Datenschutzrechtliche Diskussionen einmal außen vor gelassen, gibt es aus werblicher Sicht wohl keinen so konsequenten Ansatz, Nutzer gezielt anzusprechen, als in sozialen Netzwerken. Während wir im klassischen Display Business noch überlegen, bspw. Analogien über die Interessen des Nutzers über Behavioural Targeting herzustellen, lassen sich Google+ und Facebook alles Wissenswerte einfach von ihren Nutzern erzählen. Das sollten sich Marketer mehr zunutze machen!
In Zeiten, in denen die ersten Social-Media-Gurus bereits anfangen darüber zu diskutieren, dass angeblich eine gewisse Social-Media-Müdigkeit einsetzt, launcht Google sein neues G+ Social Network. Seitdem wird viel darüber diskutiert, ob es der Facebook-Killer wird oder nicht.
Und die Zahlen sprechen für sich: Google brauchte 88 Tage, um die 50-Mio.-Nutzer-Grenze zu erreichen. Facebook brauchte dafür 1325 Tage. Facebook hat weltweit über 720 Mio. Nutzer und in Deutschland bereits die 21-Mio.-Marke geknackt.
Die Zeit, die User dem virtuellen Social Networking widmen, ist nach wie vor beeindruckend. Alleine in den USA verbringen Internet Nutzer 25 % ihrer Zeit mit Social Networking und das zu einem großen Teil auf Facebook.
Facebooks neue und allumfassende Timeline
Von Social-Media-Müdigkeit kann also keine Rede sein. Des Weiteren hatte Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor dem Hintergrund enormer und stetig wachsender Userzahlen bereits angekündigt, dass die Anzahl der User im Prinzip zweitrangig ist und das, was zählt, das Engagement-Level ist.
Dazu wurde passend zur kürzlich beendeten dmexco das Konzept der Timelines eingeführt. Zusammengefasst bietet Facebook damit seinen Usern eine neue Möglichkeit, sich mitzuteilen. Wir alle kennen das Prinzip des Likens, Kommentierens, Teilens und Befreundens.
Facebook geht nun einen Schritt weiter und vereint zukünftig Musik, Videos, Nachrichten und andere Informationen unter einem Dach. Spiele, Office-Programme und sonstige Tools sollen über neue Apps gebündelt werden.
Dahinter steckt der Versuch, die Aktivitäten des Users vollständig zu verstehen und die Interaktion automatisiert auszubauen. Künftig gefallen Sachen eben nicht nur, sondern werden automatisch empfohlen, alternativ aufgrund technischer Beschränkungen manuell eingepflegt.
Stellen wir uns einen Reisenden vor, um die Vielseitigkeit des Prozesses plastischer zu machen:
Angenommen man reist von Deutschland nach Übersee, so wird über GPS und Location Based Services Apps (Gowalla, Foursquare etc.) der Standort und die Reisedistanz ermittelt. Die Nutzung zusätzlicher Apps, wie die Lufthansa- oder Deutsche-Bahn-App, erzeugen weitere Informationen über Reiseart und -zeitraum. Dieser Pool an gebündelten Informationen wird dann zentral auf Facebook zu einem einheitlichen Bild der Nutzeraktivitäten im Zeitverlauf zusammengeführt. Andere Anwendungen veröffentlichen beispielsweise den Song, den ich gerade höre, oder die Laufstrecke, die ich gerade hinter mich gebracht habe.
Was heißt das aus Sicht des Werbetreibenden? Auf den Punkt genaue Werbung! In unserem Beispiel tun sich damit für Reiseversicherer, Autovermietungen, Reiseanbieter ungeahnte Möglichkeiten auf. Wenn unser Businessreisender bspw. jede Woche zum gleichen Ort fliegt, so könnten Fluganbieter vergünstigte Preise für regelmäßige Wiederholungsflüge anbieten und Autovermieter bewerben Leihwagen der Flugklasse (1. Klasse, Economy etc.) entsprechend.
Facebook-Marketing kann mithilfe von Spezialdienstleistern zukünftig noch zielgerichteter betrieben werden und die Timeline wird helfen, den Empfehlungscharakter noch stärker in den Vordergrund zu stellen.
Ein Großteil der Daten ist bereits jetzt vorhanden, nur eben nicht gebündelt und in einen großen Zusammenhang gebracht. In unserem digitalen Zeitalter macht Facebook hier einen konsequenten Schritt, unser tägliches Miteinander digital abzubilden, ganz gleich ob Arbeit, Familie, Beruf, Beziehungen oder Erfahrungen.
