Online-Inventar ist wertvoll. Das gilt nicht nur für hochwertige Brandingumfelder. Auch im Performance-Marketing kann es ein wahrer Schatz sein – und zwar für denjenigen, der die technische Hoheit darüber hat. Wer über das Performance-Inventar herrscht, kann es nach Belieben veredeln, auf Zielgruppen zuschneiden, die Kontaktklassen aussteuern oder ausgeklügelte Targetings aufsetzen. Immer öfter baut nun auch der Mediaeinkauf eigenes Inventar auf und vermarktet es. So machen sich Agenturen von Vermarktern unabhängiger und können die Wünsche ihrer immer anspruchsvolleren Kunden besser erfüllen, da sie alle Fäden selbst in der Hand haben – vom Einkauf über die Aussteuerung bis zum Tracking.
Es ist eine altbekannte Krux im Marketing: Werbekunden wollen und können sich mitunter nicht festlegen. Sie entscheiden gern flexibel, wie viel Budget sie in eine Kampagne investieren. Mediaeinkäufer hingegen sind bestrebt, zu möglichst niedrigen Preisen Inventar einzukaufen. Sie setzen auf großzügige Rabatte. Doch wer lukrative Massenrabatte will, muss entsprechende Mengen ordern. Das ist ein Problem bei wankelmütigen Werbekunden. Immer öfter gehen daher die Mediaeinkäufer ins Risiko. Kaufen mehr Inventar ein, als sie zum aktuellen Zeitpunkt benötigen – in der Hoffnung, es bis zum Zeitpunkt X trotzdem an den Mann zu bringen. Entweder weil der Werbekunde dann doch wie erhofft sehr kräftig investiert oder sich ein anderer Advertiser findet, der sich über den günstigen Einkaufspreis für sein Zielgruppeninventar freut. Vorteil für die Agentur: Sie kann in diesem Fall noch eine Marge machen, alle Beteiligte profitieren.
Ein solches „Trading“ heißt letztlich, dass Agenturen von Medienvermarktern Inventar auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko kaufen und an werbungtreibende Unternehmen verkaufen. „Diese Vorgehensweise ist in klassischen Medien wie TV oder Print bereits seit Jahren üblich. Sie verschafft Werbungtreibenden in Zeiten schwankender Budgets Rabattgarantie und ermöglicht ihnen eine höhere Flexibilität“, erläutert Lothar Prison, Chief Digital Officer ZenithOptimedia. Auch die Medienvermarkter profitieren davon: Wenn sie Inventar als Trade-Volumen an Agenturen verkaufen, bedeutet das eine mittel- bis langfristige Absatzsicherheit.
Trading mit Fingerspitzengefühl
Im Online-Bereich ist der Markt allerdings wesentlich dynamischer, das Inventar gigantisch, die Vielfalt an Werbeformen und Preismodellen enorm. „Wo und in welchem Umfang Trading hier überhaupt Sinn macht, muss sorgfältig abgewogen werden. Es macht sicherlich keinen Sinn, in einem Markt mit täglich variierenden Preisen Kontakte im Rahmen eines Tradedeals 'auf Vorrat' einzukaufen“, so Prison. Wichtiger als die Frage, ob eine Agentur eigenes Inventar erwerbe, sei daher die Frage, wie man die Nachfrage seiner Kunden in diesem dynamischen Markt befriedigen kann. Laut Prison muss man hier zwischen dem performancegetriebenen Geschäft einerseits und der Vermarktung in Premium-Umfeldern andererseits differenzieren.
Im Performance-Segment ist das Inventar quasi unendlich. Hier rechnen Marktbeobachter damit, dass der Werbeplatzverkauf künftig immer stärker automatisiert wird. In Premium-Umfeldern übersteigt die Nachfrage hingegen oft das Angebot, insbesondere bei Online-Video. Da attraktive Werbemöglichkeiten hier eher knapp sind, ist es mitunter eine Herausforderung für Agenturen, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen. „Agenturen müssen in der Lage sein, sowohl in der Langfristplanung als auch im kurzfristigen Geschäft individuellen Kundenanforderungen gerecht zu werden“, so Prison. Ziel von ZenithOptimedia sei dabei nicht, Trading-Volumen auszubauen, sondern die kommunikative Schlagkraft seiner Kunden. „Die Motivation für uns ist ganz klar die, unseren Kunden in schwierigen Zeiten Risiko abzunehmen und Flexibilität zu ermöglichen“, bekräftigt Prison.
