Branding- und Performance-Maßnahmen lassen sich bekanntlich nicht strikt trennen, wobei sich digitale Maßnahmen natürlich für die Markenkommunikation, wie auch für den Abverkauf eignen. Nun gibt es für beide Disziplinen Spezialisten, die sich gegenseitig Defizite vorwerfen. Im Performance-Marketing werkeln viele Spezialisten, denen angeblich der Blick über den Tellerrand und Marketingsachverstand fehlen. Auf der anderen Seite wollen viele klassische Lead-Agenturen mit der „hässlichen“ oft sehr technischen Performance Disziplin nichts zu tun haben. Wolfgang Thomas, Geschäftsführer der Online-Media-Agentur Netzwerkreklame spricht mit ADZINE über seine Erfahrungen in der Abstimmung mit Kunden und Agenturen.
Adzine: Herr Thomas, wo liegt bei Ihrer Agenturen-Arbeit der Schwerpunkt, Branding oder Performance?** Netzwerkreklame ist eine integrierte Online-Media-Agentur, d. h. wir bieten alle Online-Instrumente wie Display, SEM, Affiliate, Social und Mobile Marketing. Unser Schwerpunkt liegt aber im Performance-Bereich. Nicht weil wir uns ausschließlich als Performance-Agentur sehen, sondern weil es insgesamt im Markt für Online-Werbung weit mehr Performance-Kampagnen als Branding-Kampagnen gibt.
Adzine: Woran liegt das?
Wolfgang Thomas: Viele Kunden trennen noch immer zwischen Markenbildung mithilfe der klassischen Medien und nutzen das Internet ausschließlich für ihre Response-Aktivitäten.
Adzine: Bei Branding-Maßnahmen denken viele zuerst an die klassischen Medien …
Wolfgang Thomas: Ja, aber wenn ich als Unternehmen ein neues Produkt bei der Zielgruppe der 25-35-Jährigen bekannt machen möchte, komme ich aufgrund der veränderten Mediennutzung am Internet nicht mehr vorbei. Außerdem würde das im Print oder TV ganz schön teuer werden.
Adzine: Arbeiten Sie als Mediaagentur mit Schwerpunkt Performance eher direkt mit dem Kunden zusammen oder kommen Sie dabei auch regelmäßig mit anderen Agenturen in Kontakt?
Wolfgang Thomas: Wir arbeiten überwiegend unmittelbar mit dem Kunden zusammen. Dort entweder mit der Marketing- oder der Vertriebsabteilung. Einige Kunden haben bereits eigene Online-Units, entweder für Online-Kommunikation oder dem Internetvertrieb, die dann das Zusammenspiel mit Kreativ- und anderen Spezialagenturen koordinieren. In einem Fünftel der Fälle bedienen wir Kunden gemeinsam mit anderen, meist kleinen oder mittelgroßen Agenturen, mit denen wir schon mehrere Jahre erfolgreich zusammenarbeiten.
Adzine: Was sind das für Agenturen, mit denen Sie da in Kontakt kommen, wenn Ihre Agentur den Abverkauf online steuert. Und wie funktioniert da die Abstimmung?
Wolfgang Thomas: Das ist sehr unterschiedlich. Oft haben wir es mit Kreativagenturen zu tun, die etwa die Werbemittel und die Landing-Pages entwickeln oder verantworten. Das ist aber nicht einheitlich. Die großen klassischen Lead-Agenturen halten sich gern zurück und beauftragen für Werbemittel wiederum eine spezialisierte Web-Agentur mit Online-Kompetenz.
Adzine: Wenn Sie ihre Kampagne optimieren wollen und festgestellt haben, dass das Visual der Creatives nicht funktioniert. Mit wem reden Sie denn dann?
Wolfgang Thomas: Mit dem Kunden. Und oft können wir durch eine hohe Effizienz beim Mediaeinkauf oder Targeting auch mit suboptimalen Werbemitteln eine zufriedenstellende Performance erzielen.
Adzine: Und wenn eine Agentur Sie von vornherein beauftragt hat?
Wolfgang Thomas: Wenn wir als ausgelagerter Performance-Arm agieren, sprechen wir meistens mit dem Kundenberater der Agentur. Da ist das Phänomen „Stille Post“ vorprogrammiert, was bei eingespielten Partnerschaften noch funktioniert. Als Generalisten müssen Kundenberater dann durch uns als Spezialisten überzeugt werden, dass der Mehraufwand einer Optimierung sich für alle Beteiligten lohnt. Schließlich muss das Ganze mit dem Kunden noch einmal abgestimmt werden. Das verlangsamt natürlich das Ganze.
Adzine: Und das passiert häufiger?
