Vergesst die Conversion Rate - 5 KPIs direkt aus der Hölle
André Morys, 31. Januar 2012So langsam fängt der Hype um die Konversionsrate und ihre Optimierung an zu nerven, oder? Ist die Konversionsrate überhaupt die geeignete Kennzahl für Optimierungen? Was sagt diese Zahl überhaupt aus? Ohne einen Bezugspunkt (Benchmark) und die Betrachtung der individuellen Umstände: Im schlimmsten Fall gar nichts.
Doch ganz langsam, der Reihe nach. Es geht hier um die Konversionsrate als Kennzahl – nicht etwa um die Sinnhaftigkeit, diese zu optimieren. Denn: Eine bessere Konversionsrate ist immer besser als eine niedrige. Aber: Die Konversionsrate ist nicht die beste Kennzahl, um den Erfolg einer Optimierungsmaßnahme zu messen.
Klingt verwirrend? Hier ein paar Überlegungen zur Konversionsrate:
- Mit einer hohen Conversion Rate kann man trotzdem Verlust machen – die Kennzahl korreliert zwar mit dem Deckungsbeitrag, sagt aber nichts über diesen aus.
- Schlechter Traffic aus Suchmaschinen oder von Affiliates kann die Conversion Rate extrem senken – ohne dass es betriebswirtschaftliche Auswirkungen hat.
- Ein Test kann einen sagenhaften Uplift von 30 % bringen – trotzdem ist die Conversion Rate noch schlecht.
Was sagt die Konversionsrate als Kennzahl überhaupt aus?
Avinash Kaushik vergleicht die Situation mit einem Rennwagen: Stellen Sie sich vor, Sie müssten mit abgeklebten Scheiben nur nach Instrumenten (Kennzahlen) fahren – hoffnungslos. Erst der Blick aus dem Fenster macht es möglich, die Situation im Kontext zu erfassen. Die beste Kennzahl wird irrelevant (z. B. eine Conversion Rate von – sagen wir – 8 %) sobald der Wettbewerber mit seinem Rennwagen in einem erbarmungslosen Tempo an einem vorbeizieht (sagen wir mit 12 % Conversion Rate). Erst im Benchmark mit dem Wettbewerber entsteht eine hilfreiche Information. („Ich muss Gas geben!“)
Also: Das Glück liegt im Vergleich. Und der ist leider selten möglich. Daher eine theoretische Überlegung im direkten Wettbewerbsvergleich. Stellen Sie sich einfach vor, ihr ärgster Konkurrent hätte eine 50 % höhere Konversionsrate. Das bedeutet vor allem,
- dass er deutlich mehr Geld für Traffic ausgeben kann bei gleichen Cost per Order,
- dass er deutlich effizienter Kunden gewinnen und binden kann,
- dass er seine Budgets sinnvoller ausgeben kann,
- dass er von dem Mehrumsatz schnellere Optimierungen finanzieren kann, etc.
Doch leider bleibt dieser Vergleich ein theoretischer Ansatz, da die Konversionsrate das bestgehütete Geheimnis der meisten Shopbetreiber bleiben wird. Daher möchte ich ein paar alternative Kennzahlen vorstellen, die helfen sollen, die eigenen Optimierungsmaßnahmen besser bewerten zu können.
