Targeting erfreut sich seit Jahren zunehmender Beliebtheit und wird inzwischen von nahezu allen Parteien im Markt eingesetzt, vor allem auch um nachhaltige Branding-Ziele zu erreichen. Auch wenn es keine verlässlichen Zahlen im Markt gibt, kann man davon ausgehen, dass heute bis zu 30 Prozent aller Kampagnen mit irgendeiner Form des Targetings ausgeliefert werden – Tendenz rasant steigend.
Qualitätsfragen im Markt
In den vergangenen Wochen wurde immer wieder die Frage gestellt, ob Targeting überhaupt funktioniert und was man von solchen Systemen erwarten kann. Ist eine 100%ige Trefferquote in der Zielgruppe eine realistische Erwartung? Ist es z. B. gut, wenn ein Targeting-System die gewünschte Zielgruppe zu 60 % trifft? Oder sollte man grundsätzlich mindestens 80 % erwarten können? Oder sind ganz andere Größen relevant? Erfüllen andere Systeme in der Mediaplanung und Steuerung diese Quote? Wie ist der Fehler in der Zielgruppenansprache zu bewerten – als Leistungsausfall?
Fehlerkultur in der Mediaplanung- und Steuerung
Sehen wir uns die TV-Welt an. Hier werden nahezu sämtliche Buchungen und Wirkungsnachweise über ein von der AGF in Zusammenarbeit mit der GFK gepflegtes Haushaltspanel ermittelt. Dieses Panel wird mit großem Aufwand rekrutiert und gepflegt, denn die Repräsentativität der 5.640 Haushalte (ca. 13.000 Personen) ist von entscheidender Bedeutung bei der Berechnung von Einschaltquoten für 72,2 Mio. Personen, effektiven Reichweiten und Kontaktdosen für die TV-Kampagnen.
Wenn z. B. ein Werbeblock eine Einschaltquote von 12.000 Personen hat, sprechen wir nicht von 12.000 gemessenen Werbeauslieferungen, sondern von ca. zwei Personen im Forschungspanel, die einen Werbeblock teilweise gesehen haben und damit eine Chance hatten, einen Werbespot zu sehen. Jeder Einzelne in dieser Gruppe steht für etwa 6.000 andere Personen in der tatsächlichen Zielgruppe. Einmal versehentlich nicht abgemeldet (weil er/sie z. B. zur Toilette ging), produziert also einen Messfehler von 6.000 Personen, die die Kampagne tatsächlich nicht gesehen haben. Dennoch gilt diese Art der Hochrechnung forscherisch jahrzehntelang als erprobt und funktioniert zuverlässig. Wenn der Werbekunde z. B. wissen möchte, ob in seiner Zielgruppe die erwünschte Kontaktdosis von mindestens fünf Werbemittelkontakten erzielt wurde, ist die Aussage eine rein statistische und mit relativ hohen Fehlerquoten behaftet.
Ähnlich ist es in der Print-Forschung, die aus diversen Gründen mit noch mehr Annahmen arbeitet und wo man seit Jahren akzeptiert hat, dass bestimmte Produkte angeblich bis zu zweistellige Leseranzahlen haben – wohlgemerkt, pro Heft bzw. Zeitung!
Und wer jetzt denkt, Online würde sicherlich einfach alles gemessen und nichts hochgerechnet, liegt abermals falsch. Auch die internet facts der AGOF basieren auf einer Kombination von Befragungs- und Messdaten, die auf statistischen Annahmen beruht und mit Hochrechnungsfaktoren arbeitet (man arbeitet auf ca. 100.000 Fällen pro Studie). Viele der in dieser Studie verfügbaren Produktinteressen werden zudem telefonisch erfragt und mit zusätzlichen statistischen Verfahren an die Studie fusioniert. Auch hier sind also Aussagen über eine reale Zielgruppe, die Kontaktdosis etc. statistischer Natur und entsprechend fehlerbehaftet.
Mediaplanung arbeitet also überall mit Annahmen und Statistiken und damit mit Fehlern. Welche Zielgruppe mit welcher Kontaktdosis real erreicht wurde, ist somit immer eine andere Frage, die nicht selten gewisse Überraschungen zutage fördern würde – wenn es denn überhaupt messbar wäre.
Also alles Lug und Trug? Mitnichten. Derartige Planungssysteme haben auch erhebliche Vorteile gegenüber anderen Herangehensweisen wie z. B. einer Vollmessung oder Intuition, denn sie sind durchaus valide und systematisch, von Mach- und Bezahlbarkeit mal ganz zu schweigen. Vor allem aber stellen derartige Systeme etwas zur Verfügung, was für einen professionellen Markt von essenzieller Bedeutung ist, nämlich eine einheitliche Planungssicht auf einen gesamten Markt!
Diese Systeme stellen eine unentbehrliche Mechanik zur Verfügung, mit der ein Werbetreibender und seine Agentur seine Maßnahmen planen und aussteuern kann beziehungsweise die eine Grundlage für die Evaluation der Agentur-Planungsarbeit und der Medienleistung darstellt.
Mehr Licht! Targeting macht nicht mehr Fehler als andere Systeme, die Fehler sind nur messbarer.