Sprudelnde Inventarquellen
Auch andere Agenturen stehen vor diesen Herausforderungen. Um maximale Flexibilität und Skalierbarkeit im Media-Einkauf gewährleisten zu können, verfolgt QUISMA beispielsweise eine vielschichtige Strategie für den Aufbau von Online-Inventarquellen. Über eine integrierte Plattform steht alles vorhandene Inventar gebündelt zur Verfügung. Das eigene Ad Network von QUISMA ermöglicht den direkten Zugriff auf große Mediavolumina von Premium-Publishern, zu denen die Performance-Agentur langfristige Vertragsbeziehungen pflegt. Parallel besteht über die Anbindung verschiedener Ad Exchanges die Möglichkeit des automatisierten Media-Einkaufs per Realtime Bidding. In Kombination verfügt QUISMA über ein riesiges Mediavolumen sowie eine extrem große Userbasis zur Auslieferung und zur Optimierung der Kampagnen. Ergänzend kann das vorhandene Medianetzwerk der Konzernmutter GroupM genutzt oder – wenn gewünscht – auf Kampagnenbasis zusätzliches Inventar punktuell zugekauft werden.
Die Vermarktung des gesamten Inventars erfolgt bei QUISMA über ein eigenes Sales-Team, das die Kunden kanalübergreifend für alle Performance-Marketing-Maßnahmen berät. „Da es sich um ein Performance-Network handelt, findet die Vermarktung nicht über einzelne Platzierungen, sondern immer im Rahmen des gesamten Networks statt“, erläutert QUISMA-CEO Ronald Paul. Im Vordergrund stünden dabei die individuellen Performance-Ziele des Kunden und die dementsprechende Optimierung.
Die Qualität der Platzierungen wird von QUISMA nach eigenen Aussagen durch strenge vertraglich geregelte Qualitätsanforderungen definiert, die parallel einem fortlaufenden Monitoring unterzogen werden. Aufgrund der vielschichtigen Online-Inventarquellen stehen den Kunden nahezu unbegrenzte Mediavolumina zu einem vorab kalkulierten CpC/CpL/CpA für ihre Kampagnen zur Verfügung. Der zentrale Zugriff erlaubt eine übergreifende Aussteuerung und Optimierung über alle verfügbaren Inventarquellen. Zudem profitiert der Kunde von besseren Einkaufskonditionen, die durch die Bündelung großer Mediavolumina und Realtime Bidding erzielt werden können, sowie von einer flexiblen Kampagnenaussteuerung.
Agentur trägt Media-Risiko
Auch die Agentur Performance Media setzt auf hausinternes Inventar. Sie hat dazu ein eigenes Ad Network aufgebaut. „Wir haben bereits vor einigen Jahren erkannt, dass im Display-Responsegeschäft sehr detaillierte und automatisierte Optimierungsansätze dominant werden. Diese Optimierungsansätze sind technisch nur dann vollumfänglich umsetzbar, wenn von der Agentur ein technischer Zugriff auf das Mediainventar besteht. Dies ist nur im Rahmen eines Ad Network möglich“, sagt Performance Media Geschäftsführer Christoph Schäfer. Da das Media-Einkaufsgeschäft und das Betreiben eines Ad Networks zwei verschiedene Geschäftsmodelle sind, hat man hier eine klare Trennung vollzogen und mit Performance Advertising ein eigenes Unternehmen für sein Ad Network gegründet. Möglichen Interessenkonflikten begegnet man damit, dass man in der Regel auf CPO-Basis abrechnet. „Damit tragen wir das Mediarisiko und der Kunde erreicht seine Marketingziele. Entsprechend dem Geschäftsrisiko ist dann auch ein zusätzlicher Deckungsbeitrag gerechtfertigt“, so Schäfer. Diese Leistungen bietet man auch anderen Agenturen an.
