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Profile shoppen

Karsten Zunke, 24. Februar 2012

Im Internet zu werben war früher eine einfache Sache. Doch Ad Exchanges, Demand Side Platforms (DSP), Supply Side Platforms (SSP) und Data Management Platforms (DMP) bringen das alte Gefüge durcheinander. Online-Werbung wird komplexer. Umfelder rücken in den Hintergrund, zunehmend sind Zielgruppen gefragt. Von der Technologie getrieben wird das Mediageschäft rasant automatisiert. Das Ziel: Die passende Werbung zur richtigen Zeit an den passenden Nutzer ausliefern. Profilinformationen sind das Stroh, aus dem jetzt Gold gesponnen werden soll.

Mit zunehmenden technischen Möglichkeiten geht der Trend im Web weg von reinen Umfeldbuchungen hin zum profilbasierten Targeting. Doch wer auf Profile targeten möchte, muss sie zunächst besitzen. Im Idealfall wird diese Information auf den eigenen Websites erhoben, als „1st Party Data“. Doch bestimmte Daten sind mitunter nicht verfügbar, in diesem Fall können externe Profildaten genutzt werden, sogenannte 3rd Party Data. Ziel ist es, den zu den jeweiligen Profildaten gehörenden Internetnutzern die passende Werbung einzublenden. Aber ähnlich dem klassischen Direktmarketing werden solche Daten nicht verkauft, sondern Nutzungsrechte vergeben. Die Profilinformation wird in einer Datenbank gespeichert, die zugehörige Profil-ID in einem Cookie auf dem Rechner des Nutzers. Gesammelt werden diese Profildaten von sogenannten Data Management Plattformen (DMP) wie Bluekai, Turn oder Exelate. Gehandelt werden sie auf sogenannten Data Exchange Platforms.

Neben diesen Profildaten wird natürlich auch weiterhin Medialeistung benötigt. Sie wird in der Regel von DSPs über SSPs angefragt und mit den Profilen der DMP in Realtime gematcht. Die Anbieter der Datenplattformen sind in der Regel US-amerikanische Unternehmen, die auf dem deutschen Markt bisher kaum vertreten sind. Aber dies ändert sich momentan. Kürzlich meldete Turn, dass man nun auch den Schritt nach Europa wagt.

Agenturen im Wettbewerb zu Technologiekonzernen

Agenturen wollen dieses Feld nicht den externen Technologiedienstleistern überlassen und nehmen das Heft zunehmend selbst in die Hand. Für Furore sorgte im Sommer 2011 die GroupM, als sie mit Xaxis ein eigenes Unternehmen für digitale Kundenprofile auch in Deutschland an den Start brachte. Es ermöglicht Kunden der GroupM, getargete Werbung sehr effektiv an globales Publikum auszuliefern. Seitdem wird gemutmaßt, was Xaxis wirklich kann und wie es funktioniert. Der Anbieter selbst hüllt sich in geheimnisvolles Schweigen, möchte derzeit mit der Fachpresse nicht über sein Geschäftsmodell und seine Absichten sprechen.

Bei VivaKi geht man mit diesem Thema weniger nebulös um. Bereits im Jahr 2008 startete das Agenturnetzwerk seine Audience On Demand Plattform (AOD) – eine DSP, über die im Bietverfahren Reichweite in bestimmten Zielgruppen ersteigert werden kann.

Lothar Prison

Die Daten, auf deren Basis die Zielgruppen identifiziert werden, werden auf einer VivaKi eigenen DMP kampagnenindividuell aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt. Dazu werden Daten von VivaKi, vom Kunden und/oder von Drittanbietern und ihren SSPs – zum Beispiel von AppNexus – genutzt. „Wir sind der Überzeugung, dass wir nur so eine optimale Datenqualität und größtmögliche Flexibilität für den Kunden bezüglich seiner Targeting-Strategie erreichen können“, sagt Lothar Prison, Chief Digital Officer bei der zum VivaKi-Netzwerk gehörenden Agentur ZenithOptimedia.

Zielgruppen on Demand

Die AoD-Kampagnen laufen auf im Markt verfügbarem Inventar und/oder eigenem Inventar von VivaKi. Laut Prison hat der Kunde jederzeit die Wahl- und Entscheidungsfreiheit, welches Inventar er nutzen möchte. „Durch die Kombination von eigenen und fremden Datenquellen mit denen von Kunden, sind wir in der Lage, bis zu 90 Prozent der Unique User in Deutschland zu erreichen“, so Prison. Bei den Profilinformationen handelt es sich teils um Cookie-Daten, teils um Zielgruppeninformationen, die zum Beispiel auf Studien der Agentur oder der Kunden beruhen. Welche Daten zum Einsatz kommen und ob sie einmal oder mehrfach genutzt werden können, wird kampagnenindividuell mit dem Kunden entschieden.