Wolfgang Thomas: Ja, aber bei eingespielten Partnerschaften kriegt man das gut in den Griff. Schwieriger ist das bei einer projektweisen Zusammenarbeit mit den großen Namen der Werbeszene. Gerade bei den großen Lead-Agenturen herrscht manchmal rührende Hilflosigkeit.
Adzine: Was meinen Sie konkret?
Wolfgang Thomas: Unsere Erfahrung hat gezeigt: Je größer und bekannter eine Kreativagentur, umso schwerer tut sich diese, ganz normale und funktionierende Werbebanner zu bauen. Kleine und mittelständische Agenturen bis 50 Mitarbeiter sind meist viel versierter, flexibler und unprätentiöser.
Adzine: Was sind die Ursachen, was meinen Sie?
Wolfgang Thomas: Vielleicht ist die Aufgabe auch einfach zu trivial, sodass man dazu nur Youngster beschäftigt. Es ist eine Schande: Wir haben mit keinen anderen Partnern so viel Probleme wie mit den großen namhaften Kreativagenturen. Das Irritierende daran ist, dass selbst gestandene Werber dort eine erschreckende Unkenntnis im Bereich Online-Marketing haben.
Adzine: Vielleicht ein Generationsproblem?
Wolfgang Thomas: Nein, es ist in den letzten 10 Jahren leider nicht besser geworden. Vielleicht liegt es dort an der Bezahlung oder an der Reputation von Online. Vielleicht sind es auch die technischen Einschränkungen des Internets, wo man als Kreativer nicht mit hochauflösenden Bildern und Filmen arbeiten kann. Einfacher, schneller und konstruktiver ist dann oft die Zusammenarbeit mit Subdienstleistern, die für die Lead-Agentur tätig sind.
Adzine: Gibt es noch weitere Abstimmungsschwierigkeiten mit den Lead-Agenturen?
Wolfgang Thomas: Klassische Lead-Agenturen sind es gewohnt, den Kunden von ihrer Idee zu überzeugen, und glauben selbst fest daran. Markenbekanntheit und Sympathiewerte werden dann meistens, wenn überhaupt erst nach einem halben Jahr abgefragt. Das ist die einzige Form von Messbarkeit und Reporting, die sie traditionell anwenden. Das schnelle Feedback in Form von Reportings über Klicks, Käufe und Leads wie im Online-Marketing sind diese Agenturen nicht gewohnt. Damit können sie nicht umgehen.
Adzine: Also gilt im Performance-Marketing, dass eine direkte Abstimmung zwischen der Mediaagentur und dem Kunden besser funktioniert?
Wolfgang Thomas: Auch in der klassischen Werbung sind die Zeiten, wo Media im Taxi auf dem Rückweg von einer Kreativpräsentation besprochen wurde, meist vorbei. Da Online sowohl im Branding- als auch im Performance-Bereich viel schneller optimieren kann, sind kurze Wege ungemein wichtig. Ideal ist eine enge Zusammenarbeit von Kreation und Media auf Augenhöhe. Aber ich wehre mich gegen diese Dualität „Performance“ auf der einen Seite, „Branding“ auf der anderen. Es gibt keinen Kunden, der mit seinen Werbemaßnahmen am Ende keine Abverkaufsleistung erzielen möchte. Branding und Performance unterscheiden sich im Betrachtungshorizont und in der Art der Messung. Bei Performance-Kampagnen geht es um eine kurzfristige Betrachtung und die unmittelbare Messbarkeit. Ich kann sofort sehen, was mit der Kampagne geschieht, und sofort optimieren. Bei Branding soll eine Botschaft einer Marke in den Köpfen der Zielgruppe verankert werden, um dann vielleicht ein halbes Jahr später einen Abverkauf zu erzielen.
Adzine: Sollte der Performance-Maßnahme immer eine Branding-Kampagne zeitlich vorgelagert sein?
Wolfgang Thomas: In den wenigsten Fällen arbeiten wir mit einer „jungfräulichen Marke“, meistens ist die Marke bereits bekannt. Daher ist es sehr schwierig, hier eine Art Gesetzmäßigkeit herauszulesen. Bekannte Marken performen besser. Es wird schwieriger mit der Performance, wenn es sich um eine völlig unbekannte Marke handelt. Eine parallel geschaltete Performance-Kampagnen zu einer TV- oder Print-Kampagne zeigt höhere Klickraten oder Conversions. Spannend wird es, wenn wir im Customer Journey die Synergien einer integrierten Kampagne aufzeigen.
Adzine: Können Sie etwas mehr zu den Wechselwirkungen zwischen Branding-Kampagnen und Online-Performance-Maßnahmen sagen?