Ad Networks bleiben gelassen
Klassische Ad-Network-Anbieter wie ValueClick sehen solche Entwicklungen gelassen. Während sich Mediaagenturen über eigene Inventarnetzwerke ein Stück weit von den Ad Networks lösen, untergraben sie gleichzeitig ihre eigene Unabhängigkeit, so das Argument. „Mit eigenen Werbe- und Restplätzen im Rücken werden sich Mediaagenturen in ihrer eigentlichen Kernkompetenz, der objektiven Kundenberatung, wieder neu beweisen müssen – denn das ist hinsichtlich des Inventareinkaufs und der Optimierung nicht immer miteinander vereinbar“, sagt Andreas Heintze, Country Manager ValueClick Media & Head of Corporate Sales. Hinzukommt, dass die klassischen Ad Networks in der Regel jahrelange Erfahrung im Bereich der Performanceoptimierung haben. ValueClick Media hat alleine in Deutschland nahezu zwölf Jahre Erfahrung und verfügt nach eigenen Angaben über rund 750 Millionen gemanagte Userprofile weltweit.
Auch technisch sieht sich ValueClick für kommende Entwicklungen gut gerüstet. „Durch moderne Optimierungstechnologien, wie zum Beispiel Retargeting bis auf Produktebene, unsere bereits jetzt schon sehr hohe Reichweite und der nun auch in Deutschland startenden Anbindung an Ad Exchanges und Yield-Optimierer via RTB sehen wir uns sehr gut aufgestellt“, so Heintze. Mit seinem neuen Mobile Network bietet das Unternehmen zusätzlich auch brandorientierte Werbung mit aufmerksamkeitsstarken, großformatigen Werbemitteln oder Videos an.
Agenturen an klassischer Vermarktung nicht interessiert
Auch Vermarkter müssen sich noch nicht sorgen. Die Performance-Marketing-Agentur QUISMA legt den Fokus beispielsweise klar auf die bestmögliche Platzierung der Performance-Kampagnen ihrer Kunden. Ein Ziel dabei ist es, einen möglichst direkten Zugang zu hochwertigen, großen Mediavolumina zu schaffen. In das klassische Vermarktergeschäft vorzudringen – sprich die ganzheitliche Vermarktung einzelner Websites zu übernehmen –, ist QUISMA-Chef Paul zufolge nicht vorgesehen.
Laut Schäfer haben die Vermarkter auch in der neuen Systemwelt weiterhin eine sehr starke Position. „Qualitativ guter Traffic ist heute sehr knapp“, so der Agenturchef. Die aktuelle Entwicklung führe dazu, dass immer mehr Vermarkter genau ausgewählte Teile ihres Mediainventars von Marktpartnern betreuen lassen. „Im Ergebnis führt dies zu häufig deutlich höheren TKPs. Auf der anderen Seite sind Brandformate nicht Bestandteil von Ad-Network-Ansätzen. So gesehen ist das Konfliktpotenzial viel geringer, als dies am Anfang der Entwicklung vielleicht vermutet wurde“, sagt Schäfer.
Die Karten werden neu gemischt
Doch in einem sind sich Marktbeobachter einig: Der Online-Display-Advertising-Markt ist im Umbruch. „Das klassische Bild des Display-Advertising-Marktes, in dem es Publisher/Advertiser und dazwischen Agenturen/Vermarkter gab, löst sich immer mehr auf, wird zunehmend komplexer und die Abgrenzungen immer durchlässiger“, sagt Paul. Fakt ist: Durch die zunehmende Technologisierung und Automatisierung – gerade im Performance-Bereich – sind viele neue Marktteilnehmer dazugekommen und haben das Leistungsspektrum innerhalb des Marktes verändert und erweitert – von DSPs, SSPs über Ad Exchanges bis hin zu Data Management Platforms, kurz DMPs. „Beide Seiten, Vermarkter und Agenturen, haben begonnen, ihre Leistungsportfolios ebenfalls zu erweitern, und dringen so in die Welt des jeweils anderen vor.
Im Markt wird es enger, aber auch vielfältiger – das ein oder andere Businessmodell ist inzwischen überholt und wird aussterben“, sagt Paul. Dafür gäbe es aber auch neue Ansätze, die viele neue Chancen eröffnen, beispielsweise in den Bereichen Data Management, Verification und Privacy. Inwieweit sich auch Agenturen, Ad Networks und Vermarkter diese Ansätze zu eigen machen, bleibt abzuwarten.
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