss wissen, dass 1 + 1 nicht immer 2 ist“, so Schwibbe. Nicht nur weil die Profildaten mehrfach vermarktet werden, auch weil die von verschiedenen Publishern angebotenen Profilattribute letztlich zum selben Nutzer gehören können. Wenn Anbieter A beispielsweise auf seiner Website 100.000 Automobilinteressierte profiliert und Anbieter B auf seiner Website auch, so gibt es eine Schnittmenge an Usern, die von beiden Anbietern profiliert wurden. Erwirbt der Werbungtreibende die Nutzungsrechte für diese 100.000 Profile von Anbieter A und zusätzlich die gleiche Anzahl von Anbieter B, beträgt die profilbasierte Nettoreichweite nicht 200.000, sondern vielleicht nur 120.000 – im schlechtesten Fall erreicht er auch bei Zukauf nur diese 100.000 User. Data-Exchanges wie der von adnologies aber auch DSPs und Agenturdienstleister sind jedoch in der Lage solche profilbasierten Reichweitenüberschneidungen herauszurechnen.
Wer Zugriff auf einen Profilpool hat, kann allerdings schnell erkennen, wer schon Kampagnenkontakt hatte und dementsprechend filtern. Hier zeigt sich der große Vorteil von RTB: Die Kampagnensteuerung ist nicht auf eine einzelne Plattform beschränkt, sondern kann die gesamte Kampagnenreichweite nutzen.
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