„Unserem Modell liegt die Annahme zugrunde, dass sich der Markt so rasant entwickelt, dass Technologien – beispielsweise Targeting-Lösungen – sehr schnell veralten. Wer im Rennen bleiben will, muss massiv investieren und steht in Konkurrenz zu großen Technologiekonzernen“, erläutert Prison. VivaKi setzt deshalb auf strategische Partnerschaften mit den Marktbesten einer jeweiligen Technologie – unter anderem Google, Yahoo! und Microsoft und baut eigene Schnittstellen darauf auf.

Gesicherte Demografien

Auch deutsche Anbieter haben die Bedeutung der Daten durchaus erkannt. adnologies aus Hamburg hat bereits im Jahr 2010 mit seiner euroDX-Plattform seine eigene Data Exchange Platform geschaffen. Über diesen Marktplatz werden anonyme Profil- und Bewegungsdaten, gesicherte Soziodemografien sowie Basis- und Produktinteressen gehandelt. Publisher stellen ihre Reichweite zur Verfügung, Agenturen können dadurch Profile und gematchten Traffic einkaufen.

Andreas Schwibbe

Im Gegensatz zu vielen amerikanischen Anbietern hat adnologies seine Profile nicht vorsegmentiert. Ein Profil bei adnologies besteht aus bis zu 50 Merkmalen. Werbekunden können sich ihr Zielgruppensegment dann aus diesen Merkmalen selbst zusammenstellen. Die Profile werden von beteiligten Advertisern zur Verfügung gestellt. „Zunächst erheben die Kunden – vorwiegend E-Commerce-Anbieter – auf ihren Websites eigene Daten. Diese Daten gehören diesen Kunden. Im zweiten Schritt können sie Dritten ein Nutzungsrecht einräumen, beispielsweise für nicht selbst benötigte Informationen“, erläutert adnologies-Chef Andreas Schwibbe. So seien bei Retargeting-Maßnahmen im E-Commerce-Bereich in der Regel nur 10 Prozent der erhobenen Daten für das Retargeting erfolgreich nutzbar. Räumt der Kunde für die nicht nutzbaren 90 Prozent Dritten ein Nutzungsrecht ein, können diese Daten monetarisiert und über den Data Exchange gehandelt werden.

Für Deutschland meldet adnologies nahezu Vollabdeckung, europaweit bietet das Unternehmen 230 Millionen Profile an. Da die Daten bei adnologies vorwiegend im Retargeting-Prozess erhoben werden, verfügt der Dienstleister über sehr spezielle Daten, die sich auf klassischen Contentportalen kaum erheben lassen – von gesicherten Demografien bis hin zu Produktinteressen. Der Handel erfolgt in Echtzeit, Käufer sind DSPs und Agenturen, die diese speziellen Profile für die Targeting-Wünsche ihrer Kunden nutzen können.

Der Markt wird bunter

Auch bei der Mediabrands-Tochter Cadreon dreht sich alles um Targeting. Der Dienstleister für Targeting-Produkte ist seit wenigen Monaten im deutschen Markt aktiv und legt seinen Fokus auf das profilbasierte Online-Targeting. Mithilfe der Plattform des Unternehmens ist es möglich, Zielgruppen zu managen.

Kolja Brosche

Zum einen analysiert der Dienstleister den Website-Traffic auf Kundenseite, um herauszufinden, welche Online-Nutzer-Profile für den Umsatz relevant sind. Zum anderen werden die Zielgruppen gemanagt. Das heißt, es wird ermittelt, wo ähnliche Profile vorhanden sind und was es kostet, diese einzukaufen. Im dritten Schritt wird die Technologie entsprechend konfiguriert, um Media mit diesen Profilen optimal zu matchen. Möchte beispielsweise ein Hersteller Abonnenten für seinen Newsletter erhalten, analysiert Cadreon zunächst das Besucherverhalten auf dessen Website, um zu identifizieren, wer sich überhaupt registriert. Später werden ausschließlich jene Profile umworben, die der Kernzielgruppe entsprechen. „Dabei geht es immer um die ermittelte Kernzielgruppe des Kunden, nicht um seine Wunschzielgruppe“, erläutert Kolja Brosche, Managing Partner von Cadreon. Der Dienstleister verfügt dazu über einen großen Profilpool, der sich aus Nutzerdaten, Kundendaten und externen Daten zusammensetzt und kontinuierlich ausgebaut wird. „Jede Kampagne sammelt allgemeingültige und kundenspezifische Nutzerprofildaten. Kundenspezifische Daten gehören dem Kunden und werden keinem Dritten zur Verfügung gestellt“, betont Brosche.

