Ganz schön ‚sophisticated‘ sind die Agenturen-Adserver inzwischen. Die Anbieter der Systeme für die Auslieferung für Werbebanner stehen aber auch mächtig unter Innovationsdruck – mehr denn je. Geht es seit Längerem schon um eine Vereinfachung der Arbeitsprozesse für die Agentur und der Integration von Rich-Media-Werbung und Mobile Advertising, sind nun auch neue Funktionen zur Customer Journey (Path To Conversion) und die Sicherstellung des Werbeeinsatzes (Ad Verification) selbstverständlich geworden. Und jetzt steht auch noch der automatische Mediahandel mit Realtime Bidding in den Startlöchern. Braucht es bald eine Maschine, die alles kann?
Für jede Aufgabe ein Tool. Besonders in den USA gibt es zahlreiche Zusatzanbieter, die der Agentur das Leben vereinfachen wollen. Speziell der Bereich Ad Verification ist jenseits des Atlantiks schon länger ein Thema. Bei der Ad Verification geht es vor allem darum, dass die Agenturen sicherstellen können, dass die Werbebanner in den tatsächlich gebuchten Werbeumfelder des Publishers erscheinen, und vor allem auch darum, dass der Nutzer die Chance hatte, die ausgelieferte Werbung zu sehen.
Diese Sichtbarkeit der Werbemittel ist inzwischen auch in Deutschland eines der heißesten Themen der Branche. Hier scheinen die Werbungtreibenden mächtig Druck auf die Vermarkter auszuüben, auch der OVK (Online-Vermarkterkreis im BVDW) beschäftigte sich in seiner letzten Sitzung mit dem Thema Sichtbarkeit. Im Gespräch ist gar ein neues Abrechnungsmodell, das die Sichtbarkeit und deren Dauer berücksichtigt.
Sichtbarkeitsnachweis
Diese Sichtbarkeitsmessung kann aufseiten der Agentur sowohl von einem unabhängigen Toolanbieter als auch von einigen Agentur-Adservern nachgewiesen werden. Wäre es also dann nicht sinnvoll, dass die Agentur diesen Nachweis stets über ihren eigenen Adserver bewerkstelligt, selbst wenn die Adserverkosten mit dieser Zusatzfunktion steigen würden?
Doch um Kostenersparnisse geht es der Mediaagentur oftmals gar nicht, wie uns Reza Malek, Managing Director von Neo@Ogilvy, versichert: „Als Treuhänder des Kunden, was das Mediabudget betrifft, sind wir auch bereit, höhere Adserverkosten auszugeben, wenn wir dadurch die Gelder effizienter einsetzen können und bessere Technologien bekommen. Das Wissen, dass zum Beispiel die Werbemittel tatsächlich gesehen wurden, hilft uns besser und effizienter zu planen. Im Umkehrschluss haben wir beim Nachweis fehlender Visibility automatisch Kostenersparnisse, weil wir dann beim Vermarkter nachverhandeln“, sagt Malek.
Oliver Weiss, Manager Europe vom Adserver-Anbieter Facilitate Digital, ist daher überzeugt: „Den Visibility-Nachweis muss ein moderner Agentur-Adserver einfach beherrschen genauso wie die Betrachtungsdauer der Werbemittel.“ Und diese Nachweise fordern vor allem die großen Werbungtreibenden. Diese Erfahrung hat auch Hendrik Kempfert, Commercial Director vom Agentur- und Advertiser-Adserver Adform, gemacht: „Treiber sind hier meist große Marken, die zunehmend darüber nachdenken, Budgets in den Online-Kanal umzuschichten, da hier die Werbewirksamkeitsmessung effektiver gegenüber der Klassik möglich ist.“
Markenschutz
Schwierigkeiten bereitet aber der Aspekt Brandsafeness, also die Frage, ob das Werbeumfeld, in dem das Werbebanner erscheint, die Marke schädigen könnte. Dies ist vor allem bei Ad Requests durch Ad Networks ein Thema, bei denen die Werbemittel weitergeleitet werden. Für einen 3rd Party Adserver ist es schwierig, einem Ad Request nicht nachzukommen. Andernfalls entstehen Zählabweichungen. Facilitate gibt zwar einen Tag nach dem Flight den Report aus, der anzeigt, wo die Ads tatsächlich gelaufen sind. „Was jedoch nicht machbar ist, ist das Ablehnen einer Auslieferung eines Werbemittels auf eine Domain, die in einer Blacklist enthalten ist“, erläutert Weiss.