Wolfgang Thomas: Dass Google Textanzeigen in irgendeiner Form den Markenaufbau unterstützen, halte ich für Wunschdenken. AdWords ist ein „Ernte-Instrument“. Anders verhält es sich, wenn wir Display machen. Ein großer Teil der Wirkung durch die Sichtkontakte im Internet zahlt hier auf Awareness, Bekanntheit und Sympathie einer Marke ein. Dafür wird ein geringerer Anteil an Response-Leistung im Vergleich zu einer AdWords-Anzeige erzielt. Integriert betrachtet macht es auch überhaupt keinen Sinn, eine Performance-Display-Kampagne ausschließlich nach der unmittelbaren Abverkaufsleistung zu beurteilen. Wir stellen hier dem Kunden regelmäßig auch Werte wie Reichweite, die Durchschnittskontakte, Post-View-Conversions und Share of Voice zur Verfügung.
Adzine: Betreiben Sie selbst für Performance-Display-Kampagnen begleitende Marktforschung?
Wolfgang Thomas: Ja, sofern die Marketingabteilung des Kunden dies wünscht und auch finanziert. Der Nachweis für Branding-Wirkungen ist ja bekanntlich nicht so simpel wie die Responsewirkung.
Adzine: Also haben sie es bei Performance-Display-Maßnahmen immer auch mit der Marketingabteilung des Kunden zu tun?
Wolfgang Thomas: Das kann man einfach nicht pauschalisieren. Jeder Kunde ist anders organisiert. Je strategischer die Fragestellung, umso mehr Abteilungen und Ansprechpartner sind involviert, bis hoch zur Geschäftsführung. Es gibt Kunden, die haben eine eigene Online-Marketing-Unit, die zwischen Marketingabteilung und dem Vertrieb angesiedelt ist.
Adzine: Nun gibt es ja im Bereich Online neben Search- und Display- auch Affiliate-Marketing und das Dialogmarketing wie E-Mail-Marketing. Sollte eine Online-Mediaagentur immer besser alles anbieten? Oder fährt der Kunde eher besser, wenn er sich die einzelnen Spezialisten zusammensucht?
Wolfgang Thomas: Online wächst zwar, ist und bleibt aber nur ein Teilmarkt. Zu viele Spezialisten erhöhen den Abstimmungsaufwand. Daher sind wir der Auffassung, dass wir als Mediaagentur für Online alles abdecken sollten, um den Kunden eingehend und umfassend beraten zu können. Natürlich gibt es Ausnahmen: Einige Unternehmen haben so große Strukturen aufgebaut, dass sie die Zusammenarbeit mit sieben, acht oder mehr Spezialagenturen orchestrieren können. Die brauchen dann aber auch keine Lead-Agentur mehr. Der typische Kunde, mit dem wir es zu tun haben, ist aus meiner Sicht mit einer integrierten Agentur am besten aufgehoben. Würde ein Kunde ein Budget von, sagen wir, 400.000 Euro auf verschiedene Spezialagenturen verteilen, wäre er für die einzelnen Spezialagenturen nicht mehr relevant.
Adzine: Das bedeutet doch, dass kleine Spezialagenturen bspw. für die Einzelbereiche Search Advertising, Affiliate usw. langfristig genauso aussterben werden wie Performance-Agenturen, denen das Know-how für den Markenaufbau fehlt, oder?
Wolfgang Thomas: Reine Performance-Agenturen werden es in Zukunft schwerer haben. Sicher, einige Kunden werden das Internet weiterhin ausschließlich als effizienten Vertriebskanal nutzen. Hier braucht eine Agentur auch keine Kenntnis zur Markenführung haben. Aber bei den meisten Werbungtreibenden spielt die Marke eine entscheidende Rolle. Und hier haben einige hochspezialisierte Online-Agenturen ein Defizit.
Adzine: Welches?
Wolfgang Thomas: Viele Performance-Agenturen kommen aus der technischen Ecke. Da fehlt jegliche Kenntnis vom klassischen und strategischen Marketing. Programmierer und Suchmaschinenoptimierer haben nun mal keine fundierten Marketingkenntnisse. Würden Sie strategische Marketingfragen wie die Nutzung von Social Media mit einem IT-Spezialisten diskutieren wollen?
Adzine: Stellen Sie fest, dass typische Performance-Agenturen es immer mehr auch auf Branding-Budgets abgesehen haben?
Wolfgang Thomas: Nicht direkt Branding, aber Display. Irgendwann kann eine SEM-Agentur nicht mehr wachsen. An diesen Punkt sind jetzt viele SEM-Agenturen angelangt. Da liegt es nahe, sich mit grafischer Werbung auseinanderzusetzen und Branding als Begleiteffekt in die Kommunikation mit dem Kunden aufzunehmen. Überspitzt gesagt: eine Schulung im Google-Display-Netzwerk reicht nicht aus, um ein relevanter Ansprechpartner für das Marketing zu werden.
Adzine: Herr Thomas, vielen Dank für das Gespräch.
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