Diese Unterscheidung in allgemeine und kundenspezifische Profildaten funktioniert ähnlich wie eine in Stücke geschnittene Torte. „Einige Stücke sind neutral – beispielsweise Affinitäten oder soziodemografische Daten. Andere Stücke der Profiltorte sind kundenspezifisch. All diese Profildaten werden exklusiv für diesen Kunden gespeichert. Der Dienstleister arbeitet mit mehreren DSPs zusammen. Über diese Aggregatoren greift man auf Inventar zu und gleicht es mit den Profildaten aus dem eigenen Datenpool ab. In Echtzeit entscheiden die Systeme, ob die Ad Impression für ein bestimmtes Profil ausgeliefert wird. „Die Strukturen für diese Plattformen befinden sich aktuell in Deutschland noch im Aufbau. In Zukunft werden wir über sie auf größere Anteile des deutschen Inventars zugreifen können“, sagt Brosche.

Cadreon arbeitet für die Konzerngeschwister Universal McCann und Initiative. Diese Agenturen können für ihre Kunden bei Cadreon Targeting-Dienstleistungen einkaufen. Doch theoretisch ist die Plattform auch für andere offen. So könnten beispielsweise auch kleine Agenturen auf den Targeting-Dienstleister zurückgreifen, die bisher kein vermarkterübergreifendes Targeting anbieten können.

Der starke Sog von RTB

Auch bei Annalect bucht man Media nicht auf herkömmliche Weise, sondern hat seinen Fokus auf das Realtime Bidding gesetzt. Der zweite Schwerpunkt liegt in der Profilerstellung. „Realtime Bidding funktioniert auch ohne Profilierung sehr gut, beispielsweise auf Domain-Ebene. Hier lassen sich schon enorme Potenziale heben“, sagt Sascha Jansen, Managing Director, Annalect Group Germany. Annalect ist ein Unternehmen der Omnicom Media Gruppe und in den USA schon geraume Zeit aktiv und positioniert sich als eine Agentur für Search, Display und Social. Im Gegensatz zu anderen bietet Annalect nicht nur Profilierungen und Realtime Bidding von Displaywerbung an, sondern auch jede andere Art von automatisierter Media.

Sascha Jansen

„Das Targeting auf Profile kann einen Mehrwert bringen, muss es aber nicht“, so Jansens Erfahrung. So könne es in der Praxis durchaus vorkommen, dass der Arbeitsaufwand der Profilierung nicht durch die bessere Werbeleistung kompensiert wird. „Ein Unsicherheitsfaktor für den ROI ist stets der Cookie. Er ist sehr flüchtig, kann oft nicht wiedergefunden werden“, so Jansen. Auch kennzeichnet der Cookie letztlich nicht den Nutzer, sondern das Gerät. Wird der Computer von mehreren Menschen zum Surfen benutzt, verschwimmen die Profile.

„Über dem Profiling hängt auch das Damoklesschwert politischer Entscheidungen. Schon deshalb machen wir uns mit dem Geschäftsmodell nicht von einem einzigen ‚Feature‘ abhängig“, so Jansen. Das eigene Geschäftsmodell fokussiert primär auf den Benefit des Echtzeithandels und erst dann auf User-Profile. Nichtsdestotrotz wird auf Kundenwunsch auch mit Profilen gearbeitet. Die Profile erhebt das Unternehmen selbst oder greift gegebenenfalls auch auf Partner wie Nugg.Ad mit der Open Targeting Platform (OTP) zurück. Selbst erhobene Profile in einen Pool fließen zu lassen und diese dann auch Drittanbietern zugänglich zu machen, davon hält Jansen nichts. „Hier gibt es aus unserer Sicht noch zu viele ungeklärte Fragen“, sagt Jansen. So widmet sich Annalect weiterhin bevorzugt dem Echtzeithandel. „Das macht uns unabhängig“, so Jansen.

Zurzeit werden in Deutschland etwa 3-5 % der Kampagnen über automatisierte Plattformen abgewickelt. Experten erwarten hier ein kräftiges Wachstum. Prison geht davon aus, dass der Anteil in den nächsten drei Jahren auf 20 % steigen wird. Somit dürfte auch die Nachfrage nach passenden Profilen weiter steigen.

Bild Karsten Zunke Über den Autor/die Autorin:

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