Anbindung ans Realtime Bidding
Interessant wird das Thema Brandsafeness zunehmend im Zusammenhang mit dem automatischen Mediahandel, also dem Realtime Bidding, wenn ein Werbemittel nach Algorithmen sein passendes Werbeumfeld suchen wird. Offensichtlich ist dieser Themenbereich noch eine riesige Baustelle sowohl für Agenturen als auch für die Adserver-Anbieter. Während Facilitate hier noch an eine Lösung zu einer Anbindung arbeitet, liefert Adform „zumindest“ auf Google Ad Exchange aus. Diese Funktion sei erst kürzlich freigeschaltet worden und man befände sich aktuell auch in der Umsetzung zur Anbindung weiterer Plattformen, beispielsweise Admeld. Das Volumen der gehandelten Platzierungen sei für den deutschen Markt laut Kempfert noch sehr überschaubar und es fehle an Marktstandards. „Bei RTB wird oft übersehen, dass es die Agentur- und Advertiseradserver sind, die die Hauptlast der Integrationsaufwände zu tragen haben. Da regelt dann die Nachfrage des Marktes wie auch die Verfügbarkeit von Platzierungen eindeutig die Rangfolge der Anbindungsumsetzung bei uns.“ Die Agenturen haben es trotzdem eilig. „Spätestens 2012 müssen wir von unseren Adservern voraussetzen können, dass sie uns Anbindungen zu den RTB-Plattformen zur Verfügung stellen“, sagt Malek von Neo@Ogilvy.
Reporting und Optimierung: Path To Conversion
Eine Trennung der beiden Spielarten Performance und Branding kennen die Agentur-Adserver-Anbieter so nicht. „Seriöse Adserver-Anbieter müssen beide Spielarten des Online-Marketings beherrschen“, sagt Weiss. Daher ist es nicht verwunderlich, dass neben Funktionalitäten, die das Branding betreffen, auch das Funktionsangebot zur Customer Journey – oder auch Path to Conversion genannt – eine immer größere Rolle spielt. Hier fällt immer häufiger das Stichwort ‚Conversion Attribution‘. Dabei entwickeln die Adserver-Techniker für die Agenturen Gewichtungsmodelle für Performance-Kampagnen. Damit ist es möglich, einen realistischen ROI oder einen eCPM einzelner Platzierungen auf Basis unterschiedlicher Parameter wie History, Werbemittelgröße, Marketingkanal zu gewichten und zu kalkulieren. Der Mediaentscheider erlangt dadurch eine wesentlich höhere Zielgenauigkeit für seine Optimierungen.
Hendrik Kempfert von Adform bemerkt zur Path To Conversion: „Um eine erfolgreiche Customer Journey abbilden zu können, reichen die Kampagnenkanäle allein nicht aus.“ Kempfert hatte zuvor an der Adserverlösung von newtention mitgearbeitet: „Es sind zwingend neben den ‚Kampagnendaten‘ auch die ‚Nichtkampagnendaten‘ hinzuzuziehen, als auch eine Kontrollgruppe von Usern anzulegen, die garantiert keine Werbemittel der Kampagne gesehen haben. Andere Anbieter, die nur die Kampagnen-Channels einbinden, sehen definitiv nur ‚die Hälfte‘ der Informationen, die ein User auf seiner Reise hinterlässt“, meint Kempfert von Adform.