Fünf Kennzahlen, die Optimierungen besser messen:
Wie kann eine Kennzahl aussehen, die wirklich einen vergleichbaren Indikator für die echte Wirtschaftlichkeit eines digitalen Wertschöpfungsprozesses liefert? Ich habe mal wild phantasiert – dabei sind mir folgende KPIs eingefallen:
Umsatz/Deckungsbeitrag pro Unique Visit:
Wie viel Umsatz bzw. Deckungsbeitrag erwirtschaftet die Website pro eindeutigen Besucher? Auf unterschiedliche Traffic-Segmente angewandt sagt diese Zahl viel mehr über die Effizienz der Kanäle aus als die CR. Avinash Kaushik empfiehlt diese Kennzahl zur Überprüfung der Effizienz von Projekten und Kampagnen à la: „Hat diese Maßnahme den Revenue pro Visitor erhöht?“
BounceValue pro Page:
Einstiegsseiten (Entrance Pages) sind vergleichbar mit den Schaufenstern eines Kaufhauses. Mit dem kleinen Unterschied, dass jede Seite eine Entrance Page sein kann. Ein Shop mit 30.000 Artikeln hat also > 30.000 Schaufenster. Die Bouncerate der wichtigsten Entrance Pages verrät uns, welche dieser Schaufenster schlecht sind (weil sie die Besucher nicht in die Seite ziehen). Multipliziert mit dem Wert eines Visits (siehe KPI from Hell Nr. 1) ergibt sich so ein Verlust als Wert in Euro pro Einstiegsseite. Die Zahl ist für die Top 10 Entrance-Pages bei den meisten Seiten eine beeindruckende Zahl …
Kundenwertverlust pro Seite:
Manche Shops verlieren zwischen Warenkorb und Check-out nur 20–30 %. Andere hingegen verlieren über 40 %, manche gar bis zu 60 %. Eine abstrakte Zahl hinter der ein real verlorener Kundenwert steckt. Die Übersetzung dieser Zahl in einen echten Euro-Betrag hilft die Prioritäten besser zu setzen – zumal sich dieser Betrag mit dem Betrag aus KPI from Hell Nr. 2 vergleichen lässt. Ein Shop, der 5.000 Warenkörbe à 120 Euro verliert, macht einen Verlust von 600.000 Euro pro Tag/Woche/Monat. Übersetzt in Kundenwert (jeder gewonnene Kunde hat einen CLV von 500 EUR) wären es sogar 2,5 Mio. Euro pro Tag/Woche/Monat.
DB pro Traffic-Segment:
Wie oft wird die Conversion Rate pro Segment errechnet – aber was sagt diese Zahl wirklich aus? Maximal geht es um einen Indikator für die Qualität des Traffics, der daraus abzuleiten ist. Doch die betriebswirtschaftlich härtere Währung ist der Deckungsbeitrag. So kann die Conversion Rate für einen bestimmten Kanal zwar sehr hoch sein – wenn der Traffic auch entsprechend teuer ist, könnte der Deckungsbeitrag niedrig oder gar negativ sein. Mit der Conversion Rate „lügen“ sich die Shopbetreiber den Erfolg in die Tasche.
Testeffizienz in Euro:
Wie viele Tests werden pro Jahr gemacht? Was kosten sie? Wie viel Uplift bringen Sie? Erst nach dem x-ten Test zeigt sich, wie gut die CRO-Prozesse wirklich laufen. Binsenweisheiten und oberflächlicher Conversion-Voodoo stoßen dann schnell an seine Grenzen. Auf lange Sicht verfolgen CRO-Prozesse das Ziel kontinuierlicher Uplifts. Die Uplifts sind in Euro messbar. Ebenso bekannt sind die Kosten für die Tests – daraus lässt sich die Effizienz der Testingprozesse in Euro (EUR pro % Uplift) oder als Kosten-Umsatz-Relation (KUR) messen. Vertrauen Sie also in Zukunft nicht mehr irgendwelchen banalen „X % Uplift“-Geschichten, sondern hinterfragen Sie den wahren ROI der Prozesse.
Am Ende zählt die Verbindung mit den Unternehmenszielen
Was bleibt? Die Optimierung und ihre Effizienz stellen einen existenziellen Wettbewerbsfaktor dar. Grund genug, die Optimierungen und ihre Wirtschaftlichkeit mit den richtigen Kennzahlen zu messen. Eine Erkenntnis ist dabei wichtig: Es gibt härtere und aussagekräftigere Kennzahlen als die „einfache“ Konversionsrate. Für alle gilt: Alle Daten existieren, man muss sie nur zusammenbringen. Die meisten wirklich „härteren“ Kennzahlen zeichnen sich dadurch aus, dass sie näher mit dem primären Geschäftsmodell und dessen Zielen verbunden sind: Gewinn. Es ist daher ratsam, jede Kennzahl in Euro auszudrücken – sofern es möglich und wirklich sinnvoll ist. Erst dadurch entsteht ein Bezug, der in Wirklichkeit knallhart existiert: Die Verbindung zwischen Website und Bankkonto bzw. Jahresabschluss.
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