Wie verhält es sich nun mit Targeting-Systemen in diesem Zusammenhang? Der entscheidende Unterschied zwischen Targeting-Systemen und klassischen Ansätzen der Mediasteuerung ist, dass die Zielgruppe direkt am Adserver buchbar gemacht wird und nicht erst der Umweg über ein Forschungstool gewählt werden muss. Die Vorteile sind: Effizienz & Schnelligkeit, Flexibilität in der Buchung und Aussteuerung, Unabhängigkeit von Umfeldern und damit höhere verfügbare Reichweiten. Aber natürlich sind auch derartige Systeme fehlerbehaftet, denn sie basieren auf Statistik und Annahmen. Der Unterschied besteht vor allem darin, wo der Fehler entsteht und wie offensichtlich (und damit mess- und steuerbar) er ist!
Wenn also in einem Targeting-System Frauen, 20-29, mit einer Kontaktdosis von mindestens 4 Kontakten gebucht werden, dann wird auch hier auf der Basis von Befragten und deren Surfverhalten eine Hochrechnung vorgenommen, um zu ermitteln, ob der konkrete Fall in die Zielgruppe fällt und die Werbung geschaltet werden sollte.
Die häufig kolportierte Annahme, Targeting könne Streuverluste „eliminieren“, ist also definitiv falsch – denn kein Mediaplanungssystem auf der Welt kann das!
Online besticht durch die Möglichkeit, kampagnenbegleitend die Zahl der Kontakte pro User, die Kampagnenwirkung und z. B. über Panels auch die Treffergenauigkeit innerhalb der gebuchten Zielgruppe zu messen. Dieser Vorteil der Messbarkeit führt allerdings dazu, dass die Fehler deutlicher zutage treten.
Tatsächlich ist es so, dass moderne Targeting-Systeme in der Regel mindestens so gute Leistungswerte erzielen wie klassische Systeme – meist wird der Fehler sogar signifikant kleiner sein, schlicht, weil sehr moderne Algorithmen zum Einsatz kommen, weniger Datensätze miteinander verrechnet werden müssen, die Erhebungen zeitnah und damit aktueller sind und letztlich erheblich mehr Messdaten zur Verfügung stehen.
Die Echtdaten kommen …
In den letzten Monaten betreten fast im Monatsrhythmus neue Player den Markt und behaupten, einen unermesslichen Fundus von Messdaten anbieten zu können. Solche Daten sind – wenn sie korrekt erhoben wurden – tatsächlich eine hervorragende Quelle, um dazu passende Kampagnen zu steuern und besser zu machen. Wenn man also z. B. weiß, dass ein User kürzlich ein Autohandelsportal aufgesucht hat, wird sich mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Probefahrt oder Aufmerksamkeit für das Thema generieren lassen.
Ist das tatsächlich die Lösung für das oben beschriebene „Problem“? Oder anders gefragt, wäre es möglich, eine große FMCG-Kampagne für einen neuen Wellness-Joghurt auf der Basis von Messdaten auszusteuern oder eine Gesamtmarktplanung nach einheitlichen Standards durchzuführen? Sind überhaupt ausreichend Messdaten zu Alter und Geschlecht vorhanden, um eine nationale Kampagne mit großer Reichweite über mehrere Vermarkter auszusteuern?
Die Antwort ist nein. Denn es gibt einfach nicht genügend Messdaten zu vielen Produktgruppen und Zielgruppen und es wird auch auf lange Sicht keine Möglichkeit geben, Planungsprozesse und Instrumente auf der Basis von irgendwie standardisierten Messdaten aufzusetzen. Und natürlich sollte gerade bei der Nutzung von Echtdaten die Datenschutzfrage jederzeit unmissverständlich geklärt sein …
Targeting funktioniert
Targeting funktioniert! Und wenn man die Erwartungen in realistischen Bahnen hält, sind die Erfolge durchaus beeindruckend – nicht selten schlägt die Treffergenauigkeit des Targetings die entsprechende Channel-Rotation des Vermarkters oder spielt auf einem ähnlichen Qualitätslevel – bei gleichzeitig hervorragenden Ergebnissen in Bezug auf Branding-Wirkung oder andere Leistungsmerkmale der Kampagne.
Auf den Punkt gebracht – 40 % Männeranteil durch Targeting kann nicht gut sein, oder? Was aber, wenn die 40 % in einem Umfeld getroffen wurden, in dem ohne Hilfsmittel nur 5 % erreicht worden wären? Der Streuverlust also um den Faktor 8 reduziert werden konnte? Wie man sieht, bedarf ein Leistungswert immer eines Benchmarks, um beurteilt werden zu können – das kann ein Zufallswert im gleichen Umfeld sein oder eine Channel-Buchung mit dem gleichen Ziel.
Die Chancen für Online als Medium im Mix steigen gerade durch Methoden des Targetings erheblich – einfach weil kein anderes Medium ein vergleichbares Level an Messbarkeit und Transparenz liefern kann. Die Bedeutung dieser Mechanismen wird in Zukunft noch zunehmen – spätestens dann, wenn immer mehr TV-Budgets ins Digitale umgeschichtet werden müssen. Natürlich kann die Messbarkeit und Transparenz der neuen Tools auch gegen diese gewendet werden – aber damit legen wir nicht nur Maßstäbe an, die in klassischen Medien niemals angelegt würden, sondern wir zerreden frühzeitig eine Technologie, die bei Licht betrachtet vieles besser kann als klassische Planungstools.
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