Christoph Benning, Managing Director von Mediamind Deutschland, macht in diesem Zusammenhang auf ein weiteres Problem aufmerksam, nämlich dass ein Tracking von mobilen Werbemitteln für eine Path-To-Conversion-Optimierung unmöglich sei. „Da wird es schwierig. Das sind völlig unterschiedliche Geräteklassen. Bei einem Devicewechsel des Users geht das nicht. Das wäre so, als würde man die Kontaktklassen von TV und Online zu einem Report zusammenfügen.“
Schluss mit der Excel-Schubserei
Nicht alles kann also die Technik des Adservers für eine Agentur leisten. Die Adserver-Anbieter sollten auf die Bedürfnisse der Agenturen hören. „Einige Adserver-Anbieter versprechen Rocket Sciences. Beim Testen dieser Systeme fängt dann die Arbeit für uns erst an, weil wir deren Technikern erst einmal erklären müssen, welche Schwächen uns aufgefallen sind und was uns operativ das Leben erschwert. Viele von ihnen müssen dann feststellen, dass in der Praxis einiges nicht so gut funktioniert, wie sie es sich vorgestellt haben“, berichtet Malek.
Dabei meinen es die Techniker ja nur gut mit den Agenturen, die sich nach Auffassung von Weiss ebenfalls zu sehr auf fremdes Terrain wagen. Dies beträfe vor allem die zum Teil abenteuerlichen Eigenentwicklungen im Bereich der Buchungs- und Abrechnungsprozesse. „Mediaagenturen sind keine IT-Unternehmen. Hier überschätzen sich viele Agenturen“, meint Weiss, dessen Unternehmen Facilitate Digital sich die Optimierung der typischen Agenturen-Arbeitsprozesse auf die Fahne geschrieben hat. Soweit die Agenturen zu einer größeren Holding gehören, müssten diese auf diesem Gebiet sowieso umdenken, meint Weiss: „Alle großen Konzerne setzen auf eine Vereinheitlichung ihrer Systeme, und zwar über die Grenzen hinweg.“
Dann sei laut Kempfert von Adform Schluss mit der Excel-Schubserei. Hier befänden sich die Agenturen in einem Umbruch, der gerade begonnen hat. Viele Agenturen produzieren noch immer Unmengen von Excel-Silos beispielsweise mit Kampagnenauswertungen zu den Spendings und den Werbeträgern. Tatsächlich können die Agenturen solche Daten zentral über den Adserver erfassen und so Historien zu den Kampagnen aufbauen und bei zukünftigen Kampagnen diese Daten als Vergleichswerte heranziehen.
Malek sieht die Anbieter der Adserver-Systeme in der Pflicht, die Komplexität aus ihrer täglichen Arbeit herauszunehmen. „Adserver sollten die Arbeit der Mediaplaner und Ad-Manager immer weiter vereinfachen. Die Anbieter müssen ihre Systeme möglichst einfach halten, damit die Mediaagentur und Werbekunden möglichst effizient damit arbeiten können. Wir sind derzeit im Bereich Adserving sehr gut aufgestellt – aber sicherlich: Je weniger Systeme wir einsetzen müssen, desto besser ist das für unsere Planer und Ad-Manager. Die Auswertung der Daten muss intuitiv, schnell nachvollziehbar und übersichtlich darstellbar sein. Kampagnenergebnisse sind das A und O für die Optimierung der Kampagnen unserer Kunden.“
Doch in der Realität werden die meisten Agenturen weiterhin mit fünf, sechs Agentur-Adserver-Systemen arbeiten müssen. „Sie können es sich auch gar nicht aussuchen“, so Weiss. Denn inzwischen haben viele große Advertiser direkte Verträge mit den Adserver-Anbietern. Sie verfügen also ihrerseits über einen eigenen Adserver.
Das hat vor allem einen triftigen Grund: So können die Werbungtreibenden die Kampagnendaten und Profile mit den eigenen Backend-Daten aus anderen Kanälen zusammenfügen und behalten gleichzeitig die Kontrolle darüber. „Für Agenturen, die mit den großen Advertisern arbeiten, ist das dann so, als ob sie sich die Kreditkarte, also den Adserver, für die Kampagne ausleihen und diese nach Gebrauch wieder zurückgeben müssen", sagt Benning von Mediamind. Daher wird es keinen Agentur-Adserver geben, der alles aus einer Hand bedienen wird. Vielmehr wird er modular aufgebaut sein, alle wesentlichen Funktionen beherrschen, sollte alle Arbeitsprozesse einer Agentur vollständig abbilden, ein einfaches Frontend besitzen und vor allem über viele Schnittstellen verfügen.
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