Und Google?
Spannend wird auch die weitere Entwicklung bei Google sein, die im Prinzip alle Voraussetzungen haben, ebenfalls eine hohe Penetration, vor allem aber ein hohes Engagement-Level ihrer User zu erreichen. Google bedient so ziemlich alle Trendthemen im digitalen Business und das konsequent federführend.
Im Search ist Google Marktführer, in den Kanälen Display und Mobile einer der relevantesten Player. Bei Bewegtbild ist Google mit YouTube bereits fast eine Konkurrenz zum TV und in Kombination mit Social Media lässt sich Consumer-Engagement erzeugen. Es entsteht aus Werberperspektive eine Interaktion mit der jeweiligen Marke auf eine emotionale Weise, die den klassischen Medien in nichts nachsteht und dabei den großen Vorteil der Interaktivität bietet. Google Places und Picasa runden das Bild im wahrsten Sinne des Wortes ab.
Interessant wird hier die weitere Vernetzung der Services sein, aber eins gilt für beide Rivalen gleichsam: Die Stärke liegt in der Verknüpfung der Daten, die der Nutzer in allen Kanälen hinterlässt. Aus Sicht der Werbeindustrie wird es zahlreiche spannende Möglichkeiten geben, zielgerichteter zu werben.
Angefangen mit der Vorstellung, dass Google neben dem Aufbau eines Facebook-Rivalen Search-Ergebnisse mit Empfehlungen von Freunden, Bekannten und Verwandten verbindet, würde dies signifikant die Relevanz von Ergebnissen erhöhen. Wie eingangs erwähnt nutzen viele Menschen bereits heute Facebook, Twitter, YouTube und andere Social-Media-Applikationen ganz selbstverständlich, um Empfehlungen von Freunden über Produkte, Orte usw. zu erhalten. Was liegt also näher und ist natürlicher, als Suchergebnisse powered by family & friends zu nutzen.
Aus Werbersicht ist davon auszugehen, dass G+-Markenprofile einen entsprechenden Page Rank haben werden. So kann direkt aus der Suche auf Markenprofile verlinkt und durch das Hinzufügen des Social Graph Werbung zielgenau an Plus-Profile gelenkt werden.
Google+-Nutzern steht es außerdem ab sofort frei, unter dem Reiter Circles bestimmte soziale Kreise zu erstellen und diese nicht nur wie bisher zu bearbeiten und zu löschen, sondern auch mit frei wählbaren Nutzergruppen oder auch öffentlich zu teilen. Der Kreis ist dann im Stream des Users einsehbar. Auf diese Art und Weise lassen sich somit durchaus interessante weitere Personen auf Google Plus finden.
Aus datenschutzrechtlicher Perspektive ist es wohl die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub. Ohne an dieser Stelle weiter ins Detail zu gehen, sollten wir eines nicht vergessen:
Niemand zwingt uns zur Nutzung von sozialen Netzwerken. Noch weniger werden wir dazu gezwungen, unsere persönlichsten Daten offenherzig preiszugeben. Wir alle sind diejenigen, die diese Möglichkeiten geschaffen haben, indem wir unsere Daten freimütig kundtun und die Services dieser Netzwerke nutzen, um mit unseren Freunden, Bekannten, Verwandten und Geschäftskollegen zu interagieren.
Aus werblicher Perspektive gilt, dass es wohl keinen so konsequenten Ansatz gibt Nutzer gezielt anzusprechen. Während wir im Online Display Business noch überlegen, Analogien über die Interessen des Nutzers über Behavioural Targeting herzustellen, lassen sich Google und Facebook alles Wissenswerte einfach von Ihren Nutzern erzählen.
Ob Google+ final die Akzeptanz von Milliarden Nutzern findet oder Facebook 1 Mrd. Nutzer vor Ende 2011 erreicht, ist schwer zu sagen. Eines ist klar: Menschen wollen miteinander interagieren und sind bereit, offenherzig kundzutun, welche Musik sie mögen, wo es die beste Pizza gibt und wo sie sich gerade aufhalten.
Dominierend für die nächsten Jahre wird sein, dass ein Großteil der Online-Zeit für Online-Interaktion verwendet wird. Für die werbetreibende Industrie ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten und am Ende sind die Nutzer die Gewinner, da wir bessere Tools bekommen, relevantere Inhalte und alles in allem mehr Möglichkeiten, online zu finden, was wir suchen.
Selten war die Floskel „Konkurrenz belebt das Geschäft“ zutreffender als beim Internetzweikampf zwischen Facebook und Google.
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